Man mag es kaum glauben: Doch selbst in unserer „oversexed Society" ist Sex nach der Geburt nach wie vor ein Tabuthema. Zwar kursieren Gerüchte über mögliche Höllenschmerzen beim "ersten Mal" danach oder über "ausgeleierte Vaginas" nach der Geburt. Doch diese tragen verständlicherweise nicht gerade zu einem entspannten Umgang mit dem Thema bei.
- Zur Beruhigung vorab: Viele Paare empfinden die Sexualität nach der Geburt ihres Kindes intimer, zärtlicher, tiefer als davor. Damit dem aber so ist, braucht es vorab oftmals Geduld von beiden Partnern, manchmal ganz besonders vom Mann.
Wann kommt die weibliche Lust nach der Geburt zurück?
Hier gibt es keine Norm, die als Gradmesser dienen könnte: Manche Frauen verspüren sehr schnell, nach wenigen Wochen, wieder Lust, mit dem Partner intim zu werden; andere erst nach einem halben Jahr oder später. Bei vielen Moms decken zunächst das Stillen und die Versorgung des Babys jegliches Bedürfnis nach Berührung ab. "Die Frauen müssen sich oft erst an ihren neuen Körper herantasten, mit ihm vertraut werden", gibt Dr. Sigrid Schmidl-Amann, Gynäkologin in St. Pölten, zu bedenken. "Die Brust spannt. Das Stillen macht vielleicht Probleme. Die Frau ist emotional auf das Kind fixiert". Alles Gründe dafür, dass Frauen eher selten schon während der ersten vier bis sechs Wochen nach der Geburt - in der Zeit des sogenannten Wochenbetts - wieder große Lust auf körperliche Liebe bekommen. Ärzte raten ohnehin während des Wochenflusses vom Intimverkehr ab. Dabei handelt es sich nämlich um ein Wundsekret. "Solange Sekret abgeht, ist das ein Zeichen dafür, dass sich die Gebärmutter noch nicht ganz zurückgebildet hat und die Abheilung noch nicht vollständig erfolgt ist", erklärt Dr. Schmidl- Amann. "Im Extremfall, unter schlechten hygienischen Bedingungen, könnten Keime in die Gebärmutter eindringen". Falls es doch schon während des Wochenflusses zum "ersten Mal" kommt, gilt also: Sicherheitshalber ein Kondom verwenden!
Wird es wehtun?
Wenn beide Partner wieder bereit für den Sex sind, müssen auch keine horrenden Schmerzen befürchtet werden. "Ängste haben Frauen vor allem wegen etwaiger Geburtsverletzungen, vor allem Dammschnitt oder -riss", weiß Dr. Schmidl-Amann aus der Praxis. Sie empfiehlt: "Diese sollten gut ausgeheilt sein!" Wie lange die Heilung braucht, sei aber sehr unterschiedlich: "Es gibt Frauen, die bereits nach einer Woche nichts mehr spüren; und andere, die nach mehreren Monaten noch Probleme haben", so die Gynäkologin. Ist der Damm in die Scheide hinein gerissen oder geschnitten worden, so rät sie, mit dem Geschlechtsverkehr bis nach der ersten gynäkologischen Untersuchung zu warten. Auch eine trockene Scheide kann Probleme machen. Denn solange die Frau stillt, sorgt das Hormon Prolaktin für eine Verringerung der Östrogene im Blut. Die Scheidenschleimhaut wird dünner und empfindlicher. "Insbesondere Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten, wundern sich oftmals, weil sie sich im Genitalbereich keine Veränderungen erwartet haben", erzählt Dr. Schmidl-Amann.
- Beste Vorsorge: Gleitgel oder -creme verwenden! Vorab wissen sollte frau auch, dass sie möglicherweise durch die Hormonumstellung in der Scheide weniger empfindet ... und dass es beim Orgasmus zu einem Milchaustritt kommen kann.
Andere Empfindungen?
Auch die Vagina verändert sich infolge einer natürlichen Geburt, keine Frage. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass dadurch auch das sexuelle Empfinden beeinträchtigt wird - weder bei der Frau noch beim Mann. Denn die Vagina ähnelt einem elastischen Schlauch. Sie bleibt also nicht "ausgeleiert", sondern beginnt gleich nach der Geburt, sich wieder zusammenzuziehen. Unterstützung erfährt sie, wenn frau brav Rückbildungsgymnastik macht. Je besser die Beckenmuskulatur trainiert ist, desto besser kontrahiert sie beim Höhepunkt ... und desto mehr empfindet die Frau. Zunächst ist es wichtig, wieder ein Gefühl für den Beckenboden zu bekommen. Dr. Schmidl-Amanns Tipp: den Zeigefinger in den Scheideneingang stecken und anspannen, bis frau den Beckenboden spürt. Auch sogenannte Liebeskugeln, die in die Vagina eingeführt und ein paar Stunden "herumgetragen" werden, können sich als hilfreich erweisen - allerdings erst, wenn die Frau wieder ein Gefühl für den Beckenboden entwickelt hat.
- Der positive Effekt: Die inneren Vaginamuskeln werden gestärkt.
Stillen - ein "Verhütungsmittel"?
Das Stillhormon Prolaktin senkt die Produktion der Eierstöcke. Nicht immer ist der Prolaktinspiegel im Blut jedoch hoch genug, um einen Eisprung zu unterdrücken. Daher kann es - auch bei der stillenden Frau - durchaus vorkommen, dass sie bereits drei Wochen nach der Geburt wieder einen ersten Eisprung hat und schwanger wird. Wenn Stillen als Methode der Verhütung ausfällt, welche Mittel kommen dann während der Stillzeit infrage? Da wären einmal Hormone: Östrogene wirken sich negativ auf den Milchfluss aus - stillende Mütter dürfen daher nur zu reinen Gestagen-Pillen greifen.