Wandfarben können die Proportionen eines Raumes optisch verändern und ihn größer, höher oder gemütlicher aussehen lassen. Grund genug, sich über die richtige Wandgestaltung Gedanken zu machen – ganz besonders im Kinderzimmer, schließlich verbringen die Kleinen viel Zeit in ihrem Reich. Der traditionelle britische Farbhersteller Farrow&Ball hat dazu ein inspirierendes Buch herausgebracht, das auch mit althergebrachten Gestaltungsvorurteilen aufräumt …
Der Industriemechaniker John Farrow und der eben aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrte Ingenieur Richard Ball lernten einander bei der Arbeit in einer Tongrube kennen und gründeten 1946 im englischen Dorset die Farbfirma „Farrow&Ball“. In den folgenden Jahrzehnten blieb diese, im Unterschied zu ihrer Konkurrenz, den Originalrezepturen mit vielen Pigmenten und dem Verzicht auf Acrylfarben und Kunststoffen treu. Das brachte dem Unternehmen in den frühen 1990er-Jahren neben umfangreichen Aufträgen der britischen Denkmalschutzbehörde auch immer mehr private Kunden ein.
Heute gilt Farrow&Ball längst als Ikone am internationalen Farbhimmel. Auch die Konsistenz der Farben ist einzigartig: Durch den starken Pigmentanteil ohne synthetische Bindemittel bieten sie einen ausgezeichneten Farbfluss, hohe Farbtiefe und Ergiebigkeit bei gesundheitlicher Unbedenklichkeit – ideal also für die Gestaltung des Kinderzimmers, bei der es einiges zu berücksichtigen gilt.
Vom Licht und Schatten im Lauf des Tages
Je nach Sonnenlicht wirkt eine Farbe im Lauf des Tages unterschiedlich. Darum ist es sinnvoll, die gewünschte Farbe zunächst auf weißes Papier aufzustreichen und dieses im betreffenden Zimmer aufzuhängen. So kann man die Veränderung tagsüber immer wieder betrachten. Am Vormittag ist das Licht blauer, mittags eher neutral, während es abends wärmer wirkt.
Die Wände in Graurosa wirken zwar dezent, durch den Pink- Anteil aber trotzdem fröhlich. Die Zimmerdecke ist in Weiß gehalten, was sie niedriger und den Raum damit intimer erscheinen lässt. Für mehr optische Tiefe sind Holzboden und Sockelleisten in knalligem Pink gehalten.
Die Proportionen eines Raums mit Farbe optisch verändern
Die Autorinnen des Farrow&Ball-Buches „Mit Farbe wohnen“ widersprechen energisch dem althergebrachten Klischee, dass helle Farben einen kleinen Raum größer erscheinen lassen und dunkle ihn optisch verkleinern. Ganz im Gegenteil: Ein kleiner Raum mit hellen Wänden wirke meist trist und unattraktiv, so die Autorinnen, um mehr Mut bei der Farbwahl einmahnen. Kleine Zimmer werden durch kräftige Wandfarben zu fesselnden Blickfängen, wirken zugleich aber intim und gemütlich. Die Atmosphäre großer lichtdurchfluteter Räume profitiert wiederum von hellen Farben.
Kräftige Farben lassen kleine Zimmer plastischer und gemütlicher erscheinen. Das frische Grün bekommt hier durch das frische Weiß der Leisten noch mehr Pepp.
Weil weiß nicht weiß ist
Auch wenn weiße Wände für viele den Inbegriff vornehmer Zurückhaltung und Neutralität darstellen, wirken reinweiße Räume oft kühl und steril. Hier kann man mit ausbalancierten Weiß- und Off-White-Schattierungen verhindern, dass die Räume leblos wirken.
Mit einem einfachen Trick lässt sich in einer Wohnung oder einem Haus ein Gefühl von Großzügigkeit erzeugen: So werden die verschiedenen Räume zwar im gleichen Farbton, aber mit nachlassender Intensität gestrichen. Zum Beispiel wird das Vorzimmer als dunkelster Raum gestaltet, alle weiteren Zimmer malt man dann zwar im gleichen Ton, aber immer heller aus – perspektivisch suggeriert dies Weitläufigkeit.
Ein gutes Beispiel dafür, dass es nicht unbedingt kräftige Farben braucht, um eine fröhliche Atmosphäre zu schaffen: Hingucker sind hier der blau gestrichene Boden und der rosa Schrank.
Achtung bei der Wahl der Deckenfarbe
Üblicherweise wird die Zimmerdecke weiß belassen, selbst wenn die Wände mit kräftigen Farben gestrichen wurden – auch ein Umstand, den die Autorinnen kritisieren. Der starke Kontrast zwischen kräftiger Wandfarbe und weißer Decke lenkt den Blick automatisch nach oben, und der Betrachter wird sich der Decke bewusst, was sie niedriger erscheinen lässt.
Hier hilft es, entweder die Decke auch in der Farbe der Wände zu gestalten oder das Weiß der Decke im Verhältnis 4:1 mit der Wandfarbe zu mischen. So ergibt sich ein harmonischeres Bild ohne drückendes „Dach“.
Hier schafft ein sonniges Gelb im gesamten Raum ein fröhliches Ambiente, ohne von den eigentlichen Stars, den Märchenfiguren, abzulenken.
Keine Akzente im Kinderzimmer
Einzelne Akzentwände in kräftigen Farben im Kinderzimmer führen oft zur kompletten Zerstörung der Raumproportionen. Außerdem gilt es bei kleinen Kindern zu berücksichtigen, dass sie noch viel am Boden spielen und ihr Zimmer daher generell aus einem anderen Blickwinkel wahrnehmen.
Hier rät das Autorinnen- Duo dazu, anstelle einer kräftigen Farbe auf einer einzelnen Wand eine solche lieber von der Sockelleiste bis zu einer Höhe von 1,2 Metern im gesamten Raum zu verwenden und eine hellere Farbe darüber zu setzen. Das öffnet den Raum optisch, lässt ihn größer, aber trotzdem gemütlich erscheinen.
Farbwahl ist Geschmacksache
Bei allen Inspirationen, die das Buch bietet, legen die Autorinnen doch großen Wert auf den wichtigsten Gestaltungsgrundsatz: Über Farbgeschmack kann man nicht streiten.
Egal, welche Farben gerade in Mode sind, Sie müssen sich in den eigenen vier Wänden wohl fühlen. Ob Sie eher neutrale oder lieber kräftige Farben bevorzugen, ist Ihre persönliche Entscheidung. Nur wenn Sie klar zu Ihren Vorlieben stehen, wird Ihre Wohnung oder Ihr Haus zu Ihrem persönlichen Wohlfühlort.
Autor:in:
Zur Person: Eva Sorantin ist Chefredakteurin von all4family & NEW MOM, Mutter von vier Kindern und beruflich schon seit über 20 Jahren in der Verlagsbranche im Bereich Familienmedien tätig. Wenn…