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Baby glücklich

Väterkarenz - Mythos oder Realität?

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Vater mit Baby glücklich
Foto: PantherMedia/phakimata

Zugegeben: Dank des einkommensabhängigen Kindergelds (EAK) steigt die Zahl der Papas in Karenz seit 2010 stetig an. Mittlerweile liegt die Väterbeteiligung beim EAK laut Statistik des Familienministeriums (BMFJ) bei knapp 30 Prozent. Doch viele Paare gönnen sich die zwei für den Partner reservierten Monate als gemeinsame Zeit, ob zum Urlauben oder für den Hausbau. Alles gut nachvollziehbar ... aber ein Rollentausch? Fehlanzeige! Und: Warum nützen mehr als 70 Prozent der Väter nicht die finanzielle Sicherheit, die das EAK bietet - zumindest für zwei Monate?

Begründung: Arbeitsplatz sichern

Hört man sich unter jungen Familien um, werden karrieretechnische Gründe ins Treffen geführt. Sich als Geschäftsführer zu absentieren sei schwierig, meint etwa Philipp. "Mein Mann ist gerade erst Oberarzt geworden, da kann er nicht gut weg", erklärt Elena. Angestellte ohne Führungsverantwortung wiederum fühlen sich aus anderen Gründen unabkömmlich: "Ich hätte Angst, ersetzt zu werden. Die jüngeren Kollegen scharren schon in den Startlöchern", so Gerald, der mit 43 Jahren zum ersten Mal Vater wurde. Familienfeindliche Firmenchefs tragen das Ihre dazu bei. Branche und Firmengröße spielen gemäß Wiedereinstiegsmonitoring (BMFJ 2015) ebenfalls eine Rolle: In Betrieben der Informations- und Kommunikationsbranche sowie ab 500 Beschäftigten gibt es wesentlich mehr Karenzpapas als im Verkehrswesen, in Beherbergung und Gastronomie oder im Großhandel. Stichprobenartige Befragungen im Bekanntenkreis passen ins Bild: "Ich arbeite in der Softwarebranche, mein Arbeitsplatz ist mir sicher, denn qualifizierte Programmierer werden immer gesucht“, so Tom, der bei beiden seiner Kinder für drei Monate in Karenz war.

Begründung: Die Leistbarkeit ...

Die Eltern müssen sich beim Bezug des Kindergeldes auf ein Modell einigen. 2012 wählten immer noch zwei Drittel der Mütter lange Kinderauszeiten (Pauschalmodelle 30+6 bzw. 20+4 Monate). Wenn das Einkommen der Papas durch eine Karenz wegfällt, bleiben nur noch das wenige Kindergeld (436 bzw. 624 Euro monatlich) und das - in der Regel niedrigere - Gehalt der Mama: Im Jahr 2014 betrug das mittlere Einkommen eines Mannes, Urlaubs- und Weihnachtsgeld einberechnet, laut Statistik Austria 1.839 Euro netto, das einer Frau nur 1.490 Euro netto. Falls vorhanden, muss dann auf Erspartes zurückgegriffen werden. "Das ist es uns wert", sagt Fabian, der sowohl beim ersten als auch beim zweiten Kind für vier Monate zu Hause war. Doch vielen Familien, darunter auch immer mehr in Patchwork, erlauben die Finanzen gar keine Jobpause. Als Kompromiss beziehen manche Papas Kindergeld und arbeiten so viele Stunden, wie es die Zuverdienstgrenze erlaubt - ohne wirklich in Karenz zu sein. Die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes ist in diesem Fall jedoch gemildert.

Klassische Arbeitsaufteilung

Dass das Einkommen von Frauen gering ist, liegt unter anderem auch daran, dass sie mehr Teilzeit arbeiten, um Kinder zu betreuen. Inwieweit dahinter eine freie Wahl steht oder das auch der schlechten Betreuungslage für Kinder unter drei Jahren geschuldet ist, sei dahingestellt. In Wien, wo man auf ein besseres Kinderbetreuungsangebot zurückgreifen kann, ist die Wiedereinstiegsquote unter Frauen höher als im Rest von Österreich. Auch die Zahlen zur Väterkarenz zeigen ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: In urbanen Zentren, allen voran natürlich Wien, sind deutlich mehr Vollzeitpapas zu finden als auf dem Land. Akademikerinnen steigen zwar früher als andere Mütter wieder ins Berufsleben ein, aber die ersten eineinhalb bis zwei Lebensjahre des Kindes verbringen sie doch am liebsten zu Hause.

Das EAK wird "rationiert" und die Karenz dadurch um ein paar Monate verlängert. Die klassische Arbeitsaufteilung scheint zumindest für die ersten zwei Lebensjahre des Kindes - bis zum Ende der arbeitsrechtlichen Karenz - immer noch für viele Paare zu passen.

Ab und zu ein Rollentausch

Die wenigen Fälle, in denen Eltern im ersten Lebensjahr des Kindes die Rollen tauschen, finden sich am ehesten bei selbstständig erwerbstätigen Frauen. "Meine Freundin ist Kleidermacherin mit eigenem Atelier, ihr Beruf ist ihre Berufung. Ich beziehe das EAK für zwölf Monate", so Andreas, nun schon seit neun Monaten hauptberuflich Papa und Hausmann. Ein anderes Beispiel bieten Bernhard und Ingrid, er Angestellter in der Pharmabranche und sie erfolgreiche Rechtsanwältin in einer Großkanzlei. Die beiden wollen sich die Karenz (14 Monate EAK) beim zweiten Kind teilen, was mit einem Partnerbonus von 1.000 Euro belohnt wird. Es gibt sie also doch, die Vollzeitpapas! Ihnen ist gemeinsam, dass sie von ihrer Familienzeit schwärmen und sie allen Neo-Papas wärmstens empfehlen.

Kinderbetreuungsgeld NEU

Statistiken zeigen, dass das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld eher kurze Karenzzeiten bei Vätern fördert (die "+2 Monate"). Die von NEW MOM befragten Langzeitpapas zeigen sich allerdings einig, dass zwei Monate viel zu kurz sind. Zu einem ähnlichen Schluss ist auch die Politik gekommen, die bei dem neuen Kinderbetreuungsgeldkonto (für Geburten ab 1. März 2017) zumindest 91 Tage für den Partner reserviert. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld bleibt jedoch wie gehabt (12 + 2 Monate). Zusätzlich wird es eine abgeschwächte Form des Papamonats (innerhalb von drei Monaten nach der Geburt) geben: Väter können mit dem Arbeitgeber einen Monat Familienzeitbonus vereinbaren und sind in dieser Zeit kranken- und pensionsversichert; Rechtsanspruch besteht jedoch keiner.

Wir dürfen gespannt sein, wie sich die neuen Regelungen auswirken werden. Ob die Population der Karenzpapas damit weiter wachsen wird?

KARENZVÄTER IN ZAHLEN

Ja, es gibt sie und sie werden immer mehr. Doch bevor wir uns vor Begeisterung überschlagen, ein paar trockene Fakten, die die Euphorie etwas dämpfen. 19 Prozent aller Väter gehen in Karenz - das ist nicht einmal ein Fünftel. Diese Zahl sagt zudem nichts über die Länge der Karenz, Teilzeitarbeit währenddessen und die tatsächliche Rollenaufteilung zwischen den Elternteilen aus. Zwei Drittel der Väterkarenzen dauern nicht länger als zwei Monate, und kaum eine Mutter arbeitet währenddessen 40 Stunden. Vollzeitpapas sind also immer noch eine seltene Spezies.

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