Die deutsche Bundeshauptstadt bietet alles, was man fur einen gelungenen Citytrip mit Kindern benötigt: ein riesiges, auf Familien zugeschnittenes Kulturangebot, viel Grün mit Parks, Spielplätzen und Seen sowie eine äußerst spannende Vergangenheit zum Erkunden. Das Ganze ohne Sprachbarriere und zu moderaten Preisen – was will man mehr?
Ein Auto in der Stadt ist ein Klotz am Bein, darum reisen wir bequem mit dem Zug nach Berlin. Von München nach Berlin braucht der ICE vier Stunden und in den gemütlichen 1.-Klasse-Sitzen lassen wir, den Cappuccino in der Hand, die Landschaft mit 300 km/h an uns vorbeifliegen.
Bereits im Zug laden wir die App der Berliner Verkehrsbetriebe herunter, um unser Fortkommen in der Stadt zu sichern. Berlin verfügt über ein sehr gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz, allerdings wechselt man ständig zwischen Schnell- und U-Bahn, das ist für uns etwas gewöhnungsbedürftig. Die App liefert aber immer eine Information zum Gleis mit, was die Wahrscheinlichkeit, in die falsche Richtung zu fahren, deutlich reduziert.
Erster Halt: Hotel Citylight beim Gesundbrunnen
Station Gesundbrunnen klingt irgendwie idyllisch, ist es aber nicht. Das Brunnenviertel ist am ehesten mit dem Wiener Reumannplatz zu vergleichen, liegt aber, ebenso wie dieser, äußerst verkehrsgünstig. Darum haben wir uns hier das Familienhotel Citylight als Ausgangspunkt für unsere Stadterkundung ausgesucht. Das Citylight ist ein einfaches Hotel, das mich ein bisschen an frühere Zeiten in diversen Jugendherbergen erinnert. So ist unser Zimmer zwar nicht luxuriös, aber zweckmäßig eingerichtet, alles funktioniert und ist blitzsauber. Das wirklich umfangreiche Frühstücksbuffet am nächsten Morgen ist eine weitere positive Überraschung
Schifffahrt auf der Spree
Natürlich ist eine Woche viel zu kurz, um Berlin vollständig zu erkunden, so riesig ist das Angebot der Stadt. Den bequemsten Überblick über wichtige Sehenswürdigkeiten bietet mit Kindern eine Schifffahrt auf der Spree. Mit Kaffee und Eis ausgerüstet starten wir also unsere Rundfahrt am Holsteiner Ufer und lassen das Regierungsviertel, das historische Berlin, die Mercedes Benz Arena und vieles mehr gemächlich an uns vorüberziehen – so stressfrei kann Sightseeing sein
Berlin on Bike – die Berliner Mauer mit dem Fahrrad erkunden
Am meisten interessiert uns aber die Berliner Mauer. Für meinen Mann und mich ist sie ein Stück erlebte Geschichte. Ihren Fall haben wir 1989 schon bewusst miterlebt … und mitgefeiert. Jetzt wollen wir unseren Kindern, 11 und 13 Jahre alt, diesen Teil der Vergangenheit Berlins näherbringen. Am einfachsten geht das mit einer Fahrradtour des Vereins „Berlin on Bike“.
In der dreieinhalbstündigen Tour fährt man die Mauerreste und wichtige Punkte der Berliner Mauer ab, an jedem Stopp erzählt unser junger Guide Philipp viel Wissenswertes mit spannender Hintergrundinformation. So erfahren wir, wie die Mauer 1961 überraschend für die Bevölkerung gebaut worden ist, um die Massenflucht aus Ostdeutschland nach Westdeutschland zu stoppen. Natürlich führte die Grenze durch das gesamte Land, aber bis heute ist die Berliner Mauer das Symbol des geteilten Deutschland. In den ersten Tagen des Mauerbaus wurden Fenster in Häusern zugemauert, damit ihre BewohnerInnen nicht einfach in den Westen springen konnten.
An der Bernauer Straße steht ein Gedächtniszentrum und dort können wir den perfiden Aufbau der Berliner Mauer mit Außen- und Innenmauer sowie Todeszone dazwischen begutachten. Philipp erzählt von der „Luftbrücke“, als die Amerikaner die Westberliner Bevölkerung über ein Jahr lang nur mit Flugzeugen mit allem Lebensnotwendigen versorgt haben. Oder von der „Panzerkonfrontation“, und auch unsere Kinder hören aufmerksam zu, als es um Flüchtende geht, die durch einen Tunnel oder mit einem Ballon versucht haben, in die Freiheit zu gelangen.
Ein Stück weiter, im ehemaligen Wachturm am Kieler Eck, befindet sich eine Gedenkstätte für Günter Litfin. Der junge Mann war das erste Maueropfer und erst 24 Jahre alt, als ihn Grenzsoldaten am 24. August 1961 beim Fluchtversuch erschossen. Unsere Kinder beeindrucken am meisten die vielen Graffitis an der Berliner Mauer, an denen man das aktuelle Zeitgeschehen „nachlesen“ kann. Momentan steht offensichtlich der Gazakrieg im Fokus der KünstlerInnen. Es befindet sich so viel Farbe auf der Mauer, dass diese durch ihr Gewicht abrutscht und unten wie ein Malerteppich liegen bleibt. Stolz nehmen sich die Kids ein Stück Mauerfarbe als Berliner Souvenir mit.
Spionagezentrum Berlin: Deutsches Spionagemuseum
Die besondere Lage zwischen Ost und West hat Berlin, genauso übrigens wie Wien, während des Kalten Krieges zu einem Hotspot von Spionage und Gegenspionage gemacht. Grund genug für die BerlinerInnen, aus diesem Teil ihrer wechselvollen Geschichte ein spannendes, lehrreiches und interaktives Museum zu gestalten, das sich im Herzen von Berlin, am Potsdamer Platz, befindet und großen wie kleinen BesucherInnen viel Geheimnisvolles zu bieten hat.
Während ich mir die teilweise absurden Lebensgeschichten von berüchtigten Spionen durchlese, ist unser Töchterchen damit beschäftigt, unter Zeitdruck in einem Zimmer Wanzen zu scannen. Um diese Aktivität zu starten, muss sie allerdings eine spezielle Telefonnummer auf einem altertümlichen Wählscheiben-Telefon eingeben – was sie als Generation Smartphone zunächst komplett überfordert. Bei einem Lügendetektortest frage ich anschließend meine Kinder, was ich immer schon von ihnen wissen wollte. Das Highlight stellt jedoch die Bewältigung eines Parcours mit Lichtschranken dar.
Gleich neben dem Spionagemuseum befindet sich das Deutschland-Museum, das nehmen wir auch noch mit. 2000 Jahre deutsche Geschichte, so spannend, kurzweilig und mystisch verpackt, dass auch bei unserem Nachwuchs etwas hängenbleibt.
So viel Zeit muss sein: Shopping in Charlottenburg
Wenn man schon in einer so hippen Stadt wie Berlin zu Besuch ist, darf eine kleine Shoppingtour nicht fehlen. Da bietet sich grundsätzlich natürlich der Kurfürstendamm an, aber die Geschäfte dort sind uns doch etwas zu kostspielig. Nicht weit vom „Ku’damm“ entfernt, im noblen Charlottenburg mit seinen wunderschönen Jugendstilbauten, gibt es aber jede Menge interessante Shops und Vintageläden, deren Angebot sich ein bisschen abseits vom üblichen Konsum-Mainstream orientiert.
Eher zufällig landen wir später noch am Hackeschen Markt, wo allerlei Handwerk und Streetfood angeboten wird, worauf unseren Kids sofort wieder der Magen knurrt. Die Hackeschen Höfe wiederum beeindrucken mich mit ihrer denkmalgeschützten Architektur und beherbergen auch einige fancy Geschäfte und Manufakturen. Jetzt bedauere ich, dass wir wegen unserer Anreise im Zug nur ein begrenztes Platzangebot zur Verfügung haben.
In den Hackeschen Höfen findet man interessante Manufakturen und Labels abseits vom Mainstream-Konsum.
Computerspiele im Retrochic
Spaß für die gesamte Familie finden wir im Computerspielmuseum. Obwohl ich persönlich digitalen Spielen nie wirklich viel abgewinnen konnte, bekomme ich sentimentale Gefühle bei dieser Zeitreise in die Spielewelten der 80er und 90er Jahre. Lustigerweise sind auch unsere 3D-animationsverwöhnten Kinder begeistert von Pac-Man & Co und so spielen wir uns gemeinsam zurück in die Jugend.
See oder Garten?
Am letzten Tag müssen wir uns entscheiden, ob wir der Augusthitze der Stadt an einen der zahlreichen Berliner Seen entfliehen oder den „Gärten der Welt“ einen Besuch abstatten. Wir entscheiden uns für Letztere, allerdings gestaltet sich die Anreise dorthin aufgrund von Bauarbeiten am Verkehrsnetz als Weltreise mit viermal Umsteigen. Dort angekommen, der nächste Tiefschlag: Die Natur-Sommerrodelbahn ist nicht in Betrieb, dafür freuen sich unsere Kinder diebisch, als wir Eltern uns in der luftigen Gondelbahn über den Park zu Tode fürchten. Die „Gärten der Welt“ selbst sind eine schöne Grünanlage mit Themengärten, dazu passender Gastronomie, Labyrinth und Wasserspielplatz für kleine Kinder.
Irgendwie werden uns die sechs Tage in Berlin viel zu kurz. So viel gäbe es noch zu sehen und zu erkunden: Ich wäre gerne noch in das DDR-Museum und die Kinder ins Déjà-vu-Museum der optischen Täuschungen gegangen oder wir hätten uns im Berlin Dungeon gruseln können, wo echte SchauspielerInnen True Crime Storys aus 600 Jahren Berliner Vergangenheit nachspielen. Berlin bleibt also definitiv auf unserer Liste der geplanten Urlaube stehen. Beim nächsten Mal vielleicht zu einer kühleren Jahreszeit.
Links und Tipps
- Allgemeine Infos und Tipps zum Aufenthalt in Berlin: www.visitberlin.de/de
- Hotel Citylight am Gesundbrunnen: www.citylight-hotel.de
- Deutsches Spionagemuseum: www.deutsches-spionagemuseum.de
- Gärten der Welt: www.gaertenderwelt.de
- Computerspielmuseum: www.computerspielemuseum.de
- Hackesche Höfe: www.hackesche-hoefe.de
Autor:in:
Zur Person: Eva Sorantin ist Chefredakteurin von all4family & NEW MOM, Mutter von vier Kindern und beruflich schon seit über 20 Jahren in der Verlagsbranche im Bereich Familienmedien tätig. Wenn…