Tipps von Zyklusmentorin Nicole Luger-Göttl
Nie wieder vom Menstruationszyklus beherrscht werden, stattdessen ungeahnte Power entfesseln? Klingt nach einem Science-Fiction-Märchen? Keineswegs! Zyklusmentorin Nicole Luger-Göttl hat all4family den Superheldinnencodex für jede Periode verraten.
Weltweit menstruieren 1,9 Milliarden Menschen. Ohne Menstruation gäbe es keine Fortpflanzung und damit kein Leben. „Dennoch wird die Monatsblutung oftmals als mentale und physische Bürde wahrgenommen und schambehaftet erlebt“, macht Zyklusmentorin Nicole Luger-Göttl deutlich.
Nur etwa 13% aller Frauen haben Zyklen, die literaturadäquat 28 Tage dauern. Die Zykluslänge kann zwischen 21 und 38 Tagen variieren, eine Regelmäßigkeit sollte jedoch gegeben sein. Plötzlich ungewohnt kurze oder lange Perioden oder außergewöhnliche Sturzblutungen, aufgrund derer man alle ein bis zwei Stunden einen großen Tampon wechseln muss, sollten unbedingt medizinisch abgeklärt werden.
Die 39 Jahre junge Wienerin hat fast zwei Jahrzehnte lang unter PMS (Prämenstruelles Syndrom) gelitten, bis sie einen passenden Zugang gefunden hat. „Heute ist mein Zyklus meine Superpower. Ich freue mich jeden Monat aufs Neue, alle Phasen zu erleben“, so Luger-Göttl.
WAS IST PMS?
Das Prämenstruelle Syndrom äußert sich durch zyklisch wiederkehrende Beschwerden während der Lutealphase. Die häufigsten Symptome sind schnelle Reizbarkeit, Angstzustände, Wutanfälle, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, Depressionen oder starke Müdigkeit. Physisch können sich Betroffene aufgebläht fühlen, vorübergehend an Gewicht zunehmen und unreine Haut bekommen. Auch Unterleibs- oder Rückenschmerzen, Migräneanfälle und schmerzende Brüste sind häufige Symptome.
Wie das jeder Frau gelingen kann? Dazu muss sie den Superheldinnencodex verstehen, besser bekannt als das Zyklusrad. Der Monatszyklus der Frau lässt sich mithilfe der vier Jahreszeiten veranschaulichen; dadurch wird er nicht nur besser verständlich, sondern es offenbaren sich auch die periodisch abwechselnden Superkräfte.
Das Zyklusrad
Zyklusphasen als Jahreszeiten
Phase 1: Menstruation
Der Winter – die schwarze Phase
Dauer: 3–8 Tage
Das Hormonlevel sinkt, die Gebärmutterschleimhaut, der Follikel und die Eizelle werden abgebaut, die Blutung beginnt.
Superpower: Selbstreflektiert. Ideenstark.
Das tut dir gut: Ruhe. Pausen. Rückzug.
Phase 2: Follikelphase
Der Frühling – die weiße Phase
Dauer: 10–14 Tage
Eizellen und Follikel beginnen zu wachsen, der Östrogenspiegel steigt.
Superpower: Leistungsfähig. Gelassen.
Das tut dir gut: Neues ausprobieren. Spaß haben.
Phase 3: Eisprung
Der Sommer – die rote Phase
Dauer: 3–6 Tage<
Luteinisierendes Hormon und Östrogen erreichen ihren Konzentrationshöhepunkt. Sobald die Eizelle gereift ist, ist sie zwölf bis höchstens 24 Stunden befruchtungsfähig.
Nice to know: Spermienzellen überleben in der Vagina oder im Eileiter bis zu fünf Tagen.
Superpower: Selbstbewusst. Überzeugungskräftig.
Das tut dir gut: Mach jetzt alles, wofür du so richtig Power und Energie brauchst
Phase 4: Lutealphase
Der Herbst – die violette Phase
Dauer: 10–16 Tage
Der Follikel wird zum Gelbkörperhormon abgebaut, der Östrogenspiegel sinkt. Dieses Gegenspiel kann zu PMS-Symptomen führen.
Superpower: Du weißt, was du willst.
Das tut dir gut: Schreibe deine Gedanken und Gefühle auf.
Die Zyklusphasen als Jahreszeiten
Winter
Jeder Zyklus beginnt mit der Menstruation, der sogenannten schwarzen Phase, die auch als Winter bezeichnet wird.
Der Name ist Programm: In dieser Zeit besinnt man sich auf Ruhe, Rückzug ist angesagt. „Wie ein Bär im Winterschlaf. Frauen reflektieren nun viel. Diese Selbstreflexion kann man als machtvolles Tool einsetzen. Manches im Leben wird einem erst jetzt bewusst.“ Wer dieses Credo beherzigt, schöpft wertvolle Erkenntnisse für den privaten oder beruflichen Weg und tankt Kraft, die das Risiko von Schmerzen und Unwohlsein im weiteren Zyklus reduzieren kann.
Frühling
Nach dem Winter folgt die weiße Phase – der Frühling.
In dieser Zeit beginnen die Eizellen zu reifen und der eigene Körper erblüht, ähnlich wie Frühlingsblumen. Die Leistungsfähigkeit steigt, man hat Lust, Neues auszuprobieren, und fühlt sich ausgeglichen. „Diese Momente können zum Planen genützt werden. Mit kühlem Kopf kann Neues in die Wege geleitet werden. Aber auch besonders unangenehme Termine, wie für manche das Essen mit der Schwiegermutter, Gehaltsverhandlungen oder ein Gespräch mit dem Ex-Mann, sind gut in dieser Zyklusphase einzuplanen“, so die wertvollen Tipps von Luger-Göttl.
Übrigens: Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge sind Frauen während der weißen Phase den Männern in Bezug auf ihr Verhalten am ähnlichsten. Luger-Göttl formuliert es mit einem Augenzwinkern: „Vermutlich genau der Grund dafür, weshalb diese Phase von den meisten Frauen als angenehm empfunden wird. Endlich passen wir in diese männliche Leistungsgesellschaft.“
Sommer
Danach folgt die für Superheldinnen potenziell kraftvollste Zeit – der Sommer bzw. die rote Phase.
Der Körper ist vollgepumpt mit Hormonen wie Östrogen und luteinisierendem Hormon, der Eisprung macht sich bemerkbar. Die Superkräfte lauten Selbstbewusstsein, Überzeugungskraft und Leistungsfähigkeit. Ergänzt werden diese Skills durch den Wunsch nach Geselligkeit und der Lust darauf, sich selbst Gutes zu tun.
„Wenn es sich terminlich einrichten lässt, ist die rote Phase genau der richtige Zeitpunkt für ein Vorstellungsgespräch, eine Business-Präsentation, den Marathonlauf oder eine Party mit Freundinnen“, erklärt Luger-Göttl.
Herbst
Beendet wird der Zyklus mit dem Herbst, der violetten und oftmals am wenigsten geschätzten Phase.
Der Follikel und die Eizelle werden zum Gelbkörperhormon abgebaut, dem Progesteron. Gleichzeitig sinkt der Östrogenspiegel. Dieses Gegenspiel macht es der Gefühlswelt nicht gerade einfach. Wer den Herbst jedoch richtig (er)lebt, kann aus ihm die größte Energie schöpfen. Er ist die Zeit der Kriegerin, die nicht gegen etwas oder jemanden ankämpft, sondern für sich selbst in den Krieg zieht und ihre Bedürfnisse deutlich erkennt. Jetzt wissen Frauen, was sie wollen.
Luger-Göttl: „Das kann manchmal aufwühlend sein und die Gefühle ins Chaos stürzen.“ Das Gehirn funktioniert nicht ausschließlich objektiv. Manchmal tendiert man dazu, voreilig, hormongetrieben und ohne Rücksicht auf die Konsequenzen Änderungen bewirken zu wollen. Ratschlag der Zyklusmentorin: „Wichtige Entscheidungen nicht vorschnell in der violetten Phase treffen. Lieber in den anderen Phasen nochmals durchleuchten.“
Das Kryptonit der Frauen
Das Zyklusrad, oder, wie all4family es nennt, der Superheldinnencodex ist ein wertvoller Wegweiser, der zu verstehen hilft, wann welche Superpower zur Verfügung stehen könnte. Wie alle SuperheldInnen müssen aber auch Frauen im Umgang mit ihren Schwächen geübt sein – jede hat ihre ganz eigenen „Kryptonit-Stolpersteine“.
- Bei vielen führt eine unzureichende Nährstoffversorgung zu einer Verstärkung der Periodenbeschwerden.
- Besonders Magnesium, Eisen, Vitamine aus der B-Gruppe oder Vitamin D können vom medizinischen Soll abweichen.
- Regelmäßige Blutbilder schaffen hier Klarheit.
Zyklustagebuch
Besonders aber kann das Führen eines Zyklustagebuchs dabei helfen, die Bedürfnisse des Körpers gezielt zu erkennen. Dazu macht man sich am Ende jedes Tages ein paar Notizen darüber, was man gegessen und getrunken hat und wie man meint, dass man sich danach gefühlt hat.
Außerdem kann man skizzieren, wie die allgemeine Emotionslage an dem Tag war und ob man sich leistungsfähig oder müde gefühlt, FreundInnen getroffen, Sport getrieben oder Lust auf Sex gehabt hat. Was nicht guttut, versucht man künftig zu meiden oder einen Ausgleich dafür zu finden.
Ökologische Menstruationsprodukte
Weiters kann der Wechsel von konventionellen Menstruationsprodukten auf ökologische Alternativen wie Periodenunterwäsche, waschbare Baumwollbinden oder wiederverwendbare Tassen und Scheiben ein Game-Changer sein.
Die zeitgemäßen Hygieneprodukte werden vom Körper im Allgemeinen besser vertragen und enthalten keine Schadstoffe. Das bedrohlichste Kryptonit seien aber die falschen, wenn auch vielleicht gut gemeinten Überzeugungen anderer, weshalb der Appell der lebensfrohen Zyklusmentorin lautet: „Lasst euch nicht einreden, dass starke Schmerzen und depressive Phasen dazugehören und ihr damit leben müsst.“
Autor:in:
Zur Person Lisa Strebinger ist dreifache Mutter, studierte Biologin, hat einen Abschluss in Qualitätsjournalismus und ein Diplom als Ernährungs- und Vitalstofftrainerin. Lisas Leidenschaft ist das Schreiben rund um medizinische und…