Schlupfwarzen & Hohlwarzen - Tipps zum Stillen
von Katharina Wallner

Die weibliche Brust
Seinen ureigenen Bedeutungshöhepunkt erlangt der Busen naturgemäß beim Stillen. Schließlich gehören wir Menschen zur Gattung der Säugetiere und können unseren Nachwuchs über diese natürlichste Methode der Welt wunderbar mit Muttermilch ernähren.
Aber weit über das Stillen hinaus rückt unser aufrechter Gang den Busen sichtbar in den Mittelpunkt. Denn anders als bei anderen Spezies treten die weiblichen Rundungen auch in Zeiten, in denen nicht gestillt wird, deutlich hervor. Daher gilt der Busen als sekundäres Geschlechtsmerkmal und ist von jeher Schönheitsidealen unterworfen. So wechseln die Zeiten, in denen ein kleiner, fester Busen als überaus sexy gilt, mit jenen, in denen ein großer, weich aus der Kleidung quellender Busen das Maß aller Dinge ist. Fast jeder Poet schwelgte im Lob der weiblichen Brust, nahezu alle Maler tauchten ihre Pinsel ein, um den perfekten Busen auf die Leinwand zu bringen, und wo ein Bildhauer, da auch das in Stein gemeißelte Ideal.
Anatomie der Brust
Doch so individuell wir Menschen sind, so unterschiedlich ist auch die Brust, und Abweichungen vom "Non plus ultra" sind ganz natürlich und normal. Schaut man sich den Aufbau der weiblichen Brust aber einmal nüchtern unter anatomischen Gesichtspunkten an, stellt man fest, dass sich im Hinblick auf Anatomie und Funktionalität weit mehr Übereinstimmungen von Frau zu Frau finden als im äußeren Erscheinungsbild.
- In der tiefsten Schicht, an den Rippen, liegt der große Brustmuskel.
- Über ihm befinden sich das Fettgewebe, Bindegewebe, Blutgefäße, Drüsenlappen, Milchbläschen, Milchseen und Milchgänge. Diese Strukturen aus Gewebe, Gefäßen und Drüsen sind für die Form und Größe des Busens verantwortlich.
- Über der Haut sind die Brustwarzen (Mamillen) und ihr Warzenvorhof zu sehen. Die mögliche Pigmentierung der kreisrunden Warzenvorhöfe variiert von einem zarten Rosa bis zu dunklen Brauntönen.
- Die zehn bis fünfzehn Erhebungen, die darauf kreisförmig angeordnet sind und am besten sichtbar werden, wenn sich die Brustwarze zusammenzieht, nennt man Montgomery-Drüsen. Diese Talgdrüsen dienen der Befeuchtung der Mamillen und senden feine Düfte (Pheromone) aus – Duftmarker, die den Säugling zur Nahrungsquelle locken.
- Aus der Tiefe kommend münden die Milchgänge in die Brustwarze. Über sie tritt die Muttermilch nach außen, sobald der Säugling an der Brust saugt.
Die Brustwarzenform ist entscheidend für das Stillen
Je leichter die Brustwarze zu fassen ist, desto leichter geht das Stillen. Doch wie die Brustwarze während des Stillprozesses reagieren wird, lässt sich im "Ruhezustand" nicht zweifelsfrei feststellen. Entscheidend ist der Moment, in dem das Baby an der Brust saugt. Um vorherzusagen, wie die Mamille auf diesen Stimulus reagieren und sich beim Stillen verhalten wird, kann man sie mit Daumen und Zeigefinger an ihrer Basis ergreifen und mehrmals zusammenkneifen (Kneif-Test).
Es gibt nicht nur große oder kleine, dunkle oder helle Brustwarzen, sondern auch hervorstehende, flache und sogar nach innen gezogene Mamillen, die Schlupf- oder Hohlwarzen genannt werden.
Mit Brustwarzenformern können flache oder in der Tiefe liegende Mamillen sanft auf das Stillen vorbereitet werden. Diese Halbschalen kann man bereits während der Schwangerschaft und dann in den Stillpausen in den BH einlegen; ihre weichen, flexiblen Silikonmembranen passen sich der Brust an. So üben sie sanften Druck auf den Warzenvorhof aus, um die Brustwarze sacht hervorzuholen.
"Echte" und "falsche" Schlupfwarzen
- "Falsche" Schlupfwarzen verstecken sich in der Tiefe, treten aber in der Regel hervor, wenn sie richtig stimuliert werden. Vor dem Stillen kann man sie sanft zwirbeln oder durch Kälte reizen (z.B. anfeuchten und anpusten), damit sie sich aufstellen und das Baby gleich die besten Bedingungen vorfindet.
- Etwas schwieriger wird es bei der "echten" Schlupfwarze, der häufigsten von der "Norm" abweichenden Mamillenform. Denn sie ist im "Ruhezustand" leicht zu fassen und zieht sich erst zurück, wenn sie stimuliert wird – also eben dann, wenn das Baby an der Brust andockt. Dadurch wird der Stillvorgang erschwert. Denn um das Vakuum für ein effizientes Saugen aufzubauen, sollte der Säugling die Brustwarze gut fassen und genug Brustgewebe tief in den Mund nehmen können. Den Frust über erfolgloses Bemühen merkt man Babys schnell an. Sie werden unruhig, bewegen ihren Kopf hin und her, stemmen sich von der Brust weg oder beginnen lauthals zu schreien. Manche Kinder resignieren auch und schlafen erschöpft, aber hungrig ein.
Da die meisten Säuglinge aber sehr saugfreudig sind und über kurz oder lang mit den Brustwarzen ihrer Mama zurechtkommen, können Frauen mit Schlupfwarzen häufig trotzdem stillen. Sie brauchen nur am Anfang ihrer Stillzeit verstärkt Stillhilfe, um gemeinsam mit dem Säugling ein gutes Handling entwickeln zu können.
Hohlwarzen - Ein Stillhindernis
Bei Hohlwarzen, einer Erscheinung, die manchmal nur auf einer Seite auftritt, fehlen die eigentlichen Brustwarzen. Der Warzenhof zeigt in der Mitte eine Vertiefung mit einem kleinen Randwall. Wird die Brustwarze stimuliert, zieht sie sich noch stärker zusammen und lässt sich dadurch vom Säugling gar nicht mehr erfassen. Glücklicherweise sind echte Hohlwarzen, die meist in Verbindung mit verkürzten Milchgängen und wenig Drüsengewebe auftreten, äußerst selten.
Neben viel Geduld und Stillhilfe sollten auch Stillhilfsmittel zum Einsatz kommen, um dem Stillen eine Chance zu geben:
- Stillhütchen sind hauchdünne Silikonauflagen in Form einer Brustwarze. Sie werden zentral über die eigene Brustwarze gelegt und bieten dem Baby einen größeren und festeren Ansatzpunkt. An der Spitze der künstlichen Brustwarze befinden sich kleine Löcher, aus denen die Milch zum Baby fließt – ganz so wie es sein soll.
Fast alle Stillschwierigkeiten lassen sich in den Griff bekommen und nahezu alle Frauen (97%), die es möchten, können ihr neugeborenes Kind mit Muttermilch ernähren. Ob der Busen klein oder groß ist, gibt keinen Aufschluss darüber, wie er sich während der Stillzeit verhält und ob viel oder wenig Milch fließen wird. Das hängt vielmehr von der Stillfrequenz ab, von hormonellen Voraussetzungen und der Speicherkapazität der Brust. Diese kann übrigens auch bei derselben Frau von Brust zu Brust verschieden sein. So ist am Ende doch weniger "in Stein gemeißelt", als man denkt, fast alles ist möglich und jeder Mensch ein einzigartiges Kunstwerk der Natur.
AUTORIN
Katharina Wallner ist Hebamme, Pädagogin und freie Journalistin. Sie betreut Familien in der Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbett. Außerdem unterrichtet sie seit 2014 an der Fachhochschule FH Campus Wien im Studiengang Hebammen.