In Karenz gehen oder nicht? Klar, diese Entscheidung muss jeder Vater für sich treffen. Dabei lohnt es sich aber, einen Blick über den Tellerrand zu werfen und zu fragen: Wie geht es anderen mit ihrer Entscheidung? COOL DAD hat sie gefunden, die Vollzeitväter, die das Kind schaukeln … und das länger als zwei Monate!
EIN GEMEINSAMES JAHR?
Andreas, 38, ist Angestellter in der Immobilienentwicklung und seit neun Monaten bei Töchterchen Philippa in Karenz: „Meine Frau ist als Kleidermacherin mit eigenem Atelier selbstständig. Damit das Werk rennt, konnte sie nicht lange zu Hause bleiben. Ich beziehe für zwölf Monate das einkommensabhängige Kindergeld. Seit dem Mutterschutz ist meine Frau wieder Vollzeit in ihrer Verkaufswerkstatt, Abpumpen inklusive. Jetzt haben wir aber abgestillt! Ein-, zweimal in der Woche besuchen wir die Mama im Atelier, dann können die beiden scherzen und ein bisschen kuscheln.
Mein Chef war von Anfang an sehr unterstützend, ebenso wie die Kollegen, und das, obwohl wir eine kleine Firma mit zehn Mitarbeitern sind. Ein paar meiner Aufgaben wurden aufgeteilt, andere Gebiete ausgelagert. Ich bin telefonisch für Nachfragen erreichbar, und einmal pro Woche gehe ich für ein paar Stunden in die Firma, um Kontakt zu halten. Dann schaut die Oma auf unsere Tochter.
Anfangs war ich sehr nervös: „Was mache ich, wenn die Kleine zu weinen beginnt und ich sie nicht beruhigen kann? Ich hab ja keinen Busen!“ Doch meine Befürchtungen haben sich nicht bestätigt. Wir sind ein wunderbares Team. In der ersten Zeit waren wir viel zu Hause, und ich bin etwas „vereinsamt“. Doch mittlerweile sind wir mit anderen Müttern, mit Freunden und deren Kindern unterwegs oder besuchen Oma und Opa.
Den Haushalt nehme ich nicht so genau, ich verbringe lieber qualitative Zeit mit Philippa. In die Rolle als Vater und Hausmann zu finden und sich weiterhin als Mann zu fühlen war nicht so leicht. Meine Frau und ich haben gescherzt: „Jetzt fange ich gleich zu stricken an.“ Meine Tipps für Neo-Papas: Sich die gemeinsame Zeit nicht entgehen lassen! Außerdem nicht zu viel lesen, sondern Vertrauen haben und einfach tun.“
Karenz trotz Hindernissen?
Alex, 35 Jahre, Angestellter in der Werbebranche, war zwischen dem Wechsel von einem Job zum anderen für drei Monate in Karenz bei Sohn Ferdinand, damals acht bis zehn Monate alt:
„Ich bin ein Familienmensch und wäre gern von Geburt an länger zu Hause geblieben, aber mein damaliger Chef hat mir nur eine Woche Urlaub gewährt. Die Karenz wurde mir auch madig gemacht. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht und ich habe gekündigt. Während der Kündigungszeit war ich in Karenz und habe einen neuen Job gesucht. Meine Frau arbeitete währenddessen 30 Stunden pro Woche.
Sehr viele Freunde in meinem Herkunftsland Deutschland waren in Elternzeit und haben davon geschwärmt. In großen Firmen mit familienfreundlicher Kultur haben sie durchwegs gute Erfahrungen – auch mit einem halben Jahr Karenz oder länger – gemacht. Wenn die Mitarbeiter prinzipiell geschätzt werden, werden sie auch bei der Berufsauszeit unterstützt. Ein Bekannter wurde in einem Automobilkonzern ein Dreivierteljahr nach der Elternzeit befördert.
Für mich war die Karenz sehr spannend und bereichernd. Ich hatte mir zum Beispiel vorgenommen, jeden zweiten Tag mit dem Sohnemann joggen zu gehen. Dazu kam es dann nicht wirklich. Es ist immer viel mehr zu tun als man glaubt: einkaufen gehen, Haushalt, alles herumschleppen, die viele Logistik mit einem Baby! Ich war auch im PEKIP-Kurs und beim Babyschwimmen, hab also das klassische Mama-Kind-Programm gemacht.
Der Perspektivenwechsel war wichtig, um die Nöte und Erlebnisse des anderen zu verstehen. Meine Frau war froh, wieder Erwachsenengespräche in der Arbeit zu führen; aber sie begriff dann auch, was es heißt, sich in der Früh vom Kind zu verabschieden und loszulassen – und ich, was es bedeutet, sich den ganzen Tag allein um ein Baby zu kümmern! Ein, zwei Monate sind nett, wirklich wichtig war aber der dritte Monat, da wächst man so richtig rein und zusammen.“
Karenzarrangements: So bunt wie das Leben
Bei Softwareentwickler Tom, 35, war die Ausgangslage ähnlich wie bei Alex.
Der Firmeninhaber zeigte keinerlei Verständnis für den Wunsch nach Karenz. Da Tom sich in der Firma ohnehin keine Karrierechancen ausrechnete, stellte er seinen Vorgesetzten vor vollendete Tatsachen. Während der dreimonatigen Karenz arbeitete seine Frau Teilzeit, er beendete sein Masterstudium. Mit seiner Qualifikation, so wusste er, würde er leicht einen neuen Job finden. „Beruflich konnte ich mir die Karenz leisten, finanziell wollten wir sie uns leisten.“ Da in seiner neuen Firma die Mitarbeiter sehr geschätzt werden, rechnet er sich gute Chancen aus, beim zweiten Kind in beiderseitigem Einvernehmen in Karenz gehen zu können.
Bernhard, 36, und seine Frau werden bei Kind Nummer zwei die Karenz von 14 Monaten zu gleichen Teilen übernehmen, was vom Staat mit einem Partnerbonus von 1.000 Euro belohnt wird. Bernhard plant, bei Projekten im Vorfeld keine zentrale Rolle zu übernehmen, damit diese auch ohne ihn gut weiterlaufen. In seiner Firma – er arbeitet in der Pharmazulieferbranche – gibt es bereits Väter, die zwischen vier und sechs Monaten in Karenz waren; die Vorgesetzten sind aufgeschlossen. Bernhards Frau, erfolgreiche Rechtsanwältin in einer Großkanzlei, wird nach sieben Monaten wieder in ihren Beruf einsteigen.
Es gibt sie also, die Vollzeitpapas! Mal mussten sie dafür kämpfen, mal wurden sie von ihrer Arbeitswelt unterstützt. So bunt wie das Leben sind auch die Karenzarrangements.
Autor:in:
Dr. Doris Rosenlechner-Urbanek
Zur Person: Dr. Doris Rosenlechner-Urbanek lebt und arbeitet in Salzburg als Sozialwissenschaftlerin und freie Redakteurin. Aktuelle Artikel