In der Schule sind die Augen von Kindern besonders gefordert, die Nahbelastung steigt durch das Schreiben- und Lesenlernen stark an. Grund genug für einen Check beim Augenarzt! Was noch für das gute Sehvermögen der Kleinen wichtig ist, hat all4family im Gespräch mit Prof. Dr. Eva Stifter, Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie an der MedUni Wien, erfahren.
Wann beginnt die Augenvorsorge?
Das erste Lebensjahr ist die sensibelste Phase der Sehentwicklung. Die Nervenverbindung ins Gehirn, die Sehbahn und das Sehzentrum müssen reifen. Das funktioniert aber nur, wenn ein scharfes Bild an das Gehirn gesendet wird. Allerdings können Kinder selbst es nicht mitteilen, wenn etwas nicht stimmt. Daher sind im Mutter-Kind-Pass um den ersten und um den zweiten Geburtstag herum zwei wichtige Augenkontrolltermine vorgesehen.
Ist Früherkennung entscheidend?
Der Augenarzt überprüft, ob eine Fehlsichtigkeit vorliegt. Das kann eine:
- Kurzsichtigkeit (Myopie)
- Weitsichtigkeit (Hyperopie)
- eine Hornhautverkrümmung (Astigmatismus)
- oder eine Anpassungsstörung der Linsenkrümmung sein (Akkommodationsstörung).
Achtung: Ohne Eintropfen ist die Untersuchung nicht aussagekräftig, weil das kindliche Auge die Fehlsichtigkeit zu einem gewissen Grad kompensiert. Am besten ist es, einen auf die Behandlung von Kindern spezialisierten Augenarzt zu suchen, der spielzeugähnliche Untersuchungsgeräte einsetzt und einen kindgerechten und altersentsprechenden Sehtest bei kleinen Patienten durchführen kann.
Wann brauchen Kinder eine Brille?
Stellt der Augenarzt eine Fehlsichtigkeit fest, wird er eine Brille verordnen. Manchmal ist zusätzliches Training erforderlich: Ist ein Auge sehstärker als das andere, unterdrückt das Gehirn die Bilder des schwächeren Auges, so dass räumliches Sehen nicht möglich ist.
Weiterführende Infos
Was tun, wenn die Schule startet?
Nach den beiden wichtigen frühen Untersuchungen ist ein weiterer Check-up vor dem oder zum Schulbeginn auf jeden Fall anzuraten. Wenn ein Kind im Alltag zurechtkommt, ist damit nicht unbedingt gesagt, dass mit dem Sehvermögen alles passt. Schließlich soll das Kind einen guten Start in die besonders wichtige Schulzeit mit ihren Herausforderungen haben. Auch was die Psyche betrifft: Eine neu aufgetretene Sehschwäche, die in neutraler Atmosphäre beim Augenarzt festgestellt wird, ist viel leichter zu verkraften als die Erfahrung, in der Schule etwas nicht zu können. Prof. Stifter: „Das ist ein vermeidbarer psychischer Schmerz, den Sie Ihrem Kind ersparen können.“
An wen wendet man sich für fachliche Beratung?
Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Eva Stifter
Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie
Medizinische Universität Wien
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
T +43 (0)1 40 400-79081
F +43 (0)1 40 400-79120
eva.stifter@meduniwien.ac.at
Welche auffälligen Verhaltensweisen weisen auf Fehlsichtigkeit hin?
Das Kind
- geht sehr nahe an Dinge heran
- hält sich das Bilderbuch sehr nahe vor die Augen
- blinzelt häufig und auffällig
- hat Kopfweh – hohe Fehlsichtigkeit führt zu Kopfschmerzen,auch Innenschielen ist möglich
- ist abends müde und unkonzentriert, mag nicht lesen
Welche unterstützenden Maßnahmen können Eltern vornehmen?
- Tageslichtbedingungen entspannen die Augenmuskulatur, daher sollten Kinder zwei Stunden pro Tag bzw. 15 Stunden pro Woche im Freien spielen
- Bildschirmzeit kontrollieren und einschränken
Bei einer vererbten starken Kurzsichtigkeit kann eine frühe Brillenbehandlung das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit zumindest abschwächen. Auch niedrig dosierte Atropintropfen vor dem Schlafengehen können helfen. Neuerdings gibt es den Ansatz, die Entwicklung der Kurzsichtigkeit mit speziellen Brillengläsern zu verlangsamen.
Kurzsichtigkeit beruht ja darauf, dass der Augapfel zu sehr in die Länge wächst, so dass das Bild bereits vor der Netzhaut entsteht anstatt direkt auf ihr. Das ist der Grund für die Sehunschärfe in der Ferne. Normale Gläser korrigieren nur die Sehschärfe, aber nicht die Krümmung des Bildes.
Die neuen „Miyosmart“-Brillengläser hingegen sorgen zusätzlich durch spezielle, bienenwabenartig angebrachte Segmente dafür, dass das Bild angeschmiegt an die Krümmung des Augenhintergrunds entsteht (myoper Defocus, kurzsichtige Ablenkung). Das wiederum verringert den Wachstumsreiz für das Längenwachstum des Augapfels. Falls mit der Brille der Ausgleich besonders hoher oder einseitiger Fehlsichtigkeiten nicht optimal möglich ist, gibt es spezielle weiche Kontaktlinsen für Babys und Kleinkinder.
In diesem Fall hilft eine „Okklusionstherapie“:
- Das dominante Auge wird (zeitweise) abgedeckt und das schwächere Auge so gezielt trainiert. Da das Gehirn nun korrekte und scharfe Bilder erhält, ist in dieser intensiven Entwicklungsphase eine normale Sehentwicklung noch möglich.
Autor:in:
Zur Person: Mag. Elisabeth Sorantin hat Sprach- und Literaturwissenschaften studiert und sich vor allem auf die Vermittlung von komplexen Sachverhalten in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Aktuelle Artikel