Die junge glückliche Mutter antwortet stolz: „Nein, die gute Farbe hat er von seinem Papa““ Mit einem fragenden Blick auf die blonde, hellhäutige Henriette zieht die Dame sprachlos weiter…
Solche und ähnliche Begebenheiten sind Alltag für Österreicherinnen, die mit Männern aus afrikanischen oder asiatischen Kulturkreisen verheiratet sind.
Mit welchen alltäglichen Fragen muss man kämpfen?
„Die meisten fragen zuerst, ob ich meine beiden Söhne, Joel (5) und Manoah (3) adoptiert habe. Dass ich mit dem Vater der Kinder in einer aufrechten Beziehung lebe, das glauben mir die wenigsten“, erzählt Henriette aus ihrem Leben. Doch solche Fragen sind schon alltäglich für sie und ihre Söhne, die sich mit zunehmendem Alter immer öfter fragen, warum „die Leute immer so komische Dinge über uns wissen wollen?“ Henriette bemüht sich, Manoah und vor allem dem sehr aufgeweckten und wissbegierigen Joel mit vorsichtigen Worten zu erklären, dass es verschiedene Rassen und Hautfarben gibt und, dass manche Menschen einfach zu wenig über andere Länder und andere Rassen wissen und daher unsicher reagieren, wenn sie auf einen Menschen treffen, der nicht so aussieht wie sie.
Welche Antworten den Kindern geben?
Am meisten stören die junge Mutter bei Straßenbahnstationen und auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln an die Wand und die Sitze gekritzelte Hasstiraden auf Afrikaner: „Mama, was heißt Drogen-asyl-neger?“ buchstabierte etwa neulich der dunkellockige Joel, der bereits als Vorschulkind lesen gelernt hat. Bei anderen Gelegenheiten riefen angetrunkene Männer: „Nigger raus“ oder einige Bemerkungen, die nicht in eine Familienzeitschrift passen, den beiden Buben nach. Seit Henriette Mutter von zwei dunkelhäutigen Buben ist, möchte sie auch das Lied „Zehn kleine Negerlein“ nicht mehr hören. Wie sollte sie Joel erklären, warum am Ende des Liedes alle afrikanischen Kinder auf mysteriöse Weise eliminiert wurden? Erleichtert hat die junge Mutter allerdings festgestellt, dass es die Schokolade „Negerbrot“ kaum noch zu kaufen gibt und „Möhrenköpfe“ immer öfter „Schokoküsse“ heißen. Bliebe nur noch der „Mohr im Hemd“, den man doch auch Minigugelhupf nennen könnte…
Diskriminierung?
Barbara, die mit einem Kenianer verheiratet ist und zwei sehr dunkelhäutige, herzige Mädchen mit Prachtlocken hat, um die sie jede Österreicherin beneidet, erfuhr in den ersten Lebensjahren ihrer Mädchen keine Ausgrenzung. Gerne wurden ihre beiden Hübschen sogar als Katalogmodel gebucht. Seit einiger Zeit aber, bleiben die Angebote aus und ebenso die freundlichen Worte von Passanten. Die Agenturchefin und gute Bekannte Barbaras glaubt den Grund dafür zu kennen: „Braune Babys findet jeder süß, aber dunkelhäutige Teenies sind nicht so hübsch in den europäischen Augen“.
Als Studentin hat Sula, heute 29, oft als Model gejobbt. Die dunkelhäutige Schönheit hat einen sudanesischen Vater und eine deutsche Mutter. Sie hat Rassismus als Kind und Jugendliche in ihrer behüteten Umgebung in den internationalen Schulen, die sie besucht hat, im Gegensatz zu anderen Mischkindern nicht erlebt, wohl aber heute als angehende Medizinerin. „Geh, Negerfrau, mein Bettnachbar hat sich übergeben. Wisch das da weg!“ hat die Turnusärztin nicht nur einmal gehört, seitdem sie im Spital arbeitet. Dass sie eine „Frau Doktor“ ist und für die Diagnostik und Behandlung zuständig ist, glauben die wenigsten Patienten. Nicht dass Sula sich für andere Arbeit zu gut vorkäme, aber sie ärgert sich doch, dass „dunkelhäutig“ immer mit „Hilfsarbeit“ in Verbindung gebracht wird.
Wie geht man mit der ungewissen Zukunft um?
Diese Erfahrung machte nicht nur Sula. Auch Henriette erlebt dieses Vorurteil in diesen Tagen ganz hautnah. Ihr Mann Ntambwe, kurz Uli, genannt, Vater von Joel und Manoah, studierter Wirtschaftsinformatiker konnte trotz seiner Mehrsprachigkeit und seines Bildungsstandes keine adäquate Stelle in Österreich finden. Freilich bekam Uli Jobangebote als Küchenhilfe oder für Botendienste. Seine einheimischen Kollegen, aber auch jene aus dem asiatischen Raum, haben bereits alle eine akademikergerechte Anstellung gefunden, nicht so Uli, der immer wieder als „Drogenhändler“ oder „Arbeitsscheuer“ verdächtigt wurde, obwohl er sein Studium in Paris und Wien absolviert hat! Für die Familie von Henriette und Uli gibt es nur einen Ausweg: Auswandern. Uli lebt und arbeitet seit ein paar Monaten in Dublin. Henriette und die Kinder werden ihm in wenigen Wochen folgen. Gerne lässt die gelernte Grafikerin ihre Heimat, ihre Freunde, ihre Familie nicht zurück, doch welche Zukunft gibt es für sie und Uli und die Kinder hier in Österreich, wenn jahrelange Arbeitssuche vergebens war?
Der afrikanische medizinisch-technische Assistent Nathan, verheiratet mit einer Europäerin, und Vater dreier Kinder muss quer durch die Stadt zu seiner Arbeitsstelle, einem Therapiezentrum, fahren. In seinem Wohnbezirk wurde er von allen medizinischen Einrichtungen mit der Begründung abgelehnt: „Die Bevölkerung hier möchte nicht von einer schwarzen Hand berührt werden!“
Verunsichert all dies die Kinder?
Diese und ähnliche Erfahrungen verunsichern gemischtrassige Kinder sehr. Rassistische Bemerkungen und Handlungen anderer verunsichern und tragen dazu bei, dass betroffene Kinder in ernstliche Identitätskrisen fallen.
Leonard, der achtjährige Sohn der Österreicherin Monika und des Nigerianers Leo, fragt seine Mutter oft: „Wer bin ich eigentlich? Ich schaue aus wie der Papa, also wie ein Afrikaner, aber ich rede wie du und Oma und Opa, und bin ein richtiger Österreicher!“ Dass gemischtrassige Kinder diese Fragen stellen, ist normal und natürlich. Sie befinden sich durch den Mix der beiden Kulturen in einer besonderen Situation. Ob dies zum Problem oder aber zur Chance wird, hängt von den weiteren Lebenserfahrungen ab.
Bekommt das gemischtrassige Kind immer wieder zu hören oder spüren, dass „schwarz minderwertig oder hässlich“ ist, dann wird es das mit der Zeit glauben. Henriette ist überzeugt, dass sie als Mutter eine große Verantwortung diesbezüglich hat. Henriette liebt ihren Mann von ganzen Herzen und hatte nie den Gedanken, es wäre leichter oder besser mit einem Österreicher verheiratet zu sein. Diese Sicherheit vermittelt auch ihren Kindern, dass es sehr gut ist, so wie es ist.
Anders ist die Sachlage, wenn die Beziehung zum Kindesvater nicht so stabil, die Liebe erkaltet oder die Beziehung zerbrochen ist. Wenn letzteres der Fall ist, steigen neben den üblichen Hassgefühlen auf den Partner auch manchmal noch Ablehnung gegen alle Angehörigen der Rasse des Ex auf. Dies bekommt das Kind, das ohnehin zwischen zwei Kulturen steht, deutlich zu spüren. Zudem ist es für das Kind, das eine andere Hautfarbe als die Mutter hat, aber ohne den Identitätspart, in diesem Fall den dunkelhäutigen Vater, leben muss, unheimlich schwierig zur Selbstannahme zu finden!
Wie wichtig ist es, die Kultur näher zu bringen?
Grundsätzlich braucht jedes Kind Vater und Mutter für eine gesunde Entwicklung, bei gemischtrassigen Kindern ist dies noch wichtiger. Anna (40) konnte die Beziehung zum Vater ihrer heute 12-jährigen Tochter wegen dessen Gewalttätigkeit nicht aufrechterhalten. So schwer es ihr fällt, denn sie überkommen oft negative Gefühle, wenn sie auf der Straße einen Landsmann ihres Ex sieht, bemüht sie sich gewisse Kontakte zur Kultur von Annas Vater herzustellen. Manchmal geht sie mit ihrer Tochter Sarah in ein afrikanisches Restaurant oder in eine Ausstellung, die afrikanische Kunst zeigt. Einige Bücher über das Heimatland ihres Vaters hat Sarah auch schon gelesen. Wenn sie volljährig ist, möchte sie ihren Vater, der inzwischen als Universitätsprofessor wieder in seiner Heimat lebt, in Afrika besuchen. Wie sich Sarahs Pubertätsjahre entwickeln, davor hat Anna manchmal Sorge, aber sie möchte zumindest mit einer relativ positiven Einstellung Sarah den Weg nicht unnötig schwer machen.
Schwierige Kindheit?
Susanna hat ihre Pubertätsjahre als schwierig erlebt. Ihre Mutter ist Schwarzafrikanerin, der Vater Europäer – eine umgekehrte Situation also. Der Vater hat die Familie schon lange verlassen und lebt nun mit seiner österreichischen Frau und zwei Halbgeschwistern von Susanna in derselben Stadt. Susanna wurde oft verspottet und in der Schulklasse ausgegrenzt. Das intelligente Mädchen musste sogar mehrmals in psychiatrische Behandlung, weil sie das Abgelehnt sein verständlicherweise seelisch krank machte. Erst in der Oberstufe des Gymnasiums fand sie eine Freundin, die Susanna nicht nur so mochte wie sie war, sondern sie auch grenzenlos für ihre afrikanische Herkunft bewunderte und alles über das Land des Vaters ihrer besten Freundin wissen wollte! Das war ein neuer Aufschwung im Leben Susannas! Indem sie ihrer Freundin die afrikanische Kultur näher brachte, entdeckte sie selber die Schönheiten dieses Kontinents und schloss Frieden mit ihrer Herkunft.
Gerade dieses Kennen lernen der Kultur des nicht aus Europa stammenden Elternteiles ist für das gemischtrassige Kind von großer Bedeutung. Fragt sich doch jedes der bereits äußerlich als nicht einheimisch identifizierten Kinder irgendwann einmal im Leben: „Warum ist mein Vater/meine Mutter andersfarbig oder von anderem Aussehen als die meisten anderen Menschen in unserem Land und warum kann ich nicht so sein wie die anderen Kinder in meiner Schulklasse und in meinem Freundeskreis?“ Gewöhnlich ist es so, dass die Familie sich den kulturellen Bräuchen des Landes, in dem sie wohnen, anpassen. Vor allem wenn die Mütter Europäerinnen sind, kleiden, ernähren und erziehen sie die Kinder in diesem Stil! Dadurch kommt es zwangsläufig zu Konflikten mit dem andersrassigen Partner, wenn dieser nicht auch schon den Schritt in die europäische Kultur in seinem Denken und Handeln gewagt hat. Meist geschieht dies aber erst in der zweiten Generation.
Kinder, die zwar gemischtrassig aussehen, deren „ausländischer“ Elternteil aber bereits in Österreich geboren und aufgewachsen ist, erleben ihre Kindheit meist ganz anders als gemischtrassige Kinder erster Generation. Europa wächst in dieses Stadium erst langsam hinein, in den USA ist Integration oft leichter, allerdings ist Rassismus ein weltweites Problem.
Wie kann man um Gleichberechtigung kämpfen?
Gleichbehandlungsanwälte stehen auch in Österreich Betroffenen zur Verfügung. Diese schreiten ein, wenn Schlechterstellung gewisser Personen auf Grund ihrer ethnischen Herkunft (Hautfarbe, äußerliche Charakteristika, kultureller Hintergrund) passiert. Dies deckt den rechtlichen Rahmen gemischtrassiger Familien ab. Für die soziale und persönliche Ebene der Gleichbehandlung ist jeder verantwortlich, der Kindern aus gemischtrassigen Familien begegnet. In vielen Schulklassen gibt es Kinder mit bikulturellem Hintergrund. Beobachten Eltern, dass gemischtrassige Klassenkollegen ihrer Kinder ausgegrenzt oder abgelehnt werden, ist es höchste Zeit für ein aufklärendes Gespräch mit dem eigenen Nachwuchs. Oft hilft es, dieses Kind einzuladen und von der Kultur des ausländischen Elternteils erzählen zu lassen. Eine Volksschullehrerin, die Rassismus in den Köpfen ihrer Schüler (und deren Eltern) wahrnahm, veranstaltete ein „Internationales Fest“, an dem die gemischtrassigen Familien sich in der Tracht ihres Landes kleideten und für ein Buffet Spezialitäten aus dem jeweiligen Land beisteuerten. Bei diesem sehr gelungenen Fest waren die gemischtrassigen Kinder die „Stars“ und die österreichischen Mitschüler so begeistert, dass sie sich ernstlich fragten, warum sie selber solche „Bleichgesichter“ wären und Eltern ohne aufregende Herkunft hätten – so wie beinahe alle anderen Leute – wie langweilig!
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Zur Person DI Roswitha Wurm Dipl. Legasthenie-, Dyskalkulie- und Lerntrainerin, Buchautorin und freie Redakteurin, (Sport)mentaltrainerin https://lesenmitkindern.at/ Aktuelle Artikel