WAS IST LOS MIT MEINEM KIND?
Das fragt sich Michaels Mutter tagtäglich. Ihr Sohn war von Anfang an anders. Permanent hatte sie das Gefühl, da stimmt etwas nicht. Nun ist ihr Sohn 8 Jahre alt, sehr intelligent, aber reagiert meist nicht auf ihre Aufforderungen, ist unselbständig in banalen Alltagsfertigkeiten, schaut sie fast nie an, mag es nicht, wenn sie ihn umarmt und will partout nicht mit anderen Kindern spielen. Stattdessen spielt er stundenlang alleine mit seinen Zügen. In der Schule ist er ein Außenseiter und wenn er nach Hause kommt, ist er häufig zornig, erzählt nicht weshalb und will einfach nur seine Ruhe haben. Michael fühlt sich von allen unverstanden, ungerecht behandelt und ist verzweifelt. Seine Mutter ist am Ende ihrer Kräfte, sie versteht ihren Sohn trotz vielfacher Bemühungsversuche nicht, bis sie nach langer Suche endlich eine Erklärung für seine Verhaltensweisen erhält.
ENDLICH EINE ERKLÄRUNG?
Michael ist eines von vielen Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). In Österreich gibt es ca. 87.000 Menschen (rund 1% der Bevölkerung), die davon betroffen sind. Das Erscheinungsbild ist sehr verschieden und reicht vom Frühkindlichen Autismus, der oft auch mit geistiger Beeinträchtigung einhergeht bis hin zum Asperger-Syndrom, bei dem eine durchschnittliche bis überdurchschnittliche Intelligenz vorliegt.
Beeinträchtigungen finden sich bei ASS vor allem:
- in der sozialen Interaktion
- der Kommunikation
- und dem Spielverhalten
- Zusätzlich sind häufig repetitive/stereotype Verhaltensweisen sowie Spezialinteressen beobachtbar.
So suchen viele Kinder beispielsweise seltener Blickkontakt, können sich erschwert in Mitmenschen einfühlen bzw. andere verstehen. Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen oder Freunde zu finden, fällt vielen sehr schwer. Es zeigt sich auch häufig, dass Kinder mit ASS sich mehr an Details als am Kontext sozialer Situationen orientieren und dass sie Stereotypien in Sprache und Beschäftigungen sowie über- oder Unterempfindlichkeiten auf gewisse Reize zeigen (z.B. Lärmempfindlichkeit, Geruchsempfindlichkeit). Nicht selten kommt es deswegen auch rasch zur Reizüberflutung und überforderung der Kinder. Der Umgang mit Veränderungen und Unvorhergesehenem fällt vielen aufgrund der mangelnden kognitiven Flexibilität schwer. Andererseits können auch viele Stärken und ein hohes Wissen zu spezifischen Themengebieten beobachtet werden.
Suchen Sie professionelle Hilfe auf, wenn Sie frühe Auffälligkeiten bis zum Alter des 24. Lebensmonat bei ihrem Kind beobachten:
- Kein Blickkontakt, fehlendes soziales Lächeln
- Eingeschränkte Mimik („serious lookâ€), kaum Gestik
- Kein Plappern mit „turn takingâ€, fehlende Sprache in Worten
- Fehlende geteilte Aufmerksamkeit (z.B. beim Anschauen eines Buches)
- keine Reaktion auf Rufen des Namens
- keine spontanen/ kommunikativen Zweiwortsätze
WELCHE SIND DIE URSACHEN VON ASS?
Die Ursachen von Autismus-Spektrum-Störungen sind zwar noch nicht eindeutig geklärt, als gesichert gilt aber, dass die Genetik zu einem hohen Anteil an der Entstehung beteiligt ist. Zudem werden gewisse Umweltrisikofaktoren in einem komplexen Zusammenspiel mit der Genetik diskutiert, die Autismus auslösen könnten und zur andersartigen Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsweise führen. Die elterliche Erziehung spielt keine Rolle in der Entstehung von ASS. Dies ist für viele Eltern eine enorme Entlastung und bedeutet oft ein Ende von Schuldzuweisungen oder negativen Spekulationen über das Verhalten des betroffenen Kindes durch andere.
AUFKLÄRUNG UND ENTLASTUNG
Viele Familien fühlen sich allein gelassen und unsicher im Umgang mit den besonderen Bedürfnissen ihrer Kinder. Nach der Diagnosestellung eröffnen sich neue Fragen im Umgang mit dem betroffenen Kind, aber auch mit den Geschwisterkindern. Eine häufig gestellte Frage von Eltern lautet, ob sie die Diagnose in Kindergarten/Schule bekannt geben sollen. Dahinter steckt meist die Sorge, dass ihr Kind dann ausgegrenzt wird oder ihm gar Chancen auf eine gute Entwicklung vorenthalten werden. Nach einer Aufklärung wird die Diagnose für viele betroffene Kinder und deren Eltern in Folge als Erleichterung erlebt, da vor allem die Eltern beschreiben, dass sie dadurch eine Erklärung für bislang unverständliche Verhaltensweisen ihres Kindes erhalten. Auch in Kindergarten oder Schule sowie im Freundeskreis kann eine Aufklärung für einen förderlichen und verständnisvolleren Umgang beitragen. Durch das Wissen über Autismus wird häufig erst bewusst, was es heißt ein Kind mit Autismus-Spektrum-Störung großzuziehen.
WO GIBT ES HILFE?
Eine sehr spezifische und umfassende Unterstützung ist bei Kindern mit ASS notwendig, da sie nicht wie andere Kinder nebenbei lernen. Sie brauchen individuell angepasste Förderungen.
Am Beispiel des 8-jährigen Michael kann gezeigt werden, dass der Junge durch die Behandlung mit autismusspezifischen Therapien (ABA und TEACCH) im Dachverband Österreichische Autistenhilfe gelernt hat seine Bedürfnisse und Gefühle zu äußern, soziale Kontaktwünsche adäquat zu artikulieren und nachzufragen, wenn er Äußerungen anderer nicht versteht. Immer häufiger schafft Michael es auch, „nein“ zu sagen, wenn er etwas nicht möchte. In der Schule hat er seit Erhalt der Diagnose zusätzlich eine 1:1 Begleitung, die ihm neben der Bewältigung schulischer Anforderungen auch im Umgang mit den Mitschülern hilft. Michael ist insgesamt selbständiger geworden und es kommt nun auch ein Spiel mit anderen Kindern in den Pausen vor. Seine Mutter kommt mit in die Therapie und auch regelmäßig zur Elternberatung in die Autistenhilfe, was Michael einerseits beim Umsetzen des Erlernten hilft und andererseits eine familiäre Entlastung darstellt.
Für Betroffene mit ASS und deren Familien gibt es beim Dachverband Österreichische Autistenhilfe Unterstützung in allen Altersstufen und in allen herausfordernden Lebensphasen. Der Dachverband stellt nicht nur für Wien, sondern auch für die benachbarten Bundesländer eine zentrale Anlaufstelle in der Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ASS dar.
Angebote des Dachverbands Österreichische Autistenhilfe:
- Diagnostik
- Beratung
- Therapie
- Fachassistenz
- Jobcoaching
- Bibliothek mit facheinschlägigen Elternratgebern und Fachbüchern
- Elternrunde + Elternworkshops (Austausch [&] Vernetzung mit anderen Eltern)
Informationen: www.autistenhilfe.at
Dachverband Österreichische Autistenhilfe
Kompetenz-, Diagnostik- und Therapiezentrum für Autismus-Spektrum-Störungen
1010 Wien, Eßlinggasse 17 + 1030 Wien, Dampfschiffstraße 4
Tel.: 01 533 96 66
E-Mail: office@autistenhilfe.at