Herpesviren – unerwünscht, aber weit verbreitet
Bitte nein, nicht schon wieder: Die Lippe spannt und kribbelt, dazu ziehende Nervenschmerzen, dann bildet sich eine Gruppe Bläschen. Fieberblasen. Wer sind diese ungebeten Gäste eigentlich und was sollte man über sie wissen? Ein kurzer Einblick in die Familie der Herpesviren.
Die sogenannten Fieberblasen werden durch eine Infektion mit Herpes simplex 1 Viren (HSV-1) verursacht. Herpesviren werden durch engen Kontakt übertragen, wie z.B. Küssen, durch Tröpfcheninfektion (Niesen, Husten) und durch Schmierinfektion, z.B. durch Berühren der Bläschen oder der gemeinsamen Benutzung von Gläsern, Besteck oder Handtüchern.
- Herpes simplex 1 Viren befallen vorwiegend Mund und Lippen.
- Die nette Verwandtschaft Herpes simplex 2 (HSV-2) ist auf die Geschlechtsteile spezialisiert.
Allerdings ist diese Zuteilung nicht immer exakt, denn beide Arten können Schleimhäute des ganzen Körpers, das Gehirn oder die Augen angreifen.
Erstkontakt mit Folgen
Die Erstinfektion mit Herpes simplex Virus 1 (HSV – 1) erfolgt fast immer im Kleinkindesalter. Sie kann symptomlos verlaufen, oder aber „Mundfäule“ verursachen, wenn Mundschleimhaut und Zahnfleisch befallen werden.
Das Kind leidet zuerst an unspezifischen Symptomen wie hohem Fieber, Unwohlsein, Abgeschlagenheit, gelegentlich auch an Übelkeit und Erbrechen. Dann bilden sich zahlreiche, schmerzhafte Bläschen mit gelblichem bis grauweißen Belag, die Gaumen, Zahnfleisch, Zunge, Lippen befallen. Die aufplatzenden Bläschen hinterlassen oberflächliche kleine Geschwüre und verursachen fauligen Mundgeruch.
In einem der seltenen Fälle, in denen die Augen befallen sind, bitte unbedingt innerhalb von 24 Stunden ärztlichen Rat einholen, damit es nicht zu Vernarbungen der Hornhaut kommt!
Leider ist die Sache damit nicht überstanden. Herpesviren haben nämlich die tückische Eigenschaft, sich vor den Abwehrzellen des Immunsystems im Zentralnervensystem verstecken zu können. Dort verbleiben sie, bis das Immunsystem anderweitig beschäftigt ist und sie wieder und einen neuen Ausbruch verursachen können.
Wie gefährlich sind Herpesviren?
Herpesviren sind weit verbreitet. Da viele Infektionen auch symptomlos verlaufen, weiß man oft nicht, dass jemand VirenträgerIn und damit ansteckend ist.
- Für immunkompetente Personen ist eine Herpesinfektion ein lästiges Ärgernis.
- Anders bei Personen mit beeinträchtigtem Immunsystem wie z.B. TransplantationspatientInnen oder mit nicht trainiertem Immunsystem wie Neugeborenen. In diesen Fällen kann es zu schwerwiegenden Konsequenzen kommen, da sich das Virus ausbreiten und innere Organe, Blutzellen, Augen oder das zentrale Nervensystem befallen kann.
Wann ist Herpes ansteckend?
- Herpes ist nur während der Primärinfektion oder einer Reaktivierung anstecken, weil es dann zur Ausscheidung von Viren kommt.
- Achtung: Bei sogenannten latenten Infektionen scheiden die Erkrankten zwar Viren aus, zeigen aber keine Symptome!
- Befindet sich das Virus im Ruhezustand, kommt es nicht zur Ansteckung.
Was bedeutet eine HSV-2 Infektion für Schwangerschaft und Geburt?
Wurde die Frau bereits vor Schwangerschaftsbeginn infiziert, gilt das Weitergaberisiko als gering. Regelmäßige Kontrollen sind allerdings Pflicht, um Anzeichen eines Ausbruchs frühzeitig zu erkennen. Bei Frühsymptomen wie Kribbeln bitte unbedingt den/die GynäkologIn aufsuchen! Ab der 36. Schwangerschaftswoche wird ein Ausbruch mit Virostatika behandelt.
Eine Erstinfektion dauert länger, die Virenlast ist höher und die Mutter verfügt noch nicht über Antiköper, die sie über die Plazenta an das Kind weitergeben kann. Daher werden Virostatika eingesetzt, um das Kind zu schützen und eine vaginale Geburt ermöglichen zu können. Das Neugeborene erhält dann ebenfalls Virostatika für drei Tage nach der Geburt.
Bei einer aktiven Herpes-Genitalis-Infektion wird auf jeden Fall eine Sectio durchgeführt, da ein hohes Infektionsrisiko mit Lebensgefahr für das Neugeborene besteht. Das gilt auch, wenn der Partner Genitalherpes hat!
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Leider gibt es noch keine Impfung gegen diese Stämme. Behandelt wird mit sogenannten Virostatika, das sind Medikamente, die die Vermehrung und Freisetzung der Viren hemmen. Es gibt sie als Tabletten oder in Salben- bzw. Gelform.
Wichtig: Schon bei den ersten Anzeichen mit der Behandlung beginnen, damit die Virenvermehrung möglichst rasch gestoppt wird.
Aus der Zahnmedizin kommt die Behandlung der Herpesläsionen mit einem Diodenlaser. Studien haben gezeigt, dass dadurch die Dauer der HSV-1 Symptome verkürzt wurden und dass es im Lippenbereich nach mehrfacher Anwendung weniger oft zu neuerlichen Ausbrüchen kam.
Was zusätzlich helfen kann: Wärmestifte wie HERPOtherm tragen dazu bei, Viren abzutöten. Spezielle Wundpflaster, z.B. das Compeed® Herpesbläschen Patch decken das Bläschenareal ab und fördern die Wundheilung.
Als Vorbeugung bzw. Begleittherapie hat sich die Aminosäure L-Lysin bewährt. Ihre Wirkung beruht darauf, dass sie die Aufnahme der Aminosäure L- Arginin behindert, die Herpesviren zur Vermehrung benötigen. Ausreichender Sonnenschutz ist ebenfalls angesagt.
Herpesstämme
Es gibt 200 Herpesstämme, neun davon betreffen den Menschen. Abgesehen von Lippen- und Genitalherpes sind vor allen die beiden folgenden Stämme für Frauen im gebärfähigen Alter relevant:
Schafblattern/Feuchtblattern/Windpocken (Varizellen)
Sie sind weit verbreitet und hoch ansteckend.
Schwangere, die nicht sicher wissen, ob sie in der Vergangenheit bereits eine Infektion durchgemacht haben und somit geschützt sind, müssen hier sehr aufpassen, wenn z.B. eines ihrer Kinder eine aktive Infektion hat. In diesem Fall empfiehlt es sich, die eigenen Antikörper rasch überprüfen zu lassen, um sicherzustellen, dass man sich nicht mehr anstecken kann – wer die Infektion einmal durchgemacht hat, ist lebenslang immun. Bei fehlendem Schutz können Antikörper verabreicht werden, um eine Infektion des Ungeborenen zu verhindern.
Die lebenslange Immunität gegen Windpocken schützt übrigens nicht vor einem Ausbruch von Herpes Zoster (Gürtelrose), der ebenfalls von diesem Virus verursacht wird. Hier sind vor allem ältere Menschen betroffen. Die gute Nachricht: Es gibt eine sehr wirksame Impfung gegen Herpes Zoster.
Cytomegalievirus (CMV)
Das Cytomegalievirus (CMV) ist weit verbreitet.
- Bei immunkompetenten Personen verläuft die Erstinfektion in den meisten Fällen symptomlos oder es treten nur leichte grippeähnliche Symptome auf.
- Infiziert sich eine Schwangere, kann das ungeborene Kind eine Infektion erleiden, die weitreichende Folgen haben kann und zum Hörverlust oder anderen schwerwiegenden Langzeitproblemen führen kann.
Was soll frau also tun? Regemäßige CMV- Antikörpertests ca. alle 4-6 Wochen bis zur 16. Schwangerschaftswoche können eine Neuinfektion nachweisen, damit notfalls mögliche Therapien z.B. mit Virostatika begonnen werden können und das Kind besonders engmaschig überwacht wird. Mittels Fruchtwasserpunktion kann eine Infektion des Fetus erkannt oder ausgeschlossen werden.
Da die Hauptinfektionsquelle meist die eigenen Kinder sind und in Kinderbetreuungseinrichtungen CMV-Infektionen häufig vorkommen, sollten schwangere Frauen eine sorgfältige Hygiene betreiben, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Hierzu gehört, die Hände sorgfältig zu waschen und direkten Speichel- oder Harnkontakt mit Kindern zu vermeiden, also kein Besteck oder Schnuller gemeinsam zu benutzen und Kinder nicht direkt auf den Mund zu küssen.
Versöhnlicher Ausblick
Herpes Viren halten uns einen Spiegel vor. Immer, wenn wir Herpes bekommen, wissen wir, dass unser Körper gerade leidet. So lernen wir, was uns wirklich stresst und welche Stressfaktoren wir reduzieren sollten, um unser Immunsystem zu schützen.
LINKS
- Übersicht über für den Menschen relevante Herpesviren: www.helmholtz-hzi.de
- Cytomegalie und Schwangerschaft: starkgegencmv.de
Fachliche Beratung:
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr.med.univ. Philipp Klaritsch
Klinische Abteilung für Geburtshilfe
Pränataldiagnostische Ambulanz
Med Uni Graz
Autor:in:
Zur Person: Mag. Elisabeth Sorantin hat Sprach- und Literaturwissenschaften studiert und sich vor allem auf die Vermittlung von komplexen Sachverhalten in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Aktuelle Artikel