Eigentlich hatte ich gedacht, wenn die Kinder in die Schule kommen, sind sie aus dem Gröbsten heraus. Dann bleibt wieder mehr Zeit für Beruf, Hobbys etc. So kann man sich täuschen. Zwar sind die Kids vielleicht wirklich dem Gröbsten entwachsen, dafür sind wir Mütter jetzt erst so richtig drinnen … im Groben. Möglicherweise werde ich meinen Job kündigen müssen, um den Anforderungen des Schulalltags meines Sohnes gerecht zu werden.
Mit den Kindern Schultüten basteln?
Das kollektiv-fröhliche Basteln der Schultüten im Kindergarten stellte schon ein drohendes Vorzeichen dar. Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass die süßen Kleinen ihre Tüten persönlich basteln und wir Erwachsene sie dann nur mit schadstofffreiem Biokleber, naturbelassenen Radiergummis und unnatürlich klebendem Süßkram auffüllen müssten, aber nein. Nach einem konspirativen Abend im Kindergarten, meine 1,80 Meter zusammengeklappt auf einem winzigen Stühlchen, bin ich um zwei Krampfadern an den verknoteten Beinen und drei Brandblasen an den Fingern von der Heißklebe-Pistole reicher, aber es hat sich gelohnt. Mein sechsjähriger Sohn betrachtet mein Schultüten-Epos mit Meeresmotiven mit so mitleidvollem Blick, dass er mich garantiert nie mehr zu gemeinsamen Bastelprojekten auffordern wird. Also, das Unding noch schnell in die Altpapiertonne getreten und schnöde eine neue im Geschäft gekauft – wohin es die anderen Mütter des Kindergartenabends dann wohl auch noch verschlagen hat. Am ersten Schultag kann ich nämlich keine einzige der selbstgebastelten Monstren mehr ausnehmen…
Aber das war nur ein kleiner Vorgeschmack. Die erste Schulwoche vergeht ohne jede Nachmittagsbetreuung für die kleinen Taferlklassler, also noch schnell und spontan, wie ich halt so bin, eine Woche Urlaub beantragt. Langweilig wird mir in der Zeit aber trotzdem nicht. Schließlich gilt es eine Einkaufsliste an Schulutensilien in der Länge einer Klorolle abzuarbeiten. Ganz moderne Mutter, erledige ich das gemütlich auf der Couch liegend, per Amazon-Bestellung. Leider goutiert die Lehrerin die anschließenden Lieferprobleme von DHL und Post gar nicht und hinterlässt mahnende Nachrichten im Mitteilungsheft. Nicht auszudenken, wenn mein Sohn die Ölkreiden erst in der zweiten Schulwoche benützen könnte, das würde das gesamte pädagogische Konzept in den Grundfesten erschüttern. Also stürme ich ganz „old schooled“ in das Papierfachgeschäft und kaufe den ganzen Kram ein zweites Mal. Die nächsten Tage verbringe ich damit, die einzelnen bestellten Artikel von den diversen Botendienst-Lagern einzusammeln … Die Ölkreiden bringt mein Sohn übrigens am Ende des Schuljahres originalverpackt wieder mit nach Hause …
Wie bindet man die Schulbücher ein?
Bei dem an sich völlig sinnlosen Einbinden der Schulbücher mit selbstklebender Plastikfolie handelt sich es um einen althergebrachten Initiationsritus für Eltern von Schulanfängern. Dabei gilt es, die Folie in der richtigen Größe zuzuschneiden, um sie dann möglichst faltenfrei irgendwie auf die Buchumschläge zu applizieren. Die Kunst liegt im Irgendwie und schon zum dritten Mal in Serie falle ich bei dieser Prüfung durch. Das Ergebnis meiner Bemühungen gleicht einem jungen Faltengebirge in Alpengröße, dekoriert durch mitgeklebte Haare, die ich mir vorher ausgerauft habe. Die Lehrerin schreibt mir ein „Sauberer Arbeiten“ ins Mitteilungsheft.
Was passiert beim Elternabend?
Als ich, obwohl pünktlich, als Letzte zum ersten Elternabend komme und mich gemütlich auf ein Zwergensesselchen in der letzten Reihe platziere, erfahre ich aus dem Mund der Lehrerin, die halb so alt ist wie mein erstgeborener Sohn, wahrhaft Atemberaubendes: Für das erste Schuljahr sollten die Eltern während der Hausübung schon neben dem Kind sitzen bleiben, um den Lernfortschritt persönlich zu überwachen. Echt jetzt? Vielleicht könnte ich die Hausübung lieber gleich selbst schreiben, das würde meinem Sohn und mir wirklich Nerven sparen. Auf meinen Einwand, dass die Hausübung doch eigentlich dem selbstständigen üben diene und überhaupt … dreißig empörte Augenpaare richten sich auf mich und ich bin froh, dass ich wenigstens mit dem Rücken zur Wand sitze. Na gut, in Zukunft besser ruhig sein.
Als die Rede auf die „gesunde Jause“ kommt, werde ich allerdings wieder munter. Vor meinem geistigen Auge erwacht das Bild einer Gruppe von Kindergartenkindern, die lustlos in einem Birchermüsli herumgatschen, das ich liebevoll aus Getreideflocken aus biologisch-dynamischen Anbau, glücklichen Bananen und gartenfrischen Himbeeren, garantiert ohne künstlichen Zuckerzusatz, um fünf Uhr morgens zubereitet hatte und das die Erzieherin jetzt, etwas peinlich berührt, ins Klo kippt. „Ich“, rufe ich also laut heraus, als die Lehrerin fragt, wer etwas dagegen habe, wenn wir eine wöchentliche gesunde Jause veranstalten. Wieder blicken mich dreißig Augenpaare entgeistert an. Offenbar lieben es alle Mütter außer mir, für eine ganze Schulklasse, noch vor der Arbeit, eine bekömmliche Jause herzurichten. Die Lehrerin ermahnt mich: „Aufzeigen bitte!“, und ich werde demokratisch überstimmt. Ich beschließe, das Ganze subversiver anzugehen und trage mich während der Pfingstferien als Jausenlieferantin ein.
Immerhin ist es mir überzeugend gelungen, mich als Rabenmutter und Asoziale in der Elterngemeinschaft zu positionieren und so ignoriere ich gleich auch die herumgereichten Listen, in denen man sich als Begleitperson für außerschulische Aktivitäten eintragen kann. Vielmehr versuche ich eine letzte Urlaubswoche zu retten, denn immerhin muss ich ohnehin zusammengerechnete neun Wochen pro Jahr, in denen keinerlei Kinderbetreuung stattfindet, überbrücken …
Wann ist das alles vorbei?
„Schon in vierzehn Jahren sind alle unsere Kinder aus der Schule, dann sind wir wieder freie Menschen“, tröstet mich mein Mann und ich bin fast beruhigt. Tage später erfahre ich aus einer Zeitungsnotiz, dass die Universität Graz jetzt Informationsabende für die Eltern von Erstsemestrigen eingeführt hat. Kalter Schweiß tritt mir auf die Stirn und ich habe eine Vision: Ich stehe in einer Großküche und bereite gesunde Jause für das gesamte Auditorium Maximum zu!
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Zur Person: Eva Sorantin ist Chefredakteurin von all4family & NEW MOM, Mutter von vier Kindern und beruflich schon seit über 20 Jahren in der Verlagsbranche im Bereich Familienmedien tätig. Wenn…