Ist Mobbing alltäglich?
Klar ist: Mobbing ist längst kein Thema mehr, das nur den Arbeitsplatz betrifft. Je mehr das Thema erforscht wird, desto offensichtlicher ist, dass in Klassen und Schulen ähnliches passiert. Schülerinnen und Schüler werden schikaniert und drangsaliert, gehänselt und ausgeschlossen, ausgelacht und heruntergeputzt. Experten schätzen, dass etwa jedes zehnte Kind davon betroffen ist. Eine deutsche Studie spricht von jedem dritten Kind, das sich schon einmal gemobbt gefühlt hat – vier Prozent leiden unter permanenten Angriffen. Kein neues Phänomen also, aber eines, das wir langsam besser verstehen. Und gegen das wir etwas unternehmen können.
Was bedeutet Mobbing?
Mobbing kommt vom englischen Begriff „Mob“, der mit „Meute“ oder „Pöbel“ übersetzt werden könnte. Das Bild dahinter: Die Meute stürzt sich gemeinsam auf einen. Trotzdem ist eine einzelne Schlägerei noch kein Mobbing. Der Wahnsinn braucht Methode. Erst wenn es eine Gruppe von Schülern auf ein bestimmtes Opfer abgesehen hat und dieses systematisch, regelmäßig angreift, spricht man von Mobbing. Typisch dabei sind ungleiche Machtverhältnisse; die Täter sind größer, stärker, selbstbewusster als die Opfer. Dabei ist die Bandbreite der Schikanen schier endlos, auf verbaler, nonverbaler und physischer Ebene. Es werden Spottlieder gesungen, Mützen fliegen durch die Luft, Geld wird erpresst, das Opfer wird ausgegrenzt, nicht mehr angesprochen, geschubst, festgehalten, geschlagen. Das Perfide dabei: Je mehr das betroffene Kind leidet, desto stärker werden die Täter angespornt. Sehr selten nur provozieren die Opfer solche Angriffe. Meistens sind sie einfach nur etwas anders, stiller und zurückgezogener, anders angezogen oder an Dingen interessiert, die einfach nicht cool genug sind. Die Gründe sind kaum wahrnehmbar, umso drastischer können aber die Folgen von Mobbing sein. Das beginnt bei Konzentrationsstörungen, einem plötzlichen Leistungsabfall in der Schule, Lustlosigkeit oder totaler Isolation bis hin zu Alpträumen und körperlichen Krankheiten. Der Fall Ania hat öffentlich gemacht, wie ausweglos die Situation mancher Mobbing-Opfer ist.
Wie kommt es zu Mobbing?
Doch wie kann es überhaupt dazu kommen? Der Wissenschaftler Wolfang Melzer hat jedenfalls belegt, dass Mobbing keine Frage der sozialen Herkunft ist. Gemobbt wird quer durch alle Nationalitäten und Bevölkerungsschichten. Wesentlich entscheidender ist zum Beispiel das Schulklima. Hier kann man sich einiges aus der Forschung zu Mobbing am Arbeitsplatz abschauen, die schon einige Schritte weiter ist. Mobbing wird, das zeigt eine Vielzahl an Studien, durch eine schlechte Organisationskultur begünstig. Wo zu wenig kommuniziert wird, wo Informationen nicht verteilt werden, wo über- oder Unterforderung herrscht, wo Mitarbeiter wenig Handlungsspielraum haben, wo alles streng hierarchisch organisiert ist und man mit Menschen kooperieren muss, mit denen man nicht kooperieren will, da wird Mobbing geradezu heraufbeschworen. Das sind Zustände, die einer durchschnittlichen Schule in Österreich auch nicht fremd sein dürften. Anders gesagt: Ein positives Schulklima ist die beste Prävention gegen Mobbing. Die Schulklasse wäre ja ein perfektes Experimentierfeld für Kinder, um Konfliktfähigkeit, Teamarbeit und Toleranz zu lernen. Dazu braucht es aber engagierte Direktoren, aktive Lehrerinnen und gelegentlich externe Experten, die eine neue Perspektive in verfahrene Situationen hineinbringen.
Kann Mobbing Zuhause präventiert werden?
Doch auch Eltern können ihren Teil zur Verhinderung von Mobbing beitragen, egal, auf welcher Seite ihre Kinder stehen. In der Familie holen sich die Kinder ihr Selbstwertgefühl. Wenn sie wissen, dass sie ohne jegliche Bedingung geliebt werden, lassen sie sich von Hänseleien nicht so leicht irritieren. Selbstbewusste Kinder sind schlechte Opfer. Gleichzeitig lernen Kinder in der Familie auch, wie Konflikte ausgetragen werden, vor allem durch das Vorbild der Eltern. Wird das Kind im Streit schnell als Schuldiger abgestempelt, fühlt sich die Mama als Opfer vom Papa, zieht sie hinter seinem Rücken über ihn her? Oder werden Konflikte angesprochen, ohne Täter und Opfer zu konstruieren, werden Bedürfnisse wahrgenommen und respektiert? Die Streitkultur des Elternhauses bestimmt mit, was passiert, wenn in der Schulklasse die Aggressionen zu köcheln beginnen. Wird es zum Opfer, schlägt es sich auf die Seite der Mobber, schaut es tatenlos zu – oder schreitet es selbstbewusst ein? Die Herausforderung für Eltern und Lehrer ist jedenfalls auch, rechtzeitig etwas zu tun, wenn Kinder systematisch schikaniert werden. Und dann erneut positive Konfliktkultur vorzuleben. Denn wer einfach nur die Täter bestraft, folgt nur dem Muster der Machtspiele. Es gilt, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und Wege zu finden, wie man in Zukunft zusammenleben kann, ohne dass es Täter und Opfer geben muss.
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Autor:in:
Zur Person Mag. Claudia Ohnesorg-Csik studierte Handelswissenschaften an der WU Wien. Ist Mutter von zwei Töchtern. Sie ist für die Online Redaktion zuständig und verantwortet die Social Media Präsenz. Aktuelle…