Wissen Sie, welches das erfolgreichste österreichische Unternehmen der Automobilbranche ist? Genau, Carrera. Die mit den Autorennbahnen – heute Weltmarktführer in diesem Bereich. COOL DAD durfte ins Dorado der Slot-Car-Fans, in die Zentrale der Firma Stadlbauer in Puch bei Salzburg – dort, wo das weltweite Schicksal der Carrera-Bahnen geplant wird. Wir sprachen mit Geschäftsführer Andreas Stadlbauer.
COOL DAD: HERR STADLBAUER, WIE HAT DAS MIT DEN AUTORENNBAHNEN EIGENTLICH BEGONNEN?
Andreas Stadlbauer: Das Slot Racing begann mit Basteleien amerikanischer Besatzungssoldaten, die aus ein paar Elektromotoren, Holzplatten und Drähten die ersten, sehr einfachen, Autorennbahnen bauten. Diese Idee griff dann einige Zeit später ein findiger Mann der Spielwarenindustrie auf, nämlich Josef Neuhierl aus Nürnberg. Er betrieb ursprünglich eine Blechspielzeugfabrik und entwickelte dann in der Folge die erste Autorennbahn in Deutschland – damals noch unter dem Namen „JNF“ für „Josef Neuhierl Fürth“. Das war zu jener Zeit, als das Spielzeugangebot im Prinzip nur aus Plüschtieren und Holzspielzeug bestand, natürlich revolutionär. Plötzlich war da etwas Neues: nämlich schnell, dynamisch und technisch. Die Begeisterung war von Anfang an sehr groß. Die Firma wuchs rasch, und in den 1960er-Jahren wurde JNF dann in Carrera umbenannt. Den Ursprung hatte der Name im Rennen „Carrera Panamericana“, bei dem Porsche mehrere Jahre erfolgreich war; in Anlehnung daran wurde der 911er in Carrera umbenannt. Der Name hat Josef Neuhierl sehr gut gefallen, und dank seiner Beziehungen zum Hause Porsche fragte er dort an, ob er die Marke für die Kategorie Spielzeug verwenden könne. Porsche sagte damals einfach ja – so leicht war das zu dieser Zeit noch! Der Name ist seither die Marke schlechthin für Autorennbahnen im gesamten deutschsprachigen Raum.
COOL DAD: WIE KAM DANN DIE FAMILIE STADLBAUER INS SPIEL?
Andreas Stadlbauer: Ende der 1960er-Jahre war mein Vater auf der Suche nach Generalvertretungen für Österreich und stieß auf die Marke Carrera, für die er dann auch den Zuschlag erhielt. In den folgenden Jahren ist das Unternehmen stark gewachsen und hat sich auch internationalisiert. Als 1999 der EU-Beitritt kam, war klar, dass Generalvertretungen keinen Wert mehr hatten und man eigene Produkte produzieren muss. 1999 bestand schließlich die Möglichkeit, die Marke Carrera zu übernehmen. Alle haben uns davon abgeraten. Wir haben aber an das Kind im Mann geglaubt und auch daran, dass die Themen Auto, Mobilität, Design, Technik und Geschwindigkeit immer eine Chance haben, wenn man sie richtig anpackt. Die ersten Jahre mussten wir viel investieren, vor allem in die Bereiche Technologie und Innovation, ebenso aber auch in Lizenzen. Wir konnten uns beispielsweise die Exklusivität für die Ferrari-Lizenzen sichern und starteten später auch eine Lizenz-Kooperation mit Red Bull.
COOL DAD: WIE SAH DIE MARKETINGSTRATEGIE ZU DIESER ZEIT AUS?
Andreas Stadlbauer: Die Marketingstrategie war einfach: Bevor wir uns an die Kinder wenden, wenden wir uns doch an die, die Carrera noch unglaublich positiv aus der eigenen Kindheit in Erinnerung haben. Ich war selbst überrascht, wie schnell die Menschen auf dieses Thema wieder aufgesprungen sind. Wir haben immer mehr Veranstaltungen durchgeführt und bald auch Meisterschaften organisiert. Das Internet hat uns dabei sehr geholfen. Carrera hatte im beginnenden Zeitalter des Internets eine der hochprofessionellen Webseiten unserer Branche. Eine lustige Erinnerung nebenbei: Es gab damals noch Controller, die fragten, ob es sinnvoll wäre, das Budget für den Internetauftritt zu verdoppeln, wo doch nur 18 Prozent der Haushalte einen Zugang dazu hätten.
COOL DAD: VERSUCHT HATTEN DAS ZUVOR JA SCHON VIELE. WAS HAT DEN UNTERSCHIED AUSGEMACHT, DASS MAN DIE IDEE WIEDERBELEBEN KONNTE?
Andreas Stadlbauer: Carrera begann wieder sehr genau auf den Konsumenten zu hören. Es gab in der Phase der Übernahme Entwicklungen, die zwar technisch prickelnd und interessant waren, bei denen wir aber gespürt haben, dass der Endverbraucher dies gar nicht möchte. Beispielsweise wollten die Konsumenten das Motorgeräusch, auch mit dem typischen Klang des Getriebes, hören. Offensichtlich ist das auch für das Fahrgefühl entscheidend, weil es in gewisser Weise Fahrdynamik wiedergibt.
COOL DAD: WIE KAM ES DANN ZU DIESER AUSSERGEWÖHNLICHEN INTERNATIONALEN ENTWICKLUNG?
Andreas Stadlbauer: Wir wurden bald wieder die Nummer eins im deutschsprachigen Raum, begannen aber gleichzeitig, die Marke zu internationalisieren. Wir gründeten die Niederlassung in den USA und sind dort in der Zwischenzeit auch Marktführer geworden. Nach und nach kamen Frankreich, Spanien und England hinzu. In den letzten beiden Ländern war die Situation anders, da dort Mitbewerber auf dem Markt waren. Da muss man konstant am Ball bleiben und sich auch selbst ständig weiterentwickeln.
COOL DAD: WAS IST DAS GEHEIMNIS, DASS AUTORENNBAHNEN NOCH IMMER SO EINE GROSSE FASZINATION AUSÜBEN?
Andreas Stadlbauer: Wir sehen uns als Motorsport für zu Hause. Es geht um Rennen und um Wettbewerb: Wer ist schneller, wer hat das schönere Auto? Mich fasziniert, dass sowohl die Kinder als auch die Väter und Großväter Produkt vorfinden, das allen drei Generationen Spaß macht, über das sie miteinander kommunizieren, gemeinsam etwas erleben… auch auf einem gleichen Chancen-Level. Bei dem Thema entstehen diese „Magic Moments“. Der Vater kniet sich neben seinen Sohn und beginnt ihm zu erklären: „Da musst du schneller fahren, da musst du bremsen.“ Die kleinen Knirpse sind völlig verwundert, dass der Papa jetzt auf ihrem Level, auf Augenhöhe ist. Er erklärt ihm etwas, er nimmt sich Zeit, er beschäftigt sich mit ihm. Und er hat genauso viel Spaß, und deswegen interessiert das die Kinder auch. Das sehen wir bei jedem Event, und nicht nur mit Buben, sondern auch mit Mädchen. Viele Väter versuchen dort, ihre Töchter in kleinem Maßstab in den Motorsport einzuweisen. Da passiert unglaublich viel, und das ist unsere Chance, unsere Daseinsberechtigung. Letztendlich sind aber auch die Mütter zufrieden, denn sie wissen, wo der Mann ist, nämlich im Keller oder auf dem Dachboden, und die Kinder machen auch keinen Unsinn. Autorennbahnen wird es wahrscheinlich so lange geben, wie Männer Spaß daran haben, sich zu messen, zu sehen, wer schneller oder geschickter ist, und solange das Thema Mobilität im Vordergrund steht. Das ist eine Art Urinstinkt.
COOL DAD: WIESO KÖNNEN SICH HEUTE AUTORENNBAHNEN GEGEN SPIELKONSOLEN BESSER BEHAUPTEN ALS JE ZUVOR?
Andreas Stadlbauer: Ich glaube, hier geht es im Wesentlichen um die menschlichen Sinne. Man möchte etwas fühlen, schmecken, hören, angreifen. Das körperliche Erlebnis ist wahrscheinlich eine größere Befriedigung als das virtuelle am Bildschirm. Ich vergleiche das gerne mit der Welt des Sports oder der Musik. Ich kann mir jedes Musikstück auf einer CD anhören, und trotzdem füllen gute Bands Stadien mit 70.000 bis 80.000 Menschen. Warum geht man dorthin? Warum besucht man ein Fußballstadion, wenn man sich das gleiche Match auch zu Hause vor dem Fernseher ansehen kann? Das ist dieses „Wir“, dieses Miteinander. Ich glaube, etwas gemeinsam zu machen, etwas miteinander zu erleben, sind gewisse Urbedürfnisse der Menschen. Ich bin überzeugt davon, dass wir heute in einer Welt leben, in der beide Formen ihre Daseinsberechtigung haben. Das eine bedeutet technischen Fortschritt und Evolution, das andere dient zur seelischen Glückseligkeit und zur Befriedigung von gewissen Urinstinkten, die einfach da sind.
COOL DAD: WIE SIEHT ES MIT DEM ALTER AUS? WANN SOLLTE ICH MEINEN KINDERN SINNVOLLERWEISE EINE AUTORENNBAHN SCHENKEN BZW. WELCHE?
Andreas Stadlbauer: Wir haben zum Einstieg das Kindersystem Carrera GO. Kinder spielen ganz anders als Erwachsene. Bei dieser Bahn gibt es Loopings, Schanzen, Fly-Overs und Kreuzungen, wo die Autos durch die Luft fliegen und auch „crashen“. Die Autos sind kleiner und wesentlich robuster gebaut. Da ist also bewusst viel mehr Action im Autorennen enthalten. Bei den Älteren geht es darum, wer schneller ist, wer schöner driftet. Man nimmt vielleicht sogar die Magnete heraus, um noch stilvoller durch die Kurve zu rutschen. Eigentlich wäre ja für kleinere Kinder der größere Maßstab der bessere, da man dank der Elektronik die Geschwindigkeit so einstellen kann, dass man die Kinder langsam an die für sie idealen Fahreigenschaften heranführt. Auch wenn das Kind den Regler voll durchdrückt, wird das Auto nicht aus der Bahn fallen, und das kann man schrittweise steigern. Das ist bei der Carrera GO nicht möglich. Die GO ist vom Maßstab her auch wesentlich kleiner und passt somit natürlich besser in ein Kinderzimmer. Sie ist schneller aufgebaut und wieder weggeräumt. Wenn ein Vater aber sagt: „Ich möchte gemeinsam mit meinen Kindern etwas machen“, wäre die Investition in den Maßstab 1:32 zu empfehlen … dann sind nämlich beide glücklich!
COOL DAD: KÖNNEN SIE UNS DEN UNTERSCHIED ZWISCHEN „ANALOG“ UND „DIGITAL“ ERKLÄREN?
Andreas Stadlbauer: Analog bedeutet, dass grundsätzlich kein Strom auf der Schiene anliegt. Wenn man den Handregler drückt, bekommt der Trafo das Signal, einen gewissen Strom auf die Spur zu legen, und das Fahrzeug fährt somit. Bei digitaler Technologie befindet sich Intelligenz im Fahrzeug. Das bedeutet, es ist permanent Strom auf der Schiene und das Fahrzeug greift nur den Strom ab, den es [Anm.: entsprechend der Handreglerstellung] benötigt. Dadurch kann man über individuelle Digitalimpulse bis zu sechs Fahrzeuge unabhängig ansteuern, und damit sind wir natürlich wesentlich näher am echten Motorsport als mit analogen Bahnen.
COOL DAD: SIND AUTORENNBAHNEN NOCH IMMER REINE MÄNNERSACHE?
Andreas Stadlbauer: Bei den Mädchen besteht sicher ein großes Wachstumspotenzial. Wir versuchen, uns auch intensiv um sie zu kümmern, weil wir einfach sehen, dass das Interesse da ist. Wir sehen auch im Carrera-Club und bei Veranstaltungen, dass die Mädchen super mithalten. Wenn sie gegen Buben Rennen fahren, sind in den ersten Runden immer die Mädchen vorne. Die Buben gehen meist viel zu ungestüm an die Sache heran, die Mädchen hingegen nähern sich langsamer dem Thema und der richtigen Geschwindigkeit.
COOL DAD: Danke für das Interview!
FACTS:
- Carrera produziert jedes Jahr rund eine Million Grundsets an Autorennbahnen und drei Millionen Fahrzeuge, und das kontinuierlich wachsend.
- Dabei hat man in Österreich einen Marktanteil von fast 97 Prozent: Auf jeden geborenen Buben kommt ein verkauftes Starter-Set!
INFO:
- Unter www.carrera-toys.com kann man sich in der Rubrik „Sortiment“ einen Überblick verschaffen, wodurch sich die fünf Produktlinien der Carrera-Rennbahnen unterscheiden.
Autor:in:
ZUR PERSON Geschäftsführer von taco media, Herausgeber von NEW MOM, all4family & COOL DAD. Chefredakteur von COOL DAD.