Mit Gattin und Nachwuchs in England ein Fußballspiel besuchen? Für die meisten unvorstellbar! Schließlich war England lange Zeit nicht gerade berühmt für seine besonders gediegene und familienfreundliche Atmosphäre auf Fußballplätzen. Aber die englische Premier League, die oberstes Spielklasse, hat mit dem schlechten Image aufgeräumt und Hooligans nebst allen mit ihnen einhergehenden Erscheinungen aus den Stadien verbannt. Gedanken über leere Ränge mussten sich die Verantwortlichen dank des Stellenwerts des Fußballs auf der Insel ohnedies nicht machen.
Was liegt also angesichts dieser Voraussetzungen näher, als den Kids – in beinahe selbstloser Weise wohlgemerkt – eines der hehren Ideale westlicher Gegenwartskultur, nämlich „British Sportsmanship“, vor Ort anschaulich näherzubringen? Gegenüber möglicherweise kritisch eingestellten Familienmitgliedern rechtfertigt diese pädagogisch bedeutende Aufgabe denn auch einen gewissen budgetären und zeitlichen Aufwand.
Die Abgründe des Ticketkaufs
Welcher Überlegungen und Vorbereitungen bedarf es nun, um auf diese Art erzieherisch tätig zu werden? Flug buchen! Kein Problem. Ehefrau überzeugen? Gerade noch machbar. Quartier finden? In London, so man vertretbare Qualität zu vernünftigen Preisen erwartet, nicht so leicht, aber mit intensiver Recherche durchaus möglich. Da wäre dann nur noch ein kleines, aber nicht unwesentliches Handicap: nämlich Karten für ein Spiel der Premier League auf möglichst legalem Weg zu erstehen …
Die naheliegende Vorgehensweise – nämlich einfach den PC zu bemühen und in den Tiefen des Internets zu suchen – führt zwar schnell zu Ergebnissen, die sich allerdings bei einiger Nachforschung auch als äußerst dubios entpuppen. Geht man diversen verlockenden Online-Okkasionen kritisch nach, tun sich Abgründe auf: Wird nämlich eine Karte nicht direkt beim Club erworben, kann es durchaus passieren, dass man mit selbiger in der Hand vom Stadion-Ordner – dem Stewart, wie er wohlklingend in England heißt – nicht eingelassen wird.
Weiters wären da auch noch die Schwarzhändler, die es natürlich vor jedem Stadion gibt (außer vielleicht in Österreich, wo sich die Nachfrage bei nationalen Spielen in überschaubaren Grenzen hält). Hände weg von den verlockenden Tickets: Denn via Lautsprecher wird schon vor dem Stadion darauf hingewiesen, dass der Kauf dieser Karten illegal und strafbar ist.
Legal Fun
Die Liste an höchst obskuren Möglichkeiten ließe sich noch genüsslich fortsetzen. Auf der anderen Seite wären da aber auch legale Alternativen. Bei einer eher langfristigen Planung würde man zum Beispiel eine Mitgliedschaft beim Chelsea FC beantragen und so an der Verlosung der verfügbaren Tickets teilnehmen. Oder man könnte in VIP-Tickets investieren, die mit mehreren hundert Euro pro Person zu Buche schlagen … ideal für eine mehrköpfige Familie!
Nachdem die zwielichtigen Varianten im Sinne der Vorbildfunktion nach eingehender Prüfung verworfen wurden und der eine legale Weg auch zu keinem budgetär akzeptablen Ziel führte: Es sollte doch eigentlich noch andere – einfache, sichere und natürlich ganz rechtmäßige – Wege geben, um an Tickets zu kommen! Einige Nachforschungen später kann man beruhigt feststellen, dass unzählige Reisebüros Fußballreisen als Komplettpakete anbieten.
Letzte Hürde genommen
Ein Reisebüro zu bemühen mag in Zeiten des Internets äußerst unspektakulär, absolut unsexy, fast schon peinlich für die Generation der Reise-Individualisten erscheinen. Aber mit der gesamten Familie nach London zu fahren, vor dem Stadion zu stehen und vielleicht nicht eingelassen zu werden, lässt sich auch nicht gerade als souveräne Reiseplanung bezeichnen. Was liegt also näher, als einmal das Auge des Individualisten zuzudrücken?
Um der Unübersichtlichkeit des Angebots Herr zu werden und nicht das nächste Problemfeld zu eröffnen, empfiehlt es sich bekanntlich, zum Schmied und nicht zum Schmiedl zu gehen. In diesem Fall ist das der Generalvertreter: Die englische Premier League vergibt nämlich Kartenkontingente nicht an jeden, sondern an einen Exklusivpartner, der wiederum auch in Österreich einen Vertreter hat. Mit diesem Wissen ausgestattet, stößt man schnell auf R.E.S. Touristik, einen Spezialisten für Sportreisen. Als Generalvertreter für Spiele der Premier League im deutschsprachigen Raum ist er wohl der Schmied in diesem Fall, kennt sich im Zweifelsfall am besten aus, ist preislich sicher nicht die schlechteste Empfehlung … und erspart dem Reiseplanenden den endlosen Vergleich von Angeboten. Apropos: Bei R.E.S. Touristik gibt’s ausschließlich Pauschalangebote mit Nächtigung und Tickets … wohl, um jeglichen Schwarzhandel mit Letzteren schon im Ansatz zu unterbinden.
Very British!
Da die organisatorischen Hürden hiermit als gemeistert angesehen werden dürfen – die Details kann man ja der Website entnehmen -, sollte nun doch dem Ziel der Begierde an sich ein wenig Raum gegeben werden.
Das Erlebnis vor Ort []- in diesem Fall das legendäre Stadion des Chelsea FC an der Stamford Bridge – wird für den gelernten österreichischen Fußballfan zur Begegnung der anderen Art. Und das, obwohl wir hier nicht etwa von einem Spiel in der Champions League sprechen, sondern von einem Londoner Stadtderby, einem von vielen noch dazu, bei dem nicht einmal der Erzrivale Arsenal auf dem Rasen aufläuft. Aber auch gegen den kleinen Stadtrivalen Fulham ist die Stamford Bridge ausverkauft. Das Stadion füllt sich im Laufe der beiden Stunden vor Spielbeginn langsam. Wer hysterisches Gedränge erwartet, wird in England eines Besseren belehrt. Wohin die Menschenmenge strömt, ist kaum zu erkennen, es bedarf aber offensichtlich auch keines großen Polizeiaufgebots, um über 40.000 Fans zu kanalisieren. Alleine dieses Erlebnis verspricht einen entspannten Fußballabend. Ein Bier vor dem Spiel darf in England natürlich nicht fehlen, aber gesittet. Keine vom Alkohol schwer gezeichneten Fans und kein betrunkenes Gegröle: typisch britisch zivilisiert eben. Oder, um es auf unseren Punkt zu bringen, familientauglich.
Dresscode und andere Regeln
Diese gelebten englischen Tugenden setzen sich auch im Stadion selbst fort. Zur Unterstützung gibt es ein kleines, wenngleich nicht allzu streng gelebtes Regelwerk, und laut Website sogar einen Dresscode: keine Trainings- oder Jogginganzüge auf den Rängen, please! Dauerndes Stehen auf den Plätzen wird ebenso ungern gesehen, aber mit einer gewissen englischen Großzügigkeit interpretiert – vor allem, wenn sich in der Endphase eines Spiels das Geschehen in den gegnerischen Strafraum verlagert, hält es trotz aller Regeln keinen mehr auf seinem Sitz.
Manch einer mag nun einwerfen, dass man durch all diese Reglementierungen die Stimmung auf den Plätzen zerstöre … Wer einmal erlebt hat, wie 40.000 Fans in einem relativ kleinen, fast intimen Stadion wie jenem an der Stamford Bridge die Stimme erheben, das Flutlicht und der verhangene Londoner Abendhimmel eine fast mystisch Atmosphäre schaffen, weiß, dass solche Bedenken fehl am Platz sind.
Oper in kurzen Hosen
Noch ein kleines, abschließendes Highlight zum Thema „Sportsmanship“.
Auf der ganzen Welt stellt der Platzsprecher traditionell vor Spielbeginn die Spieler beider Mannschaften vor. In österreichischen Stadien wird die jeweilige Gastmannschaft im besten Fall mit verhaltenen Buhrufen und leichten Anzüglichkeiten bedacht. Nicht so an der Stamford Bridge. Hier gibt es Beifall für beide Mannschaften. Als gelernter Österreicher ist man nicht ganz sicher, ob nun wirklich ein Fußballspiel folgt. Wurde nicht einmal behauptet, Fußball sei Oper in kurzen Hosen und mit offenem Ende? Nirgendwo trifft das so zu wie in England!
Autor:in:
ZUR PERSON Geschäftsführer von taco media, Herausgeber von NEW MOM, all4family & COOL DAD. Chefredakteur von COOL DAD.