Früher las er Motorrad-Magazine, heute blättert er in Eltern-Zeitschriften, kocht Babybrei und wechselt Windeln: Wilhelm Bauer ist Autor des Buches „Vater mit 50“, in dem seine Erfahrungen als ebensolcher festgehalten sind. Für COOL DAD hat er einige Gedanken zusammengefasst.
„Alter, das willst du dir doch nicht antun, das ganze Programm noch einmal von vorne“, schüttelte ein gleichaltriger Kollege entsetzt den Kopf, als ich ihm eröffnete, über eine zweite Vaterschaft nachzudenken. „Lass es dir doch gut gehen“, riet er mir. „Definiere mal „gut gehen lassen““, antwortete ich ihm. Der eine versteht darunter nämlich, mit einem guten Buch in einer Hängematte zu schaukeln, der andere, mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Ich bin eher der Springer-Typ. Nicht, dass ich etwas gegen „Hängemattenschaukeln“ habe, aber ich brauche die Herausforderung. Untätigkeit macht mich lethargisch. Und eines weiß ich ganz sicher: Ein Kind ist eine Herausforderung, und was für eine! Mit 25 hab ich das Ganze schließlich schon einmal erlebt. Rückblickend betrachtet ein tolles Erlebnis, warum also nicht noch einmal von vorne? Aber die Natur ist raffiniert, sie speichert unangenehme und stressige Erlebnisse im Kurzzeit-, schöne und erbauliche im Langzeitgedächtnis. Nur so ist es zu erklären, dass manche Mutter auch nach einer schmerzvollen Geburt ein zweites oder drittes Kind bekommt. Jetzt, nachdem mein Sohn fast zwei Jahre alt ist, stelle ich fest: Viele stressige Erlebnisse hatte ich vergessen, dafür erlebe ich jetzt hin und wieder ein Déjà-vu. Ich sag mir dann immer: „Alter, du packst das!“
Der Alltag mit einem Baby unterscheidet sich bei frühen oder späten Vätern nämlich kaum. Durchwachte Nächte, Schlafmangel, durch Babygeschrei blank liegende Nerven, kaum Sex, keine Partys. Man steht als junger wie als alter Vater vor den gleichen Herausforderungen.
Gibt es Unterschiede? Hin und wieder spüre ich meinen Ischias, wenn ich den Knaben aus dem Gitterbett hebe, manchmal merke ich, dass mir das wöchentliche Nordic Walking abgeht, und vielleicht hab ich mir mit 25 nicht so viele Gedanken gemacht. Ich ließ es einfach laufen und machte mir kaum Sorgen. Irgendwie würde es schon gehen. Und es ging, zuerst langsam, dann schneller, und vor Kurzem hat meine Tochter, mittlerweile 25, beim Österreichischen Frauenlauf eine gute Platzierung erreicht. Jetzt denke ich viel mehr nach. Kann ich mit meinem 20-jährigen Sohn noch Fußball spielen, wenn ich 70 bin, oder wird er sich für mich schämen, weil ich mit dem Rollator im Zuschauerbereich stehe? Wie kann ich bis ins hohe Alter gesund und fit bleiben? Was denken die Leute, wenn ich den Kinderwagen vorbeischiebe? Ein paar gleichaltrige Männer, die mir zulächeln, während sie im Schanigarten gemütlich an ihrem Bier nippen, denken wahrscheinlich: „Selbst Schuld, alter Trottel“, ein paar junge Mütter am Kinderspielplatz vielleicht: „Ein Lustgreis …“.
Aber wen kümmert das, sollen sie doch denken, was sie wollen. Denn da gibt es Erlebnisse wie: Mein kleiner Sohn schläft friedlich auf meinem Bauch ein, oder er umarmt mich freudestrahlend, wenn ich ihn von der Tagesmutter hole.
Das entschädigt für vieles, nein, es entschädigt für alles. Und lethargisch werde ich garantiert nie wieder. Was ist Lethargie überhaupt? Man schiebt den Kinderwagen, man wickelt, man kocht Babybrei und interessiert sich für die neuesten Kinderwagen- oder Kinderfahrradanhänger- Modelle. Der Horizont erweitert sich. Las ich früher hauptsächlich Foto- oder Motorradzeitschriften, so stecke ich jetzt meine Nase in Eltern-Magazine. Wie machen das die anderen, und wie werde ich Daddy-Cool?
Eigentlich musste ich feststellen, dass ich als Vater mit 50 mit meinen Mitmenschen keine Probleme habe. Ich werde behandelt wie andere jüngere Väter auch. Keiner bietet mir in der U-Bahn einen Sitzplatz an, wenn ich neben dem Kinderwagen stehe, keiner lässt mich vor, wenn ich ermattet über eine Stunde beim Kinderarzt warte. Der 25-jährige Vater eines Tagesmutter- Kollegen meines Sohnes duzt mich und plaudert locker mit mir über den Baby-Alltag. Das ist erfrischend.
Die einzigen Schwierigkeiten gab es zu Beginn bloß mit der lieben Familie. „Mit 50 noch einmal Vater werden? Du bist verrückt“, war noch die mildeste Reaktion. „Okay, ich schreib das auf“, war meine Antwort. „Kommt alles in mein Buch „Vater mit 50″“. Nicht, dass so manche Anekdoten im Kurzzeitgedächtnis gelöscht werden. Der Junge soll später auch etwas zu lachen haben. Wird man mit 50 vielleicht ein wenig rachsüchtig? Eines bin ich mit 50 aber ganz sicher noch: ein großer Junge. So liebe ich es zum Beispiel, auf einem Grashalm zu pfeifen, Drachen selbst zu bauen und steigen zu lassen, und ich kann es kaum erwarten, bis mein Sohn alt genug für eine Carrera-Autobahn oder Märklin-Eisenbahn ist. Ein paar Zeichentrickfilme hab ich sogar schon gekauft, auch wenn mein knapp Zweijähriger noch zu klein ist, um die derben Späße von Tom und Jerry zu verstehen. So gesehen hab ich den Rat meines Kollegen beherzigt: Ich lass es mir gut gehen!
VATER MIT 50
SPÄTES KINDERGLÜCK & BANGE FRAGEN
von Wilhelm Bauer
Seitenstraßen Verlag, Euro 9,90
ISBN 978-3-93708-817-4
Bringt ein Baby noch mal Schwung in die vermeintlich besten Jahre? Späte Elternschaft ist keine Seltenheit mehr, doch die Reaktionen darauf sind nicht gerade herzlich. So ist es auch Wilhelm Bauer ergangen. Die Frau schickt den Mann zum Test, ob er überhaupt noch Qualitätssperma produziert, die erwachsene Tochter verschreckt die Aussicht auf ein Geschwisterkind erst mal merklich, die eigenen Eltern ignorieren die Nachricht regelrecht. Wie die Geschichte weitergeht? Das steht in diesem Buch.
Autor:in:
Zur Person: Wilhelm Bauer …… Wilhelm Bauer ist mit Kind auf dem Arm ein Meister der lässigen Einhandbedienung, hat sich für sein Baby ein DVD-Quiz ausgedacht und kocht begnadet. Der…