Immer weniger KassenärztInnen, lange Wartezeiten auf ein Spitalbett – das staatliche Gesundheitssystem ist überlastet. Ist der Abschluss einer Gesundheitsversicherung die Lösung? Und was gilt es dabei zu beachten? all4family hat dazu die relevanten Fachauskünfte eingeholt.
Risikoanalyse
Erich Kücükoglu, gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Versicherungswesen und Chef der Firma ekue & partner aus Mödling, erklärt die richtige Vorgangsweise vor Abschluss einer Gesundheitsversicherung: „Zuerst gilt es die finanziellen Möglichkeiten auszuloten und eine Risikoanalyse durchzuführen.“
Angenommen, zwei Kinder sind bei einem Elternteil mitversichert. Hier ist mit monatlichen Kosten von € 300–350 für Wahlarzt- und Spitaltarif zu rechnen. Wichtig: Diese Summe muss auch verfügbar sein, sollte dem Elternteil, der am meisten zum Familieneinkommen beiträgt, etwas zustoßen.
- Daher wäre der erste Schritt der Abschluss einer Ablebens- und Unfallversicherung für diese Person – auch deshalb, weil die staatliche Sozialversicherung im Falle eines Unfalls Kosten für Invalidität, z. B. erforderliche Umbauten im Haus, nicht übernimmt, wenn kein Fremdverschulden vorliegt. Auch für Kinder ist eine Unfallversicherung sinnvoll.
- Als nächsten Schritt kann man dann die einzelnen Bausteine der Zusatzversicherungen analysieren.
Geeignete Variante der Zusatzversicherung wählen
Prinzipiell unterscheidet man zwei Bereiche: Spitaltarife und Wahlarzttarife. Susanne Kondziolka-Bloch, Geschäftsführerin von Bloch Versicherungsmakler in Wien und auf die Versicherung von Familien spezialisiert, erläutert: „Wenn sich Kunden zwischen einem Wahlarzt- und einem Sonderklassetarif (= Spitaltarif) entscheiden müssen, rate ich in der Regel zum Sonderklassetarif.
Einen Aufenthalt auf Sonderklasse selbst zu bezahlen ist riskant und meist gar nicht finanzierbar, da die genauen Kosten im Vorfeld nicht fix sind. Gesundheitliche Komplikationen können die Ausgaben erheblich in die Höhe treiben.“ Übrigens: Sonderklasseversicherungen sind heute nur noch mit Selbstbehalten finanzierbar – bei den Versicherern gibt es unterschiedlichste Selbstbehaltsmodelle.
Jung versichern heißt günstig versichern
Je jünger und gesünder man beim Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist, desto eher vermeidet man Prämienzuschläge, Leistungsausschlüsse oder gar eine Ablehnung aufgrund von Vorerkrankungen.
Einige Sonderklassentarife verzichten bis zu einem bestimmten Alter – z. B. 40 oder 45 Jahre – auf einen Selbstbehalt. Im Idealfall schließt man die Zusatzversicherung für ein Kind bereits in der Kinderwunschphase ab. Diese Babyoption kostet ca. € 4 im Monat und hat den Vorteil, dass das Kind, einmal geboren, versichert werden muss. Da dann auch Gesundheitsfragen beantwortet werden müssen, sind allerdings Zuschläge und Ausnahmen möglich, besonders bei orthopädischen Problemen.
Was ist, wenn die Schwangerschaft schon eingetreten ist?
Auch dann ist eine Zusatzversicherung noch möglich, allerdings ist die Versicherung dann immer an bestimmte Auflagen gekoppelt, z. B. dass auch der Vater mitversichert werden muss, wenn er noch keine private Gesundheitsversicherung hat.
Die Zusatzversicherung garantiert die freie Arzt- und Krankenhauswahl und die Durchführung aller medizinisch empfohlenen Untersuchungen, nicht nur der fünf im Mutter- Kind-Pass gelisteten.
Die geeignete Prämie wählen und die Zusatzversicherung abschließen
Spitaltarife sind vom Wohnort und der jeweiligen Sozialversicherung abhängig – die Zusatzversicherung ergänzt die staatlichen Leistungen. In Niederösterreich z. B. hat ein Elternteil immer Anspruch auf ein Zusatzbett. In anderen Bundesländern ist das nur über eine Privatversicherung möglich.
Bei Wahlarzttarifen spielen diese Faktoren keine Rolle. Vorerkrankungen beeinflussen die angebotenen Prämien und Leistungen. Daher empfiehlt es sich, Befunde einzureichen, um den Versicherern die Risikobewertung zu ermöglichen.
Eine zeitgleiche Anfrage bei mehreren Anbietern spart Zeit und hat den Vorteil, dass man nicht angeben muss, ob ein anderer Anbieter schon abgelehnt hat. Kinderprämien sind für Neugeborene gleich hoch wie für ältere Kinder und gelten je nach Anbieter bis zum Alter von 18, 19 oder 20 Jahren; die Umstellung auf Erwachsenenprämie erfolgt dann automatisch.
Damit sich die Prämie finanziell ausgeht, kann man Varianten wählen, die weniger Zusatzleistungen beinhalten und somit günstiger sind. Kompliziert? Leider ja. Es gibt in Österreich derzeit acht Anbieter, aber die Produkte sind sehr komplex. Es empfiehlt sich, die Versicherung bei einem ungebundenen Versicherungsmakler abzuschließen, der sich frei am Markt bewegen und somit einen Vergleich über alle Anbieter bieten kann.
Leistungen der Zusatzversicherung in Anspruch nehmen
- Bevor eine private Zusatzversicherung zahlt, muss die Rechnung beim Arzt zunächst selbst beglichen und anschließend bei der gesetzlichen Krankenversicherung eingereicht werden. Nach deren Abrechnung übernimmt die Zusatzversicherung in der Regel den Rest. Je klarer die Diagnose auf der Rechnung, desto schneller die Erstattung, da verzögernde Rückfragen entfallen.
- Wahlarzttarife sind jährlich gedeckelt, z. B. mit € 1200, € 2500 oder € 4000.
- Leistungen wie Medikamente, Impfungen, Heilbehelfe, Physio- oder Psychotherapien sind im Wahlarzttarif enthalten. Für sie gelten aber eigene Höchstgrenzen.
- Die Jahreslimits gelten pro Kalenderjahr und können voll ausgeschöpft werden. Leistungen für alternative Therapien können je nach Versicherer unterschiedlich geregelt sein.
- Bei Spitalaufenthalten rechnet das Spital direkt mit der Versicherung ab.
Gesundheitsversicherung statt Bausparvertrag
Maklerin Susanne Kondziolka-Bloch hat für spendierfreudige Omas und Opas einen Geschenktipp: „Wenn ich von Kunden gefragt werde, was sie als Vorsorge für ihre (Enkel-)Kinder tun können, nenne ich gerne die private Krankenzusatzversicherung. In meinen Augen ist sie die vernünftigere Alternative zum Bausparvertrag, weil eine Zusatzversicherung – so sie nicht vom Kunden selbst irgendwann gekündigt wird – das Kind sein Leben lang begleiten und den Zugang zu den besten ÄrztInnen und raschere Behandlungstermine ermöglichen wird.“
Buchtipp – Schnellkurs im Versicherungswissen:
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Autorin: Susanne Kondziolka-Bloch
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Berlin und Wien
Autor:in:
Zur Person: Mag. Elisabeth Sorantin hat Sprach- und Literaturwissenschaften studiert und sich vor allem auf die Vermittlung von komplexen Sachverhalten in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Aktuelle Artikel