Was lange eine Nische war, wird zunehmend zum Mainstream: Immer mehr Marken setzen auf Barfuß- oder Minimalschuhe fur Kinder. Unser Autor macht den Selbsttest mit seinen Zwillingsbuben und fragt eine Medizinerin nach der Sinnhaftigkeit des Barfuß-Trends.
Eigentlich ist es ein Wunder, dass wir es nicht früher probiert haben: Barfußschuhe für unsere Kinder. Unsere vierjährigen Zwillingsbuben waren von Anfang an viel barfuß unterwegs. Selbst auf Socken haben wir in den ersten Monaten bewusst verzichtet (und uns viele wohlmeinendtadelnde Kommentare der Großmütter anhören müssen). Ihre ersten Schuhe bekamen die beiden erst, als sie schon seit mehreren Monaten laufen konnten. Rein theoretisch zählen wir also zur Kernzielgruppe des Barfußschuh-Booms – auch wenn uns der Trend bislang immer ein wenig zu alternativ vorkam.
Was sind Barfußschuhe und wie wirken sie?
Barfußschuhe sind flache, flexible Schuhe mit dünner Sohle und breiter Zehenbox, die das natürliche Barfußgehen nachahmen. Sie verzichten auf Absatz, Fußbett und stützende Elemente, damit sich der Fuß frei bewegen kann. Ziel ist es, die natürliche Entwicklung der Füße zu fördern und künstliche Einschränkungen zu vermeiden.
Rund ums Barfußgehen hat sich in den vergangenen Jahren eine eigene Bewegung entwickelt. Barfuß-Influencerinnen wie Katja und Tjaša von @barefoot.universe oder die „Barefoot Shoe Queen“ @anyasreviews erreichen bis zu einer halben Million Menschen. Der Podcast „Leichtfüßig“ gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Formaten. Und der deutsche Fußexperte Carsten Stark zeigt in seinem Bestseller „Füße gut, alles gut“ (Südwest Verlag), wie Barfußgehen sogar chronische Beschwerden lindern kann.
Expertenmeinung: Vorteile für die Fußgesundheit
Wie sehr sich die Gesundheit der Füße tatsächlich auf den ganzen Körper auswirkt, erklärt die Wiener Orthopädin Dr. Sabrina Holzer (www. ortho-holzer.at) im Gespräch mit all4family: „Im Endeffekt ist der Bewegungsapparat eine Kette. Wenn ein Element nicht richtig funktioniert, führt das zu Konsequenzen weit hinauf.“ Wenn der Fuß falsch belastet wird – etwa durch enges oder unpassendes Schuhwerk -, verschieben sich auch die Achsen von Knie, Hüfte und Wirbelsäule. „Es kommt zu asymmetrischen Belastungen, die sich durch den gesamten Bewegungsapparat ziehen können.“
Den Trend zu Barfußschuhen unterstützt die Orthopädin: „Barfußschuhe fördern die natürliche Abrollbewegung, ähnlich wie beim echten Barfußgehen.“ Feste Sohlen hingegen zwingen den Fuß oft in ein unnatürliches Bewegungsmuster: „Sie verlagern den Druck auf den Mittelfuß, was die Entwicklung des Längsgewölbes eher behindert als unterstützt.“ Gerade für Kinderfüße in der Entwicklung seien Barfußschuhe also sinnvoll, sofern keine orthopädische Erkrankung vorliegt.
Ich schiebe also meine Skepsis gegenüber dem Hype beiseite und starte meinen Selbsttest in die Welt der – offenbar gar nicht so alternativen – Barfußschuhe mit einer gewissen Neugier. Da es in meiner Gegend kein Spezialgeschäft für Barfußschuhe gibt, mache ich mich online auf die Suche. Die erste Erkenntnis: Der Markt für Barfußschuhe für Kinder ist offenbar riesig und kaum überschaubar. Auffallend ist, dass die meisten der Marken auf nachhaltige Materialien und ökologische Verarbeitung setzen. Sehr lobenswert.
Der große Markt: Auswahl an Barfußschuhen für Kinder
Die deutsche Marke Affenzahn zählt zu den bekanntesten Barfußschuh-Anbietern und ist nahezu überall erhältlich. Koel4Kids eignet sich auch für breite Kinderfüße und setzt auf klassischen Lederlook, während Froddo Barefoot besonders beliebt für Sandalen und Übergangsschuhe ist.
Für bewegungsfreudige Kinder mit hohem Schuhverschleiß wird in Elternforen oft Vivobarefoot empfohlen, eine britische Marke mit Schuhmachertradition, deren Modelle auch bei Trailrunnern und Wanderern beliebt sind. Genau das Richtige für unsere beiden kleinen Wirbelwinde. Ich scrolle mich durch die Website und entscheide mich für zwei Modelle: Den „Primus Trail Knit FG Kids“, die kindgerechte Version des beliebtesten Outdoor-Trailschuhs von Vivobarefoot, und den „Explore AT Juniors“, einen robusten Barfußschuh, der laut Beschreibung beim Klettern, Hüpfen und Matschspielen mitmacht, ohne den Fuß einzuengen. Und weil ich auch etwas für die nassen Herbsttage brauche, nehme ich noch die hochgeschlossenen „Tracker AT“, auch dies die Kinderversion der meistverkauften Wanderschuhe des Herstellers für Erwachsene.
Tipps zur richtigen Auswahl und Passform
Knifflig wird es bei der richtigen Größe – laut Orthopädin Dr. Sabrina Holzer der häufigste Fehler beim Kinderschuhkauf. Ihr Tipp: Kinder die Schuhe probetragen lassen und anschließend die Füße sorgfältig auf Druckstellen kontrollieren. Im Zweifel lieber ein anderes Modell wählen. Und ebenso wichtig: „Eltern sollten auch später regelmäßig überprüfen, ob die Schuhe ihrer Kinder immer noch passen“, warnt die Ärztin. „Kinder können quasi über Nacht einen Zentimeter wachsen, dann passt ein Schuh plötzlich nicht mehr.“ Ich gehe also auf Nummer sicher, lasse die Zwillinge entsprechend der Anleitung auf der Vivobarefoot-Website an einen Türstock angelehnt stehen und markiere ihre Fußlänge auf einem Blatt Papier. Danach suche ich die Größe in der Tabelle auf der Website. Nach weniger als einer Woche kommen unsere Barfußschuhe an und sehen „in Echt“ noch stylisher aus als auf den Bildern.
Praxistest: Barfußschuhe im Alltag unserer Zwillinge
Die Schuhe sind sehr leicht und deutlich flexibler als die üblichen Kinderschuhe, aber nicht ganz so dünn wie befürchtet. Trotz der flachen Sohle haben sie ein gutes Profil, was mir bei den beiden bewegungsfreudigen Buben, die nur im Laufschritt unterwegs sind und überall hochklettern, besonders wichtig ist. Dass es auch an kühlen Herbsttagen nicht zu kalt wird, dafür sorgen die Thermaleinlagen, die die Temperatur des Fußes halten sollen. Auch die erste Anprobe ist ein voller Erfolg. Weil es unsere Kinder generell lieben, wenn wir Pakete bekommen, reißen sie mir die Schuhschachteln förmlich aus der Hand. Selbst anziehen ist für die Vierjährigen dann aber doch zu schwierig. Die Schuhe haben nicht die für sie gewohnten Klettverschlüsse, sondern ein Schnellspannsystem mit elastischen Schnüren. Bei den ersten Schritten stolpern die Zwillinge noch ein paarmal – die Schuhe sind halt doch etwas größer als ihre üblichen –, aber schon bald wirbeln sie herum wie gewohnt. Im Alltag erweisen sich unsere neuen Barfußbegleiter als sehr robust und halten auch schon mal einen Ausflug in eine Wasserlache aus, ohne dass wir nasse Socken haben. Druckstellen finden sich auch nach mehrstündigem Tragen keine. Urteil der Zwillinge: „Cool!“ Mehr Lob kann man von den beiden nicht erwarten.
Bilder: Vivobarefoot
Autor:in:
Zur Person Ljubisa Buzic ist freier Journalist. Der Vater von Zwillingen ist zwischen den Seen und Bergen Kärntens ebenso zuhause wie im Großstadttrubel Wiens. Seit 2013 schreibt er über Gesellschaft,…
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Bildquellen
- 1000x1000_Tracker AT Juniors_c_Vivobarefoot_105169-04_SoleAndTop_AF_3-25: Vivobarefoot
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