Ein unheimliches Vorgehen, nicht gottgewollt und ein Eingriff in den menschlichen Körper – das war die Reaktion von vielen, als es Ende des 18. Jahrhunderts endlich eine Impfung gegen die gefürchteten „Blattern“, die Pocken, gab. Die österreichische Herrscherin Maria Theresia und ihre Nachfolger setzten auf persönliche Aufklärung mit Hilfe von Hebammen, Geistlichen und Gemeindeärzten. Mit Erfolg. Die Impfquote stieg, die Krankheit wurde zurückgedrängt. Was wir für heute daraus lernen können: Die passende Informationsvermittlung ist entscheidend für das Impfverhalten.
Impfaufklärung damals
Anno dazumal gingen Geistliche gemeinsam mit den Gemeindeärzten von Haus zu Haus, bei der Taufe erhielten die Eltern Briefe, die die Wichtigkeit der Impfung betonten. Wer nicht lesen konnte, dem wurde der Brief vorgelesen. Maria Theresia ging mit gutem Beispiel voran: Sie ließ ihre vier jüngsten Kinder gegen Blattern impfen, drei waren bereits an den Blattern gestorben, sie selbst hatte die Krankheit knapp überlebt. Trotz des Impferfolgs blieb sie allerdings wachsam und tauschte sich regelmäßig mit Experten aus aller Welt aus, ob die Impfung der richtige Weg sei und welche Verbesserungen angebracht wären.
Wie möchten Eltern heute informiert werden?
In der heutigen Informationsflut werden nicht immer alle Aspekte einer Meldung beleuchtet; das erschwert es, zu einem klaren Urteil zu kommen. Seriöse Informationen im Internet auszumachen ist auch nicht einfach, da immer wieder unseriöse Websites Namen wählen, die ähnlich wie die von seriösen klingen. Dazu kommt, dass seriöse Impfinformationen oft nur für Fachleute verständlich verfasst sind. Das Resultat ist Impfskepsis.
Gewünscht ist Information, die das Für und Wider sachlich abwägt und zu einem nachvollziehbaren Schluss kommt.
In Vorarlberg initiierte der Gesundheitsdienst aks, der im Auftrag des Landes für das kostenlose Kinderimpfkonzept zuständig ist, 2019 das Projekt „Rund ums Impfen“. In Kooperation mit der Bevölkerung (anonyme Umfrage über Videoscreens in öffentlichen Bussen, Antworten per E-Mail), GesundheitsexpertInnen und spezialisierten WissenschaftlerInnen wurden „leicht verständliche und unabhängige Impfinformationen“ entwickelt. Besonderes Gewicht wurde auf die Mitarbeit eines Elternteams gelegt, das über die connexia Elternberatung und über die Purzelbaum- Gruppen der Katholischen Kirche Vorarlberg rekrutiert wurde. Die Uni Krems nahm ebenfalls am Projekt teil und erarbeitete einen Bericht über die Elternbefragung.
Die Hauptpunkte: Eltern wollen
- leicht verständliche und unabhängige Informationen über alles, was mit Impfen zu tun hat
- Risken der Erkrankung gegenüber den Risken einer Impfung sollen wertfrei dargestellt werden
- Informationen am liebsten von Kinder- oder HausärztInnen und während der Schwangerschaft
- ÄrztInnen sollen sich Zeit für Beratungsgespräche nehmen, neutral beraten und alle Fragen der Eltern beantworten
- Prozesse zum Umgang mit Impfschäden – von der Meldepflicht bis zu den Konsequenzen von Impfschäden – sollen erläutert werden, um der Angst, dass Nebenwirkungen verschleiert werden, zu begegnen
- Quellen und Referenzen der Impfinformation sollen transparent angegeben werden und Argumente von Impfgegnern sollen eingeordnet werden können.
Aufbauend auf diesen Informationen und den Ergebnissen des Endberichts der Universität für Weiterbildung Krems wurde sodann die Website https://www.rund-ums-impfen.at/ entwickelt.
Sicherheit von Impfstoffen in Europa
Wer checkt was?
- In Europa dürfen nur Arzneimittel verabreicht werden, die im Rahmen von EU-weiten oder nationalen, streng reglementierten Verfahren innerhalb bestimmter Fristen zugelassen wurden. Für Impfstoffe gelten ganz besonders hohe Anforderungen. Auch ein zugelassener Impfstoff wird weiterhin streng überprüft, z. B. durch behördliche Inspektionen, Chargenprüfung (wurde der Impfstoff korrekt produziert?), verpflichtende Sicherheitsupdates und die „Pharmakovigilanz“ der Behörden bezüglich Aufdeckung, Bewertung, Verstehen und Prävention von Nebenwirkungen.
- Im Rahmen der EMA (European Medicines Agency, Europäische Arzneimittelbehörde) gibt es dazu einen eigenen „Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC)“, der sich monatlich trifft, um die Sicherheitsüberwachung von Arzneimitteln in ganz Europa zu gewährleisten. Internationale Zusammenarbeit ist wichtig, um möglichst viele Daten und Erfahrungen zur Verfügung zu haben.
In Österreich ist dafür das BASG (Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) zuständig.
Neutrale, seriöse und zielgruppengerecht aufbereitete Information als Schlüssel gegen Impfskepsis wirkt.
Die entscheidende Rolle geeignet aufbereiteten Wissens haben mittlerweile auch weitere Organisationen erkannt und bieten entsprechende Informationen auf ihren Websites an.
Beispiele sind
- die Website „Impf Dich“ des Vereins „Impfaufklärung in Deutschland“,
- die „Faktenbox. Informiert entscheiden!“ der österreichischen Sozialversicherung, die auch Impfthemen aufgreift
- die Website der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder
- das von der EU über „Horizon 2020“ (EU-Programm für Forschung und Innovation) kofinanzierte Projekt „Jitsuvax“.
Das Angebot kommt offenbar an: Die Website „rund ums Impfen“ z. B. verzeichnet seit der Freischaltung 7.765 Zugriffe bis Ende 2022, heuer sind es bereits 15.530.
Websites zur Impfaufklärung
- aks Vorarlberg
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Deutschland
- Faktenbox der österreichischen Sozialversicherung (SV)
- Impf Dich! (Impfaufklärung in Deutschland e.V.)
- Jitsuvax (Englisch)
Impfkomplikationen
Eine Impfkomplikation stellt eine sehr seltene – im Promillebereich auftretende – vorübergehende Erkrankung dar, die zwar therapiebedürftig ist, aber immer ohne Gesundheitsfolgen bleibt.
Ein Impfschaden ist eine Rechtsbegriff und bezeichnet eine schwere Körperverletzung oder einen Dauerschaden nach einer Impfung. Nach dem österreichischen Impfschadengesetz haftet der Staat, wenn die betreffende Impfung im Eltern – Kind Pass genannt wurde oder durch das Gesundheitsministerium verordnet wurde.
An den Anerkennungszahlen laut Impfschadengesetz zeigt sich, dass es sich bei Impfschäden um äußerst seltene Ausnahmefolgen von Impfungen handelt. Sie können nicht absolut ausgeschlossen werden, ihr Verhältnis zur Gesamtsumme der Impfungen beträgt allerdings heute eins zu mehreren Millionen. (1)
(1) Quelle: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK)
Meldungen von Nebenwirkungen und Impfschäden
Eine gewisse kurzfristige Impfreaktion wie leichtes Fieber, Unwohlsein, Rötung oder Schwellung an der Einstichstelle ist ein gutes Zeichen und zeigt, dass das Immunsystem wie gewünscht aktiv wird.
Unerwartete Nebenwirkungen hingegen müssen dem BASG gemeldet werden!
Wichtig: ÄrztInnen, VertreterInnen der Gesundheitsberufe und Hersteller sind gesetzlich zur Meldung von unerwarteten Nebenwirkungen verpflichtet. Geimpfte können eine Meldung einreichen entweder bei der Impfstelle oder unter: www.basg.gv.at
Nationaler Impfplan
Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und die Mitglieder des Nationalen Impfgremiums arbeiten eng zusammen, um den nationalen Impfplan nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft zu präzisieren und aktualisieren. Entsprechende Sitzungen finden mindestens dreimal jährlich statt.
Da das Ministerium nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung hat, können nicht alle empfohlenen und wichtigen Impfungen vom Staat finanziert werden.
Neu: Ein Meilenstein wurde aber erreicht – die Kosten der HPV Impfung für alle Kinder und Jugendliche bis 22 Jahre werden jetzt auch übernommen! Das bedeutet: Ist die Durchimpfungsrate hoch genug, können Gebärmutter -, Penis – Anal -und Rachenkrebs eliminiert werden!
Welche Kinder dürfen nicht geimpft werden?
Kinder mit Gedeihstörungen und mit wiederholten schweren Infekten, die nicht gut auf Antibiotika ansprechen und Spitalsaufenthalte notwendig machen, dürfen nicht geimpft werden.
Unbedingt impfen!
-
Masern
Masern sind hochansteckend, jedes siebente Kind entwickelt Lungenentzündung oder Gehirn(haut)entzündung, mindestens eines von 10.000 Kindern stirbt daran.
Dazu kommt die Zeitbombe SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis), eine chronische Maserninfektion, die bis zu zehn Jahre später ausbricht und tödlich endet. Außerdem attackiert das Masernvirus die Gedächtniszellen des Immunsystems, das so für mindestens zwei Jahre geschwächt wird. – Die Impfung ist sehr gut verträglich! -
Zecken (FSME)
Die bereits hohe Durchseuchung steigt durch die Erwärmung weiter an. Zecken übertragen
FSME (Frühsommerenzephalitis), eine schwere Erkrankung mit häufigen Spätfolgen. -
Meningokokken
An sich eine seltene Erkrankung, aber hochgefährlich.
Amputationen sind häufig, 10 Prozent der Infizierten sterben auch bei bester Spitalsbehandlung.
Impfmythen
- ) Behauptung: „Die MMR Impfung (Masen – Mumps – Röteln) führt zu Autismus“
Diese Aussage geht auf einen 1998 publizierten Artikel von Andrew Wakefield zurück, in dem ein möglicher Zusammmenhang behauptet wird. Allerdings wurden insgesamt nur 12 (!) Kinder untersucht, deren Auswahl nicht zufällig erfolgte und von denen angeblich 8 autistische Symptome entwickelten. Außerdem bestand ein Interessenkonflikt Wakefields, da er von einem Anwalt, der Eltern von Kindern mit Autismus vertrat, zur Durchführung der Untersuchung beauftragt und bezahlt wurde. Der Artikel wurde 2010 vollständig widerrufen, und Andrew Wakefield wurde seine ärztliche Zulassung in Großbritannien aberkannt.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben seither gezeigt, dass es dass es keinen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und autistischen Störungen gibt. Dazu gehört z.B. eine Studie aus Dänemark, in der mehr als 530.000 Kinder über einen längeren Zeitraum beobachtet wurden. Von diesen hatten 82% einen MMR-Impfstoff erhalten. Insgesamt wurden 316 Autismus-Fälle diagnostiziert.
Es bestand kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit des Auftretens von Autismus zwischen den geimpften und den ungeimpften Kindern.
-> Ergebnis: Die MMR Impfung führt nachweislich NICHT zu Autismus. Quelle: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ-Liste_Roeteln_Impfen.html#FAQId9187724 - Behauptung: „Impfstoffe sind nur ein Supergeschäft für die Pharma“
Der deutsche Verein „Impf Dich“ wollte der Sache auf den Grund gehen und verglich dazu im Jahr 2016 die Ausgaben der deutschen gesetzlichen Krankenkassen für Medikamente mit den Ausgaben für Schutzimpfungen. Es zeigte sich, dass in diesem Jahr 1, 34 Mrd Euro für Impfungen bezahlt wurden, aber im gleichen Zeitraum 36, 27 Mrd Euro für Medikamente. Impfungen waren also ein deutlich weniger lukrativer Geschäftsbereich, sparten aber andererseits durch den Impfschutz dem Gesundheitssystem Kosten für aufwändigere Behandlungen.
-> Ergebnis: Impfungen sind NICHT der profitabelste Geschäftsbereich der Pharmaindustrie. Quelle: https://impf-dich.org/de/impf-info/allgemein/impfmythen-widerlegt -
Behauptung: „Die 6fach Impfung bedeutet ein unnötig hohes Risiko im Vergleich zum Nutzen“
Der 6-fach-Impfstoff schützt vor Erkrankungen, die auch heute noch zum Tod führen können. Dazu zählen: Tetanus, Hib (Haemophilus influenzae Typ B), Keuchhusten und Hepatitis B. Durch die gesunkene Impfbereitschaft sind die Fälle von Tetanus und Keuchhusten wieder im Ansteigen. Diphterie ist mittlerweile sehr selten und die Kinderlähmung gilt in Mitteleuropa als so gut wie ausgestorben. Beide Infektionen können aber jederzeit wieder eingeschleppt werden und würden ebenfalls zu Todesfällen führen.
Tatsächlich gibt es zwei sehr seltene schwere Nebenwirkungen, die aber gut behandelbar sind: Schwere allergische Reaktionen (1 von 1000 – 10.000 geimpften Kindern) und Hypoton-hyporesponsive Episoden (HHE), die zur
plötzlicher Muskelerschlaffung (= Hypotonie) und, fehlender Reaktion auf Ansprache (= hyporesponsiv) sowie bläulicher, blasser Haut führen. Dieser Zustand erfordert eine intensiv-medizinische Behandlung. HE betrifft weniger als 1 Kind von 10.000 geimpften Kindern. Der Zustand erfordert medizinische Intensivbetreuung. Langzeitfolgen wurden aber bisher bei keiner der seltenen Nebenwirkungen festgestellt.
-> Ergebnis: Nach der dritten Teilimpfung sind 99 Prozent der geimpften Kinder vor lebensgefährlichen Krankheiten geschützt. Die sehr seltenen schweren Nebenwirkungen sind gut behandelbar, Langzeitschäden sind nicht bekannt.Quelle: https://www.rund-ums-impfen.at/kleinkinder-impfungen/6-fach-impfung/
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Behauptung: „Impfen schützt gar nicht oder nur schlecht“
Es stimmt, dass Impfungen nicht lückenlos schützen, aber die die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken und einen schweren Verlauf zu haben ist ohne Impfungen um ein Vielfaches höher. –
Und natürlich berichtet niemand, über Geimpfte, die sich nicht anstecken.
-> Ergebnis: Impfen schützt in jedem Fall vor schweren Verläufen und in den allermeisten Fällen auch vor der Ansteckung selbst.Quelle: https://impf-dich.org/de/impf-info/allgemein/impfmythen-widerlegt
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) Behauptung: „Impfungen im Säuglings- und Kleinkindalter werden zu früh durchgeführt“
Das empfohlene Impfalter orientiert sich am Risiko des Kindes: Bestimmte Infektionen können bei Säuglingen und Kleinkindern zu einem deutlich schwereren Krankheitsverlauf führen als bei älteren Kindern, zum Beispiel weil die Atemwege bei Säuglingen noch sehr eng sind. Impfungen zum empfohlenen Impfzeitpunkt schützen Säuglinge und Kleinkinder vor Infektionen und möglichen schweren Folgen. Ein Beispiel: Pneumokokken-Impfung z.B, die ab einem Alter von 2 Monaten empfohlen wird, schützt zuverlässig vor der invasiven Pneumokokken-Erkrankung. Das ist eine besonders schwerwiegende Folge der Infektion, die u.a. Hirnhautentzündungen verursachen kann. Insbesondere Kinder in den ersten 2 Lebensjahren haben ein erhöhtes Risiko für die invasive Pneumokokken-Erkrankung.
-> Ergebnis: Impfungen zum empfohlenen schützen Säuglinge und Kleinkinder in Phasen mit besonders hohem Risiko.Quelle: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Impfmythen/Kinderimpfungen.html
Quellen und Links
- Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), Info zu zu Impfstoffen: www.basg.gv.at
- Daniela Angetter-Pfeiffer: Pandemie sei Dank. Wien, 2021 (Info u.a. zur Blatternimpfung)
- Österreichisches Gesundheitsportal, Broschüren zu Impfthemen: www.gesundheit.gv.at
- Österreichische Plattform für gute Gesundheitsinformation, Qualitätskriterien für seriöse Information: www.oepgk.at
Impfstatus feststellen
Was sollen Eltern tun? Zuerst einmal feststellen, wie es um den Immunstatus des Kindes steht. Dazu den Impfpass prüfen oder vom Kinder- bzw. Hausarzt checken lassen. Neuerdings kann man den Impfstatus auch über den elektronischen Impfpass abfragen; für Kinder bis zum Alter von 14 Jahren können das die Eltern tun. Das sollte Dokumentation und überblick in Zukunft erleichtern. Falls bei älteren Kindern Bedenken bezüglich der Vollständigkeit des Impfpasses bestehen, kann ein Bluttest zur Überprüfung des Impfstatus (Titerbestimmung) sinnvoll sein. Dann sieht man genau, bezüglich welcher Immunisierung Handlungsbedarf besteht.
Wovor die Schulimpfungen bewahren
Die Schrecken der Krankheiten, die durch die Impfung in Schach gehalten werden, sind etwas in Vergessenheit geraten, eben weil das Impfprogramm bisher erfolgreich war. Deswegen hier eine kurze Erinnerung:
- Diphtherie ist hochansteckend und führt zu schweren Rachenentzündungen, die die Atemwege so einengen, dass es zu Atemnot und Erstickungsanfällen kommt.
- Tetanus (Wundstarrkrampf) wird durch einen weitverbreiteten Erdkeim verursacht. Jede tiefere Hautverletzung ist gefährlich. Die auftretenden Muskelkrämpfe sind so stark, dass es zu Knochenbrüchen kommen kann. Trotz intensivmedizinischer Behandlung sterben etwa zehn bis zwanzig Prozent der Erkrankten.
- Bei Keuchhusten (Pertussis) kann es durch die zahlreichen Hustenattacken zum Ersticken kommen, bei Säuglingen zum Herzstillstand.
- Kinderlähmung (Polio) verursacht, wie der Name schon sagt, Lähmungen, die eine lebenslange künstliche Beatmung erfordern und im schlimmsten Fall zum Tod führen.
- Hepatitis B kann eine chronische Infektion verursachen, die langfristig Leberveränderungen wie Leberkrebs oder Leberzirrhose zur Folge hat.
- HPV verursacht bei Frauen Gebärmutterhalskrebs, bei beiden Geschlechtern Genitalwarzen, bei Männern Peniskarzinom.
- Unbehandelte (bakterielle) Meningitis-Fälle enden fast immer tödlich, weil die Infektion sehr rasch fortschreitet. Selbst bei Intensivbehandlung sterben zehn Prozent der Erkrankten, weitere zehn bis zwanzig Prozent tragen schwere Behinderungen davon.
Meningokokken
Meningokokken sind selten, aber hochgefährlich. Eine Infektion kann aus voller Gesundheit heraus innerhalb von Stunden zum Tod führen. Kinder im ersten Lebensjahr und Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren sind besonders gefährdet. Impfungen konnten die Erkrankungsfälle in Österreich deutlich senken.
Das kann man ja nicht ahnen: Doz. Dr. Fritsch, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz, klärt auf: „Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung tragen diese Bakterien unbemerkt in sich, ohne zu erkranken. Warum, weiß man nicht.“ Daher wissen die Betroffenen auch selbst nicht, dass sie Träger und überträger sind. Unter Jugendlichen ist die Zahl passiver Träger mit zwanzig Prozent besonders hoch.
„Es kommt daher in dieser Altersgruppe häufiger zum Auftreten von Infektionen, die einen besonders fulminanten Verlauf haben können“, warnt Doz. Fritsch. Denn steckt sich jemand an, der weder geimpft noch immun ist, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.
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Was Meningokokken so gefährlich macht
Meningokokken werden durch Tröpfcheninfektion übertragen und siedeln sich zuerst im Mund-Nasen-Rachenraum an. Können sie die Schleimhautbarriere durchbrechen, verbreiten sie sich rasant im gesamten Körper und besiedeln besonders rasch den vorderen Hirnbereich. Es kommt zu Gehirnhautentzündung und Blutvergiftung, unbehandelt führt die Infektion binnen 24 Stunden zum Tod.
Woran erkennt man eine Meningokokkeninfektion?
- Das Anfangsstadium, die Inkubationszeit, verläuft oft unbemerkt.
- Das nächste Stadium ist durch das Auftreten von plötzlichem hohen Fieber und grippeähnlichen Beschwerden gekennzeichnet.
Doz. Fritsch: „Das bedeutet: Dringendst zum Arzt!“ Allerdings sind die Erreger so aggressiv, dass eine zu spät begonnene Antibiotikatherapie meist nicht mehr greift. Im Falle einer Blutvergiftung (Sepsis) können Antibiotika bereits geschädigtes Gewebe nicht retten, Amputationen sind die Folge.
- Zehn Prozent aller Meningokokkenpatienten sterben trotz Intensivbehandlung,
- weitere zehn bis zwanzig Prozent tragen bleibende Schäden davon: Amputationen, neurologische Schäden, Entwicklungsstörungen, mentale Behinderung, Verlust des Gehörs oder Sehsinns, Krampfleiden (Epilepsie) oder einen Wasserkopf (Hydrocephalus)
Impfen: Ein kleiner Stich mit großer Wirkung!
Vor all diesem Leid bewahrt die Impfung: Es gibt mehrere Meningokokkenstämme (Serogruppen), die weltweit unterschiedlich verteilt sind. Der österreichische Impfplan sieht die Impfung gegen die hierzulande am häufigsten vorkommenden Stämme nach folgendem Zeitschema vor:
- Gegen Meningokokken B wird ab dem 3.
- und gegen Meningokokken C ab dem 12. Lebensmonat geimpft.
- Die Impfung gegen die Serogruppen A, C, W135, Y (Kombinationsimpfung) ist zwischen dem 10. und 13. Geburtstag bzw. als Schulimpfung in der 6. Schulstufe vorgesehen.
Impfungen gegen Meningokokken B und C sind kostenpflichtig.
Schulimpfungen
In Österreich sorgt ein kostenloses staatliches Impfprogramm dafür, dass Kinder vor dreizehn gefährlichen Erregergruppen geschützt werden. Ein Teil dieser Impfungen, wie z.B. gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung, Hepatitis B, HPV und Meningokokken A, C, W, Y, wird üblicherweise im Rahmen von Schulimpfungen durchgeführt. Während der Corona-Pandemie ist dieses System infolge von Schulschließungen und Schichtbetrieb jedoch ins Stocken geraten. Die Zahlen sprechen Bände, berichtet MR Dr. Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer: „Die abgerufenen Impfdosen betragen teilweise nur noch deutlich weniger als die Hälfte des Jahres 2019. Von den bereitgestellten HPV-Dosen sind nur 45%, von den Hepatitis- B-Dosen 40% und von den Meningokokken-Dosen 39% im Vergleich zu 2019 verwendet worden.“ Werden die Durchimpfungsraten nicht erhöht, sind Individualschutz und Herdenimmunität gefährdet.
Mehrfachimpfungen
Wichtige Gründen sprechen dafür – keine dagegen.
Sind Mehrfachimpfungen für das kindliche Immunsystem eine Belastung oder ein Segen? Soll man die Empfehlungen des Impfplans lückenlos befolgen? all4family hat dazu die Expertenmeinung von Prim. Univ.-Prof. Zwiauer von der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften eingeholt, der Mitglied des Nationalen Impfkomitees ist.
So ändern sich die Zeiten: Noch vor einer Generation waren Eltern froh über all die Schutzimpfungen, die ihren Kindern laut Impfplan verabreicht wurden. Heute sind gerade wegen der Impferfolge der vergangenen Jahrzehnte die Erinnerungen an die mitunter fürchterlichen, ja oft tödlichen Folgen von Kinderlähmung, Keuchhusten, Masern oder Mumps schon verblasst und an ihre Stelle sind andere Ängste getreten. So haben viele Eltern die Sorge, dass die modernen Sechsfachimpfungen eine übergroße Belastung für das kindliche Immunsystem darstellen.
Das kindliche Immunsystem
Das kindliche Immunsystem ist schon in den letzten Schwangerschaftswochen voll ausgereift. Prof. Zwiauer: „Es ist bei der Geburt keineswegs unreif, aber sehr wohl unerfahren.“ Das ist ein großer Unterschied! Die Frage ist nur, wie das Immunsystem auf die für das Kind schonendste und effizienteste Weise trainiert werden kann.
„Impfungen haben den großen Vorteil, dass der Kontakt sehr kontrolliert abläuft, anders als bei einer Infektion mit der Wildform der Erkrankung.“ Eine überlastung des kindlichen Immunsystems durch eine Impfung ist nicht möglich. Die Idee einer Impfung ist es ja, dem Immunsystem den Erreger in der geringstmöglichen Dosis vorzustellen, damit es Antikörper bildet und ihn in Zukunft zuverlässig erkennt. „Mit der Impfung gelingt eine Immunisierung nebenwirkungsarm und risikolos, ein Kontakt mit der Wildform ist hingegen unkalkulierbar“, so Zwiauer.
Impfstoffe
Moderne Impfstoffe präsentieren nicht mehr den gesamten Erreger mit all seinen Antigenen, sondern nur noch die gerade erforderliche Menge und nur Teile des Erregers. Ausgeklügelte Transportmechanismen und Hilfsstoffe erlauben eine drastische Verringerung der Antigenanzahl, was die Impfungen verträglicher macht.
Mehr als 25 Antigene werden selbst bei Mehrfachimpfstoffen heute nicht mehr verabreicht. Zum Vergleich: Waren es im Fall der Impfung gegen Keuchhusten zum Beispiel früher ca. 300 Antigene, kommt die moderne Version mit fünf (!) aus. Moderne Mehrfachimpfstoffe sind so niedrig dosiert, dass sie sogar bei einer hundertfach größeren Menge an Antigenen immer noch sicher wären. Bei einem Besuch im Supermarkt, besonders wenn keine Masken getragen werden, ist die Erregerlast zum Beispiel von Erkältungsviren, mit denen das Kind in Kontakt kommt, wesentlich höher als bei einer Impfung – trotzdem passiert nichts Schlimmes.
Prof. Zwiauer: „Infekte sind an sich nichts Schlechtes, das kindliche Immunsystem muss ja Erfahrungen sammeln.“ Das Immunsystem soll stimuliert, aber nicht überwältigt werden. Darüber hinaus gewährleisten neue Herstellungsmethoden reinere Impfseren ohne Spuren tierischer Proteine, auch das macht sie verträglicher.
Timing der Mehrfachimpfungen
Mehrfachimpfungen haben nicht nur den Vorteil, dass man nicht andauernd mit dem Kind zu Impfterminen gehen muss. Wofür man früher 18 (!) Termine brauchte, dafür reichen heute drei. Sie ermöglichen auch ein perfekt abgestimmtes Timing. So weiß man, dass die Gefährdung durch Pneumokokken und Meningokokken für Kleinkinder im ersten Lebensjahr am höchsten ist. Diese Gefahr wird durch die Impfung gebannt. Deswegen warnt Prof. Zwiauer eindringlich vor eigenmächtigen Änderungen der empfohlenen Impfintervalle: „Manche Eltern meinen, ihren Kindern etwas Gutes zu tun, wenn sie die Fristen des Impfplans verändern.“ Solche Abweichungen hält Prof. Zwiauer für gefährlich, da sie weder untersucht noch sinnvoll sind. Um beim Beispiel Pneumokokken zu bleiben: Wer meint, es sei besser, diese Impfung erst im zweiten Lebensjahr durchführen zu lassen, lässt sein Kind gerade in der gefährlichsten Phase ohne Schutz.
- Was sind Antigene?
Stoffe, die das menschliche Immunsystem als „fremd“ erkennt - Welche Kinder dürfen nicht geimpft werden?
Kinder mit Gedeihstörungen und mit wiederholten schweren Infekten, die nicht gut auf Antibiotika ansprechen, so dass Spitalsaufenthalte notwendig werden. - Was sind Pneumokokken?
Pneumokokken sind Bakterien, die Lungenentzündung, Mittelohr- und Nebenhöhlenentzündung verursachen. Für Säuglinge und Kleinkinder sind sie besonders
gefährlich, da ihr Immunsystem noch nicht in der Lage ist, die Infektion abzuwehren. Bei ihnen kann eine Pneumokokkeninfektion zu schweren invasiven Erkrankungen, wie z.B. Blutvergiftung oder Gehirnhautentzündung, führen, die mit lebenslangen Behinderungen einhergehen können.
Deswegen ist die Pneumokokkenimpfung Teil des kostenfreien Kinderimpfkonzepts.
Autor:in:
Zur Person: Mag. Elisabeth Sorantin hat Sprach- und Literaturwissenschaften studiert und sich vor allem auf die Vermittlung von komplexen Sachverhalten in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Aktuelle Artikel