Fabians Eltern erhalten in regelmäßigen Abständen Vorladungen in die Schule. Ihr Sohn störe den Unterricht, habe stets Konflikte mit seinen Mitschülern und gäbe den Lehrern freche Antworten. „Wahrscheinlich ist er einfach zu intelligent für die anderen Leute“, meint Fabians Mutter „wir haben ihn extra austesten lassen. Er hat einen überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten“.
Was sind verschiedene „Intelligenzen“?
Lange Zeit wurde nur der Intelligenzquotient (IQ) eines Menschen für dessen geistige Leistungsfähigkeit herangezogen. Der Intelligenzquotient (IQ) ist eine Kenngröße zur Bewertung des allgemeinen intellektuellen Leistungsvermögens (Intelligenz). Als Quotient vergleicht er eine Person mit dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung zum selben Zeitpunkt. Kinder mit überdurchschnittlich hohem IQ wurden für kompetenter und chancenreicher für die berufliche Zukunft angesehen. Doch so mancher seit seiner Kindheit als hochintelligent gelobter Erwachsener scheiterte zum Erstaunen seiner Umwelt komplett im praktischen Berufs- und Lebensalltag. Andere, weniger intelligente Kinder, waren als Erwachsene äußerst erfolgreich.
Diese Beobachtungen brachte die Wissenschafter zum Schluss: Neben dem IQ muss es noch andere „Quotienten“ für beruflichen und sozialen Erfolg geben.
Emotionale Intelligenz
Der amerikanische Psychologe Daniel Goleman führte den Begriff „emotionaler Intelligenzquotient (EQ)“ ein. Goleman sieht die emotionale Intelligenz als eine Fähigkeit, von der es abhängig ist, wie gut Menschen ihre Begabungen und ihren Verstand zu nutzen.
Das Wort Emotion kommt aus dem Lateinischen und bedeutet in seinem ursprünglichen Sinn: „aus einer Bewegung heraus“ und beschreibt das Gefühlsleben eines Menschen.
Nach neueren Erkenntnissen ist der EQ viel ausschlaggebender als der Intelligenzquotient IQ. Mit emotionaler Intelligenz werden Fähigkeiten wie etwa Mitgefühl, Kommunikationsfähigkeit, Menschlichkeit, Höflichkeit und Taktgefühl beschreiben, die man auch als Herzensbildung bezeichnen könnte. Es geht dabei sowohl um den Umgang mit anderen als auch um die richtige Einschätzung der eigenen Person.
Elemente der Emotionalen Intelligenz
Die Selbstbewusstheit beschreibt die Fähigkeit, seine eigenen Stärken und Schwächen einzuschätzen. Weiters beinhaltet sie die Frage an sich selbst: Wie reagiere ich in ganz bestimmten (wieder kehrenden) Situationen?
Der Kompetenz der Selbststeuerung geht die Erkenntnis voraus: „Ich kann meine Gefühle und Stimmungen (Angst, Wut, Enttäuschung …) steuern und bin ihnen nicht willenlos ausgeliefert“.
Selbstmotivation bedeutet: immer wieder Leistungsbereitschaft und Begeisterungsfähigkeit entwickeln zu können. Diese Fähigkeit ist ganz besonders dann wichtig, wenn es Phasen gibt, in denen eine Unternehmung bzw. das Leben schwierig und kompliziert ist. Wer sich selbst zu motivieren lernt, findet immer Kraft zum Weitermachen und besitzt eine höhere Frustrationstoleranz.
Empathie bedeutet das Einfühlungsvermögen in die Sichtweisen und Gefühle anderer Menschen und die angemessene Reaktion darauf. Um seine eigene Empathiefähigkeit zu messen, sollte man sich die Frage stellen: „Muss grundsätzlich immer ich Recht haben? Oder lasse ich auch andere zu Wort kommen und akzeptiere ich, dass es unterschiedliche Sichtweisen zu einem Thema gibt?“
Unter sozialer Kompetenz versteht man die Fähigkeit Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen und daraus länger andauernde Beziehungen entstehen zu lassen.
Eine gute Kommunikationsfähigkeit ist besonders wichtig für die emotionale Intelligenz. Damit sind zwei Dinge gemeint: einerseits sich klar und deutlich ausdrücken zu können und andererseits die Fähigkeit, anderen Menschen zuzuhören und zu versuchen sie zu verstehen.
Wozu emotionale Intelligenz?
Der dreizehnjährige Fabian zeigt deutlich, dass ein Mensch mit einem hohen IQ nicht zwangsläufig in allen Lebensbereichen erfolgreich ist. Seine sozialen Kompetenzen liegen weit unter dem Durchschnitt seiner Klassenkameraden und so hat er trotz seiner „Gescheitheit“ Probleme Freunde zu finden und sich Lehrern gegenüber in angemessener Art und Weise zu verhalten. Die Ursache dafür liegt nicht – wie seine Mutter meint – in seinen hohen intelligenten, sondern viel mehr in seinen geringen emotionalen Fähigkeiten. Natürlich lässt sich diese Ursache nicht immer so leicht trennen. Gerade Kinder mit einem ausgeprägten Auffassungsvermögen werden als Kind oft zu sehr als Wunderkinder hochgejubelt und zu wenig im sozialen Umgang gefördert.
Aber echter Erfolg im Leben misst sich nicht allein im Intellekt eines Menschen. Ein hoher emotionaler Quotient ist oftmals ein viel höherer Garant für beruflichen und persönlichen Erfolg als der IQ eines Menschen. Warum ist das so? Ein Mensch, der sich in andere hineindenken kann, andere Meinung stehen lässt und sich und seine Gefühle „im Griff“ hat, kommt meist mit seiner Familie und dem Partner gut zurecht. Seine Fähigkeit Konflikte gut zu meistern, hilft einem emotional gefestigten Menschen sowohl im Privat- als auch im Berufsleben.
Emotional intelligente Menschen sind aufgrund ihres Einfühlungsvermögens und ihrer Ausgeglichenheit meist sehr beliebt und pflegen gute Beziehungen und Freundschaften. Aufgrund dieser angenehmen Begleiterscheinungen sind diese Personen meist sehr zufrieden und glücklich. Dies färbt wiederum gut auf ihr Lebensumfeld ab. Ein angenehmer und positiver Aufwärtstrend für emotional Intelligente. All diese Aspekte machen einige Prozent geringeren Intelligenzquotienten allemal Wett.
Soziale Kompetenzen fördern
Eltern sollten zunächst ihre eigenen emotionalen Fähigkeiten überprüfen. Neben in Literatur und Internet angebotenen Tests, können bereits einige Fragen, die man ehrlich versucht zu beantworten, aufschlussreich sein:
- Wer bin ich selbst?
- Wie reagiere ich in den unterschiedlichsten Situationen (z.B. bei Ärger, Trauer, Freude, Müdigkeit, …)?
- Bin ich meinen Gefühlen (Emotionen) hilflos ausgeliefert?
- Wie reagiere ich auf die Gefühle anderer?
- Kann ich mich klar ausdrücken?
- Kann ich anderen Menschen gut zuhören?
- Lasse ich auch andere Meinungen gelten?
- Kann ich meine Mitmenschen dazu bewegen bei irgendeiner Sache mitzumachen?
- Sind andere Menschen gerne mit mir zusammen?
- Fragen mich meine Mitmenschen um Rat bzw. meine Meinung?
- Bin ich gerne mit anderen zusammen oder ziehe ich mich lieber zurück?
Diese Fragen sind ein Denkanstoß und können eine gewisse Tendenz aufzeigen. Eltern, die um ihre eigenen emotionalen Fähigkeiten wissen und versuchen daran zu arbeiten, sind auf dem besten Weg für ihre Kinder echte Vorbilder zu werden. Erleben Kinder im Elternhaus Annahme, Toleranz, Lebensfreude und Gemeinschaftssinn, dann entwickeln sie beinahe wie von selbst soziale Kompetenzen. Und erhöhen damit ihren emotionalen Quotienten, der weit aus mehr über einen Menschen aussagt, als Zeugnisse, Studienabschlüsse und Titel.
Es ist nie zu spät emotionale Fähigkeiten zu erwerben, deswegen ist auch für Fabian die Chance gegeben, soziale Mängel aufzuholen. Ein leichter Weg ist das nicht, aber ein äußerst Erfolg versprechender. Gepaart mit einem guten Verstand ist ein gut entwickeltes Gefühlsleben beinahe eine Garantie für ein erfolgreiches, und vor allem zufriedenes Leben. Und genau das wünschen sich wohl die meisten Eltern für ihre Kinder.
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