Ihr Kind ist kleiner und zarter als seine Altersgenossen? Zunächst einmal kein Grund zur Sorge, denn Unterschiede hinsichtlich der Körpergröße sind normal. meistens. In einem von 4.000 Fällen steckt allerdings ein Hormonmangel dahinter. Frühzeitig erkannt, lässt er sich ausgleichen!
Ich war so glücklich, meinen neugeborenen Sohn im Arm zu halten, und wie jede Mutter hab‘ ich natürlich gehofft, dass er gut gedeiht. Je älter er aber wurde, desto stärker fiel mir auf, wie zierlich und vor allem klein er im Vergleich zu anderen Kindern war. Ein Besuch beim Kinderarzt und in weiterer Folge die Abklärung durch einen Spezialisten haben Klarheit gebracht: „David leidet unter einem Wachstumshormonmangel“, so Julia B. Dieser kommt selten, aber eben doch vor.
Diagnose
- Entwickelt sich ein Kind bezüglich seines Wachstums normal? Um das festzustellen, nimmt der Kinderarzt oder ein Endokrinologe zunächst einmal eine sogenannte Perzentilenberechnung vor. Dabei wird anhand von Körperlänge, Gewicht und Kopfumfang des Kindes sowie auf Basis statistischer Daten ein Perzentilenwert berechnet. „Besteht der Verdacht auf eine Wachstumsstörung, gibt es genau definierte Richtlinien für die Abklärung, die eine Beurteilung der aktuellen Größe des Kindes auf einer Perzentilenkurve beinhalten. Wenn die Diskrepanz zur elterlichen Länge und somit zur genetischen Information sehr groß ist, liefert das ein Indiz für eine Wachstumsstörung“, erläutert Kinderendokrinologin Prof. Dr. Gabriele Häusler vom Wiener AKH.
Seltene Störung
- Laut der Expertin ist der Wachstumshormonmangel eine Diagnose, die sehr selten gestellt wird. Nur etwa eines von 4.000 Kindern ist – wie der mittlerweile siebenjährige David – davon betroffen. Ob tatsächlich ein Mangel an dem in der Hirnanhangsdrüse gebildeten Wachstumshormon Somatotropin mit verlangsamtem Wachstum vorliegt, stellen Experten mittels Untersuchungen und Berechnungen über einen bestimmten Beobachtungszeitraum fest.
Behandlungsbeginn
- Mit der Behandlung des Wachstumshormonmangels wird von der Diagnosestellung weg begonnen, sie dauert bis zum Erreichen der Endlänge. Bei sehr jungen Patienten, beispielsweise Säuglingen, die aufgrund einer Fehlbildung der Hypophyse zu Hormonausfällen neigen, wirkt sich der Hormonmangel weniger auf das Längenwachstum als auf die Regulation des Blutzuckerspiegels aus: Sie neigen zu niedrigen Blutzuckerwerten. In der Regel wird die Diagnose „Wachstumshormonmangel“ aber im Alter von drei bis fünf Jahren gestellt, wenn die Wachstumsgeschwindigkeit abfällt und die Kinder deutlich vom Normbereich abfallen. „In diesen Fällen ist es äußerst sinnvoll, vor dem Schulalter mit einer Hormontherapie zu beginnen. Bei Vorliegen dieser Störung macht es keinen Sinn, zuzuwarten und zu schauen, ob sich das von alleine normalisiert“, bekräftigt Gabriele Häusler.
Therapie
- Im Falle eines eindeutig diagnostizierten Wachstumshormonmangels ist eine Ersatztherapie mittels täglicher subkutaner Injektionen – eine sogenannte Selbstinjektionstherapie – notwendig. „Es handelt sich dabei um eine selten verschriebene Therapie, der im Vorfeld aufwendige Untersuchungen vorangehen. Wir müssen beispielsweise eine Erkrankung der Schilddrüse, eine Zöliakie, andere Begleiterkrankungen oder das Vorliegen einer Chromosomenstörung ausschließen“, betont Kinderendokrinologin Häusler. Denn: „Der Einsatz derartiger Hormone ist nur sinnvoll, wenn wir mit Sicherheit sagen können, dass ein Wachstumshormonmangel vorliegt!“
Hormontherapie: auch für andere Fälle
- Auch Kindern mit anderen Formen von ausgeprägtem Kleinwuchs – etwa aufgrund einer angeborenen Chromosomenstörung – oder mit einer Wachstumsstörung, die während der Schwangerschaft auftrat, kann durch die Gabe von Wachstumshormonen geholfen werden. „Da es sich bei diesem zugeführten Wachstumshormon um ein genau nachgebildetes menschliches Eiweiß handelt, ist es nahezu nebenwirkungsfrei“, beruhigt Frau Professor Häusler. In der Regel handle es sich um eine langjährige Therapie, die zur Verbesserung der Größe jener Kinder beiträgt, die andernfalls sehr klein blieben. Der Zeitpunkt des Abschlusses richtet sich nach der Pubertätsentwicklung des Patienten und liegt im Falle von Mädchen bei etwa 15 Jahren, im Falle von Burschen bei rund 16 Jahren – beurteilen kann das allerdings nur ein Experte.
Normvarianten
- Häufiger als die erwähnten Wachstumsstörungen sind indes Normvarianten. „Es ist wichtig, Kindern zu vermitteln, dass Unterschiede in Bezug auf die Körpergröße völlig normal sind. Bemerkungen anderer Kinder oder von Verwandten hinsichtlich der Körperlänge sollten weder die Betroffenen noch die Eltern verunsichern. Ein Kind ist nicht automatisch krank, weil es etwas kleiner als seine Altersgenossen ist“, gibt Prof. Dr. Gabriele Häusler zu bedenken. In den meisten Fällen bestehe, so die Expertin, kein Grund zur Beunruhigung!
- Eltern, die den Eindruck haben, dass ihr Kind nicht ausreichend wächst, sollten sich mit ihren Sorgen dennoch an einen Kinderarzt wenden. Dieser wird bei Verdacht auf eine Hormonstörung an einen Spezialisten überweisen. So war es auch bei David. Seit die Diagnose feststeht, so Julia B., „können wir etwas gegen den Hormonmangel unternehmen. David hat bald nach Beginn der Therapie deutlich aufzuholen begonnen. Aller Voraussicht nach wird er seine „genetische Ziellänge“, wie Davids Ärzte es nennen, erreichen!“
Zu klein? Wann Eltern aufhorchen sollten
ist ein Kind von Wachstumshormonmangel betroffen, wächst es nicht altersentsprechend, wenngleich die Proportionen insgesamt gut erhalten bleiben. unbehandelt kann die genetisch zu erwartende zielgröße nicht erreicht werden.
Je nachdem, ob die hirnanhangsdrüse gar kein Wachstumshormon oder nur verminderte Mengen produziert, sind folgende Symptome mehr oder weniger stark ausgeprägt.
- Wachstumsverzögerung/Kleinwuchs
- Puppenartiges Gesicht
- Kleine Hände und Füße
- Schlaffe, unterentwickelte Muskulatur
- Verzögerung der Knochenreifung (kann nur der Arzt erkennen)
- Neigung zur Unterzuckerung (Hypoglykämie; kann ebenfalls nur der Arzt erkennen)
Buchtipp:
Drei Nummern zu gross – Kinderjahre mit hypophysärem Kleinwuchs Nicole Paetz
Edition Riedenburg
ISBN 978-3-90264-732-0
Euro 14,90
Internet:
www.oeges.at: Österreichische Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel
www.endokrinologie.net: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie