„MEINE KINDERGARTENTANTE IST EIN MANN!“, hören Eltern heute immer häufiger. Und das ist gut so! Viel zu lang musste man Männer im Erziehungsbereich – zum Nachteil aller Beteiligten – mit der Lupe suchen. Eine männliche Hebamme ist aber wirklich noch eine Sensation und ein Tagesvater ziemlich selten. Wie fühlt man sich so als Mann auf bislang ausschließlich weiblichem Terrain? NEW MOM hat einen männlichen Hebammenschüler, einen Kindergartenpädagogen und einen Tagesvater befragt.
Gerade einmal zwei von 100 Kinderbetreuern sind laut Statistik männlich.
Dabei sollen sie, wie Studien belegen, vor allem für Buben eine Bereicherung sein. „Kinder brauchen männliche Vorbilder. Und weibliche“, ist sich Martin Gerdenitsch, 37, sicher. Seit acht Jahren arbeitet er in der Steiermark als Tagesvater. Selbst zweifacher Vater, plädiert er für mehr Vielfalt: „Schon die Kleinsten sollen erleben, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind. Genauso wie es innerhalb der beiden Geschlechter Unterschiede gibt: Alter, Religion, sexuelle Orientierung … Wir haben alle den gleichen Wert und Respekt verdient. Davon profitieren Kinder.“ Allen Erkenntnissen zum Trotz besetzen Männer weitaus seltener als Frauen Stellen im Bereich der Kinderbetreuung. Psychologin Katy Pracher-Hilander kennt die Gründe: „Seit Beginn der Menschheit waren Frauen für die Versorgung der Kinder zuständig. Das Rollenbild hat eine lange Tradition. Heute verschwimmt diese Grenze zunehmend. In unserer Wahrnehmung wird Kinderbetreuung trotzdem stark mit weiblichen Eigenschaften assoziiert – das passiert unbewusst. Umgekehrt werden Frauen, die einen Männerberuf ausüben, eher als tough und willensstark angesehen.“
Wir haben drei Männer getroffen, die dieses Bild aufmischen wollen.
OSKAR HUBER, 21, KINDERGARTENPÄDAGOGE bei den Wiener Kinderfreunden
NEW MOM: Seit einem Jahr arbeiten Sie bei den Wiener Kinderfreunden. Was fasziniert Sie an dem Job?
Oskar Huber: Ich habe die Chance, Kinder ein Stück ihres Weges begleiten und ihnen etwas mitgeben zu können, etwa einen positiven Zugang zum Leben. Eigentlich wollte ich ja die Bundesanstalt für Kindergartenpädagogik gar nicht besuchen, aber meine Mutter hat mich dazu animiert. Sie meinte,
dass das gut zu mir passen würde. Und die Praxiszeit hat mir dann auch gezeigt, dass es mir Spaß macht.
Sind Sie der einzige Mann in Ihrem Team?
Nein! Ich halte es auch für ein überholtes Klischee, dass Kindergartenpädagoge ein Frauenberuf ist. Wir haben insgesamt fünf männliche Betreuer. Schon in der Schule waren in meiner Klasse von 35 Personen zwölf Burschen. Einige Eltern finden es auch super, dass es männliche Bezugspersonen gibt.
In den vergangenen Jahren hat sich da einiges verändert. Warum wählen trotzdem noch so selten Männer diesen Beruf?
Ich denke, das trifft auf Männer wie auf Frauen zu und hat mit der Bezahlung und einigen Rahmenbedingungen zu tun. Der Einstieg mit 14 Jahren ist nicht optimal. Zu diesem Zeitpunkt hat man noch kein richtiges Bild vom Beruf. Es wäre besser, eine akademische Ausbildung einzuführen. Damit wären die Pädagoginnen und Pädagogen für die stark gestiegenen Anforderungen besser gerüstet.
Gibt es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Pädagogen?
Männer geben Kindern vielleicht mehr Freiraum. Und wenn die Eltern getrennt leben, sind Männer als Ersatz für einen eventuell fehlenden Vater oft ganz wichtig für die Kinder. Ganz klar ist es jedenfalls ein positiver Input für die Kleinen, wenn sie ein differenziertes Rollenverständnis mitbekommen. Wesentlich ist aber nicht, ob der Beruf von Frau oder Mann ausgeübt wird, sondern ob man mit Leidenschaft dabei ist.
MARKUS LEICH, 32, HEBAMMEN-STUDENT
NEW MOM: Seit zwei Jahren sind Sie an der FH Campus Wien im Hebammen-Studiengang. Wie schwer fällt es Ihnen als Mann, sich in Frauen hineinzuversetzen, die in den Wehen liegen?
Markus Leich: Ich kann einer Frau nicht sagen, wie es sich anfühlt, ein Kind auszutragen, es zu gebären oder zu stillen, doch das können einigemeiner Kolleginnen ebenso wenig – weil sie selbst noch kein Kind haben oder keines wollen. Ich setze hier auf mein Einfühlungsvermögen, meine Empathie und meine Vorstellungskraft, aber auch auf mein fachliches Wissen. Ich möchte allerdings auch eine gewisse emotionale Distanz wahren, um professionell und konzentriert arbeiten zu können. Einfühlen bedeutet nicht gleich mitfühlen oder mitleiden. Eine Geburt ist für eine Frau eine Grenzerfahrung, bei der sie fachgerechte Begleitung und Motivation braucht.
Werden Sie von außen oft mit Vorurteilen konfrontiert?
Manchmal kommt es vor, dass einem Mann nicht zugetraut wird, jene Fähigkeiten mitzubringen, die es braucht, um den Beruf der Hebamme auszuüben.
Und wie kontern Sie dann?
Dass ich es in der heutigen Zeit für unangebracht halte, an traditionellen Rollenklischees festzuhalten. Fachliche wie soziale Kompetenzen sind geschlechtsunabhängige Eigenschaften. Ich habe die gleichen Zielvorstellungen wie meine Kolleginnen: den Familien und insbesondere den Frauen vor, während und nach der Geburt kompetent und empathisch beizustehen.
Wann haben Sie den Job für sich entdeckt?
Ich habe zehn Jahre lang in der Gastronomie gearbeitet, danach war ich bei einer Unternehmensberatung, und vor zwei Jahren habe ich mein Leben noch einmal neu definiert. Meine beste Freundin Stefanie brachte mich auf die Idee, also habe ich mich mit dem Berufsbild auseinandergesetzt und mich dann an der FH Campus Wien beworben. Derzeit bin ich der einzige Mann in Österreich, der zur Hebamme ausgebildet wird.
MARTIN GERDENITSCH, 37, TAGESVATER
NEW MOM: Wann haben Sie beschlossen, Tagesvater zu werden?
Martin Gerdenitsch: Nach der Matura war ich im Einzelhandel tätig. Dann ist vor acht Jahren mein Sohn zur Welt gekommen und ich bin in Karenz gegangen. In dieser Zeit habe ich mich auch damit auseinandergesetzt, in welche Richtung es beruflich weitergehen soll. Ich wollte mit Kindern arbeiten und habe noch während der Karenz in einem Abendseminar die Ausbildung zum Tagesvater inklusive verschiedener pädagogischer Schulungen gemacht. Begonnen habe ich dann in einem Pfarrkindergarten. Dort war ich der einzige Mann im Team, und die Leiterin musste beim Vorstand ordentlich überzeugungsarbeit leisten, damit ich angestellt werde. Später habe ich über eine Dachorganisation zu Hause Kids betreut, und jetzt arbeite ich in der Betriebstagesstätte einer großen Steuerberatungskanzlei. In Graz haben wir mittlerweile einen speziellen Stammtisch für männliche Kinderbetreuer initiiert.
Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
Ich gehe jeden Tag mit einem guten Gefühl zur Arbeit, weil sie für mich Sinn macht. Die Kinder faszinieren mich – wie sie der Welt begegnen und wie sie sich entfalten! Es ist schön, sie bei dieser Entwicklung zu begleiten und unterstützen zu können.
Was sind die häufigsten Vorurteile, die Sie zu hören bekommen?
Man wird ja selten direkt damit konfrontiert. Was ich öfter erlebe, ist eine positive Diskriminierung. Wenn ich etwa ganz selbstverständlich zum Besen greife, die Wäsche aufhänge oder mit den Kindern einen Kuchen backen will, kommt eine Kollegin, die meint: „Das machen wir schon!“ Oder wenn ich mit ein paar Kids am Spielplatz unterwegs bin, ist oft der Kommentar zu hören: „Boah, wie schaffen Sie das so großartig?“ Frauen werden da häufig eher schief angeschaut: „Wie viele Kinder hat denn die?“