Schlafcoaching für Mütter
von Doris Urbanek

Frisch gebackene Mamas: Finger weg von Schlafbüchern? Schließlich werden darin zwei zentrale Botschaften überliefert: erstens, dass 30 bis 40 Prozent der Babys nach drei Monaten durchschlafen würden; und zweitens, dass man ihr Schlafverhalten trainieren könne. Die nächtliche Wirklichkeit sieht freilich meist düsterer aus. NEW MOM-Autorin Doris Urbanek, Mutter eines Säuglings, hat einen Feldversuch gestartet ... und Lücken geortet. Ihr Fazit: 10 - erfolgreich erprobte! - Überlebenstipps für Eltern von Nachtgespenstern.
Von der umstrittenen Ferber-Methode - "Jedes Kind kann schlafen lernen" - bis zu "Endlich durchschlafen": An Tipps für leidgeplagte Eltern mangelt es nicht. Den meisten von ihnen ist die Vorstellung gemeinsam, dass das Baby (zumindest ab dem siebenten Monat) alleine im Zimmer einschlafen lernen müsse, ohne elterliche Hilfen wie Stillen, Fläschchen oder Herumtragen. Nur wenn das gelinge, könne es auch durchschlafen.
Abgesehen von diesem hohen Anspruch an das Baby hat sich die These weder im eigenen Feldversuch noch bei Beobachtungen im Bekanntenkreis bestätigt. Kinder, die ohne Einschlafhilfen ins Bett gebracht wurden, wachten in der Nacht mehrmals auf. Im eigenen Fall war an ein Einschlafen ohne Stillen und gar noch alleine nicht zu denken. Dennoch entwickelte sich das Stillkind der Autorin mit acht, neun Monaten im Grunde zur Durchschläferin. Glück oder Zufall?
Wie auch immer: Der Weg dorthin war, vor allem nachts, sehr lang. Die Konsultation von Schlafbüchern, die elterliche Hingabe als höchstes Gut predigen ("Schlafen und wachen. Ein Elternbuch für Kindernächte"), erwies sich als wenig zufriedenstellend. Schließlich haben auch Eltern Bedürfnisse. Wie zum Beispiel Schlaf. Aufgrund von gefühlten Lücken in der Ratgeberliteratur entwickelte die Autorin dieses Artikels das folgende Schlafcoaching. Dessen Herzstück: nicht am Baby "herumdoktern". Vielmehr ist es an das Verhalten von Müttern (und Vätern) gerichtet.
10 ÜBERLEBENSTIPPS FÜR ELTERN KLEINER NACHTGESPENSTER
- MITSCHLAFEN STATT GRÜBELN#
Anstatt nachts wach zu liegen und zu überlegen, welchem Training man das Baby als nächstes unterzieht, lieber so gut wie möglich - trotz Unterbrechungen -mitschlafen. Liebevoll anzunehmen, dass das Kind oft aufwacht, klingt banal. Ist es aber nicht, wenn man den Prozentsatz von Kindern im Ohr hat, die angeblich durchschlafen. - DIE ILLUSION DER STEUERBARKEIT AUFGEBEN
Babys sind nicht so leicht programmierbar, wie oft vermittelt wird - es sei denn, man will eine Konditionierung oder Resignation der Winzlinge in Kauf nehmen. Eine der wertvollsten Erfahrungen, die Eltern machen können: die Akzeptanz von Situationen, wie sie im Moment gerade mal sind. - DIE PERSPEKTIVE NICHT AUS DEN AUGEN VERLIEREN
Schlafprobleme sind meistens auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Die Literatur spricht von einem Höhepunkt im sechsten, siebenten Lebensmonat. Oftmals wird das Schlafverhalten nach erfolgreicher Einführung der Beikost besser, in sehr vielen Fällen nach dem Abstillen. Obwohl nicht durch wissenschaftliche Studien belegt, zeigen Beobachtungen, dass Flaschenkinder, ehe es mit dem Zahnen losgeht, weniger oft aufwachen. - SCHICHTDIENST - VERANTWORTUNG ABGEBEN
Die ersten Wochen des Hormoncocktails und der Aufregung sind noch ganz gut zu überstehen. Doch ein halbes Jahr - und mehr - Schlafentzug knabbert an der Substanz. Wenn der Partner Schichten übernimmt, kann die Mutter selbst bei (gesunden) Stillkindern ab sechs Monaten ohne Bedenken die Verantwortung ein paar Stunden lang abgeben, am besten für den Schlaf vor Mitternacht. Ungestört entspannen? Dabei helfen Ohropax und, wenn möglich, räumliche Distanz. - AUF SCHWIERIGE PHASEN EINSTELLEN
Der Wonneproppen findet nach dem Einschlafen nicht so richtig in den Tiefschlaf und weint jede halbe bis dreiviertel Stunde wieder auf? Diese Phase des Kinderschlafes, irgendwann zwischen dem fünften und achten Monat, ist besonders anstrengend. Ob nun ein Entwicklungssprung dafür verantwortlich zeichnet oder das Anschieben der Zähne: Oft ist Stillen dann das einzige Beruhigungsmittel. Hier helfen Versuche des Papas, das Baby anderweitig zu beruhigen, damit Mama verschnaufen kann. - ABSTILLEN ODER NICHT?
Angesichts der schlechten Nächte kann Abstillen verlockend klingen. Doch auch hier gibt es einen Mittelweg. Wenn das Kind tagsüber durch Zufüttern schon gut satt wird, können die Stillabstände nachts sanft verlängert werden. Alternative "Beruhigungsmittel" wie Schnuller, Streicheln oder Händchenhalten anbieten, was zugegebenermaßen etwas Ausdauer erfordert (und oftmals von Vätern übernommen wird). - SCHLAFPLATZ UND SCHLAFPOSITION
Die meisten Experten empfehlen, das Kind bis zu einem Jahr in Rücken- oder Seitenlage im Beistellbett schlafen zu lassen, um das Risiko des plötzlichen Kindstods zu minimieren. Doch manche Babys schlafen im eigenen Zimmer besser, weil ungestörter. Einige Zwerge wollen auch partout nur in Bauchlage schlafen. Gegen Expertenmeinungen zu handeln und alternative Schlafarrangements auszuprobieren, ist aber gar nicht so leicht! - RAUSGEHEN - TROTZ SCHLAFMANGELS
Aufgrund der schlechten Nächte ist frau untertags oft nicht mehr unternehmungslustig, bleibt -abgesehen von einem Spaziergang um den Häuserblock - zu Hause und erlebt wenig Neues. So kann ein Teufelskreis von schlechten Nächten und einsamen Tagen entstehen. Wer sich aufrafft und trotzdem rausgeht, vielleicht sogar Sport macht, bekommt neue Eindrücke, Energie und Lebensfreude. - DIE UMSTÄNDE MITEINBEZIEHEN
Laut Psychologin Christine Rankl spielen Paarprobleme, konflikthafte Eltern-Kind- Beziehungen und familiäre Krisen bei Schlafproblemen eine Rolle. Dies gilt es bei hartnäckigen Schlafkrisen mit einzubeziehen und am besten im psychologischen Beratungsgespräch zu klären. Schlaf- und Schreiambulanzen an Krankenhäusern sind hier wertvolle Anlaufstellen. Deren Empfehlungen müssen natürlich auch gegen die eigenen Vorstellungen abgewogen werden. Generell gilt: Die Probleme in der Nacht löst man untertags! - DURCHSCHLAFPROBLEME BEI MÜTTERN
Das Baby schläft endlich durch, die Mutter aber nicht mehr ... Bei diesem gar nicht selten auftretenden Phänomen empfiehlt es sich, den Hormonstatus (Progesteron, Schilddrüsenhormone) zu kontrollieren. Denn bei einem Überschuss oder Mangel von Hormonen können Schlafstörungen eine mögliche Folge sein. Hilfreich ist außerdem, Magnesium zu nehmen und sich Entspannungstechniken anzueignen.
Abschließend noch ein Gedanke zu aktuellen Schlaflernmethoden, die das alleinige Einschlafen predigen: Wie schön muss es für das Baby sein, beim Stillen einzuschlafen - warme Milch, an warme Haut gekuschelt, ganz nahe bei Mama. Was will Baby mehr?
Literatur:
ENDLICH DURCHSCHLAFEN, Schlafprobleme verstehen und lösen
von Christine Rankl
Patmos Verlag, ISBN 978-3-84360-748-3
Euro 15,50