Regelmäßig angeordnete Zähne sind mehr als nur schön anzusehen. Die korrekte Zahnstellung ist ein wichtiger Gesundheitsfaktor. Wenn die Zähne aus der Reihe tanzen, muss eine Zahnspange für Ordnung sorgen. Ab wann besteht Handlungsbedarf und worauf sollte man achten? all4family hat dazu den Experten ao. Univ.-Prof. DDr.med. Erwin Jonke, Leiter des Fachbereichs Kieferorthopädie der Universitätszahnklinik Wien, befragt.
Woher weiß ich, ob mein Kind eine Zahnspange benötigt?
Kluge Vorausplanung ist hier die beste Strategie. „Zuerst einmal sollte man sein Kind so früh wie möglich, spätestens mit fünf oder sechs, spielerisch an den Zahnarztbesuch gewöhnen“, rät Prof. Jonke. Also mitnehmen zu einem Kontrollbesuch der Eltern, neugierig sein lassen und vermitteln, dass ein Zahnarztbesuch nichts Bedrohliches ist. Derart vorbereitet sollte man jedes Kind im Alter von sechs oder sieben Jahren einem Kieferorthopäden/einer Kieferorthopädin vorstellen. Er oder sie erstellt dann ein Orthopantogramm (OPT), eine Panorama-Schichtaufnahme des gesamten Kiefers, die die exakte Position der einzelnen Zähne wiedergibt und vor allem auch zeigt, ob alle bleibenden Zähne angelegt sind – oder ob es im Gegenteil überzählige Anlagen gibt. (Weisheitszähne bilden hier eine Ausnahme. Sie brechen erst im Alter von 20 bis 25 Jahren durch, die Anlagen sind erst mit etwa 14 Jahren sichtbar.)
Warum kommt es zu Auffälligkeiten und ab wann besteht Handlungsbedarf?
Viele Auffälligkeiten sind genetisch bedingt. Zähne können gänzlich fehlen oder überzählig sein oder an Stellen durchbrechen wollen, an denen sie Probleme verursachen. Es kann sein, dass Größe und Position von Unter- und Oberkiefer nicht zusammenpassen oder Kiefer- und Zahngröße nicht miteinander harmonieren.
Aus diesen Faktoren ergibt sich eine Reihe typischer Fehlstellungen wie:
- Kreuzbiss,
- Tiefbiss
- oder Deckbiss.
Angewohnheiten wie Daumenlutschen können einen „offenen Biss“ (vorstehende Zähne) zur Folge haben. Die Abweichungen von der Idealform werden in Millimetern gemessen und in fünf Schweregrade eingeteilt. Ab Stufe 4 besteht Handlungsbedarf.
Welche gesundheitlichen Probleme werden durch eine Zahnregulierung vermieden?
- Sind Zahnstellung und Aufbiss nicht optimal, werden die Zähne unverhältnismäßig stark abgenutzt, die Kariesgefahr steigt.
- Probleme mit den Kiefergelenken können auftreten und es kann zu Verspannungen der Gesichtsmuskulatur bis hin zu einer Veränderung des Aussehens kommen.
- Ist der Kauvorgang beeinträchtigt, führt das zu Verdauungsstörungen.
Ab wann soll mit der Behandlung begonnen werden und was ist das Mittel der Wahl?
Seiten- oder Frontzähne werden im Alter von zehn bis elf Jahren reguliert. Nur besonders gravierende Probleme werden früher behandelt, unter anderem damit das Kind in der Schule nicht gehänselt wird. Als Mittel der Wahl hat sich die festsitzende Zahnspange (Brackets) etabliert. Fehlt ein bleibender Zahn, ist zu entscheiden, ob man die Lücke offen lässt und erst mit 18 Jahren, wenn das Wachstum abgeschlossen ist, Implantate setzt oder ob man die Lücke mit elf bis zwölf Jahren mittels Zahnregulierung zusammenschiebt und so schließt.
Gibt es Fehlstellungen, die nicht nur mit einer Zahnspange behandelt werden?
Der „offene Biss“ wird auch logopädisch behandelt. Prof. Jonke: „Die Logopädie beschäftigt sich nicht nur mit Sprache, sondern auch mit Schluckmustern.“ Der Logopäde/Die Logopädin färbt dazu die Zungenspitze ein, um zu sehen, wo genau am Gaumen sie beim Schlucken ankommt. Die Zungenspitze sollte im Idealfall fünf Millimeter hinter der Zahnreihe am Gaumen landen. Tut sie das nicht, sondern drückt sie gegen die Schneidezähne, führt das zu einer Fehlstellung. Prof. Jonke: „Wir schlucken ca. 15.000-mal am Tag, wobei die Zungenspitze jedes Mal einen Druck von 2 kg ausübt“. Der Logopäde/Die Logopädin erarbeitet dann anhand des Färbebefunds spezielle Übungen, die das Kind täglich durchführen muss, bis das Schluckmuster korrigiert ist.
Worauf ist während der Zahnregulierung zu achten?
Prof. Jonke: „Unbedingt Zähneputzen nach jedem Essen, wenig Zucker und möglichst keine gesüßten Getränke.“ Für eine Zahnhygiene-Sitzung können die Brackets übrigens herausgenommen werden.
UND WER ZAHLT DAS ALLES?
Die Österreichische Gesundheitskasse:
- übernimmt bis zum Alter von 18 Jahren die gesamten Kosten für die Zahnregulierung für die Schweregrade 4 und 5, da hier Behandlungsbedarf gegeben ist.
- Weniger stark ausgeprägte Fehlstellungen von 1 bis 3 gelten als rein kosmetisches Problem. Es kann aber um einen Zuschuss angesucht werden.
Typische Fehlstellungen
Kreuzbiss
- Der Oberkiefer ist nicht breit genug und kann so den Unterkiefer nicht überdecken. Starke Scherkräfte führen zu Kariesgefahr, Zahnausfall und Kiefergelenkproblemen.
Tiefbiss oder Deckbiss
- Die oberen Schneidezähne überlappen die unteren zur Gänze. Dies führt zu einer Verspannung der Kaumuskeln und Kiefergelenkproblemen, auch eine Entstellung der Gesichtszüge ist möglich.
Offener Biss
- Die Frontzähne kommen einander beim Zusammenbiss nicht nahe genug, was häufig eine Folge von Daumenlutschen ist. Durch die Mundatmung werden die Zähne weniger vom Speichel umspült, Karies ist die Folge.
FACHLICHE BERATUNG
ao. Univ.-Prof. DDr. med. Erwin Jonke, Leiter des Fachbereichs Kieferorthopädie Universitätszahnklinik Wien,
Sensengasse 2a, 1090 Wien
kfo-unizahnklinik@meduniwien.ac.at
Autor:in:
Zur Person: Mag. Elisabeth Sorantin hat Sprach- und Literaturwissenschaften studiert und sich vor allem auf die Vermittlung von komplexen Sachverhalten in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Aktuelle Artikel