Lächelnd sitzt Annas Mutter auf dem Sofa, lauscht den schönen Melodien und blättert in Modemagazinen, während ihre Tochter konsequent und ausdauernd an ihren Sonaten und Etüden arbeitet…
Beschreibt dies den Alltag in Familien, in denen ein oder mehrere Kinder ein Musikinstrument lernen? Wohl kaum. Diese Idylle ist eindeutig in den Bereich der Fabeln und Märchen einzuordnen. Es sei denn man stammt aus dem Hause Mozart oder Karajan. Und selbst in Musikerkreisen weiß man, dass „noch kein Meister vom Himmel gefallen ist“…
Musizieren – wozu?
Ein Musikinstrument lernen bereitet nicht nur Mühe, sondern macht vor allem Spaß! Wenn ein Kind die ersten Töne auf der Flöte blasen oder die ersten Klangfolgen auf dem Klavier spielen kann, ist das ein richtiges Erfolgserlebnis und stärkt das Selbstvertrauen! Nebenbei wird die Feinmotorik trainiert, das Gedächtnis geschult und die Konzentrationsfähigkeit geschärft! Neuere Studien belegen, dass das Erlernen eines Musikinstrumentes im Kindesalter positive Auswirkungen auf das soziale und emotionale Verhalten hat.
Christoph (11) kann sich über vieles so richtig ärgern: über den Banknachbarn in der Schule, der ihm wieder einmal das Lineal zerbrochen hat. über die kleine Schwester, die ihn dauernd ärgert und die Gemüsesuppe, die es zum Abendessen gibt. Manchmal weiß er auch gar nicht warum er zornig und unzufrieden ist. „Wenn Christoph so richtig sauer ist, dann setzt er sich ans Klavier und spielt drauflos. Nicht immer ganz richtig, aber nach und nach wird das Spiel harmonischer und ruhiger. Und auch er kommt wieder zur Ruhe und vergisst seinen Ärger“, erzählt Christophs Mutter Susanne.
„Wo die Sprache aufhört, fängt Musik an“, erkannte der Schriftsteller und Komponist E.T.A. Hofmann und damit den therapeutischen Wert des Erlernens eines Instrumentes.
Ausreichend musikalisch?
„Bei uns in der Familie ist keiner musikalisch. Hat es dann überhaupt einen Sinn, wenn mein Kind ein Instrument lernt?“ Diese Frage hören Musikpädagogen sehr oft. Forschungen haben ergeben, dass jeder Mensch grundsätzlich ein gewisses Potential an Musikalität in sich trägt. Dies kann gefördert oder eben vernachlässigt werden. Begabung ist für das erfolgreiche Erlernen eines Musikinstrumentes nur eine Komponente. Oft sind gerade durchschnittlich begabte Schüler durch Fleiß, Motivation und Freude am Musizieren zu großartigen Musikern geworden. Oder aber auch umgekehrt: so manches hochgejubelte „Wunderkind“ hat durch überehrgeizige Eltern oder mangelnde übung die Freude am Instrument verloren. Die richtige Balance zwischen Fördern und (über)fordern ist hier gefragt!
Klavier, Gitarre oder Flöte?
Das Erlernen eines Musikinstrumentes sollte in erster Linie der Wunsch des Kindes sein. Eltern können Kindern zwar vom Babyalter an Musik auf spielerische Weise schmackhaft machen, dennoch hat es wenig Sinn den Sohn oder die Tochter zum Erlernen eines bestimmten Instrumentes zu überreden. Nur weil das Akkordeon von Tante Gabi unbenutzt in der Ecke steht oder die eigene Schulflöte in der Schublade ihr Dasein fristet, sollte die Tochter dennoch Violine lernen dürfen!
Immer mehr Musikschulen haben sich der Instrumentenauswahl angenommen und bieten so genannte Schnupperkurse an, in denen die Kinder über einen gewissen Zeitraum verschiedene Instrumente ausprobieren dürfen. Am Ende dieses Einführungsseminars wissen die meisten Kinder dann ganz genau, welches Instrument sie gerne erlernen möchten. Manche Schüler sind dann aber auch überzeugt davon, dass sie kein Instrument erlernen möchten, weil ihnen doch andere Dinge im Leben wichtiger sind. Und das ist kein Grund zur Enttäuschung, denn die hätte es früher oder später ohnehin gegeben. Spätestens dann, wenn das teuer gekaufte Instrument achtlos in einer Ecke liegt und das Kind mit nichts mehr dazu zu bewegen ist „die blöde Gitarre“ oder „das dumme Saxophon“ noch einmal anzugreifen!
Ein teures Vergnügen – ist es das wert?
Letztlich erfordern auch die Kosten, die mit dem Erlernen eines Musikinstrumentes verbunden sind, gewisse Entscheidungen: Wähle ich für mein Kind den Unterricht an einer Musikschule oder bevorzuge ich einen Privatlehrer? Kostengünstiger, weil teilweise gefördert und nach Geschwisterzahl gestaffelt, ist der Besuch einer Musikschule. Allerdings verlangen manche dieser Einrichtungen einen Eignungs- bzw. Aufnahmetest oder haben eine begrenzte Schülerzahl. Der Besuch eines Instrumentalunterrichts bei einem Privatlehrer ist teurer, allerdings hat jedes Kind die Chance sein Wunschinstrument zu erlernen.
Die Anschaffung eines Instrumentes stellt eine weitere große finanzielle Hürde dar. Viele Schulen und Musikgeschäfte bieten die Möglichkeit an Instrumente gegen eine geringe Gebühr auszuleihen. Dies ist äußerst sinnvoll bis ein Kind wirklich genau weiß, dass es ein Instrument langfristig spielen möchte. Einige Instrumente gibt es außerdem in „kleineren Ausgaben“ für Kinder. Während Klavier und Blockflöte Schüler über viele Jahre begleiten, gibt es bei Violine, Cello, Akkordeon und Gitarre verschiedene Größen. Da es leider noch keine „mitwachsenden“ Instrumente gibt, müsste in Zwei- bis Dreijahresabständen jeweils ein neues Instrument angeschafft werden. Hier sind Leihinstrumente oder auch der Erwerb von gebrauchten eine empfehlenswerte Alternative.
Welches Einstiegsalter?
Ist das Wunschinstrument einmal entdeckt, stellt sich die nächste Frage: Ist mein Kind alt genug für das Klavier- oder Harfenspiel?
- Grundsätzlich empfehlen Musikpädagogen die Schulreife auch als Einstiegsalter für das Erlernen eines Musikinstrumentes, allerdings gehen die Meinungen bezüglich des Anfangsalters in Fachkreisen weit auseinander. Frau Magister Hahn vom Musikschulmanagement Niederösterreich meint: „Altersempfehlungen können immer nur einen Richtwert darstellen, sollten aber an die physische und psychische Entwicklung des einzelnen Kindes angepasst werden“.
- Erfahrungsgemäß beginnen viele Kinder bereits im 6. Lebensjahr mit dem Geigen-, Klavier-, Cello-, Gitarre- und vor allem auch Blockflötenspiel. Flötenlehrer sehen das frühe Lernen dieses Instrumentes aber durchaus zwiespältig, weil es sich auch bei der Blockflöte um ein Konzertinstrument handelt und es sehr sensibel bezüglich der Tonbildung ist. Blechblasinstrumente werden meist eher Schülern empfohlen, die bereits den Zahnwechsel hinter sich haben, allerdings betont Michaela Hahn, dass auch bei Trompete, Zugposaune & Co. eher auf die Körperkraft und den Wunsch des Kindes als auf das Alter geachtet werden sollte.
- Bei manchen Instrumenten, die eher für ein höheres Einstiegsalter empfohlen sind, gibt es eigene Kinderinstrumente: Fagott und Oboe. Diese so genannten Doppelrohrblattinstrumente werden von vielen Lehrern aber dennoch erst für Schüler ab etwa 10 Jahren empfohlen, weil sie sehr sensibel sind und erst ab einem gewissen Alter eine gute Klangbildung zu erwarten ist. Querflöte hingegen kann mit einem speziellen Seitenstück auch bereits sehr früh gelernt werden. Manche Instrumente werden nicht in allen Musikschulen angeboten: etwa die Harfe, die mit kleinen Instrumenten schon früh gelernt werden könnte. Schlagwerk setzt ein gewisses Rhythmikgefühl voraus, ebenso die Instrumente der Popularmusik wie E-Piano, E-Gitarre und E-Bass. Diese Instrumente werden meist erst im Teenageralter ausgewählt. Es ist sowohl ein direkter Einstieg als auch über die klassischen Instrumente Klavier oder Gitarre möglich.
Frau Mag. Hahn betont, dass Musik Freude bereiten und erlebt werden soll. Geeignet sei das Instrument, das ein Kind wirklich lernen möchte, weil es dann auch bereit ist die Mühen des Erlernens zu bewältigen.
Musik als Sprache
„Bei uns zuhause ist es wie in einem Konzert!“ bringt es Anna auf den Punkt. Musik spielt eine große Rolle in ihrer Familie. Natürlich sitzt Annas Mutter nicht verklärt am Sofa, wenn ihre Tochter Klavier übt. Oder wenn Annas Bruder Alex Saxophon spielt. Da kann es schon vorkommen, dass sie die Nachbarin, die ärgerlich an der Tür läutet, weil sie sich durch „dieses Getute“ in ihrer Nachmittagsruhe gestört fühlt, besänftigen und gleichzeitig über die pädagogischen Vorteile einer musikalischen Förderung der Kinder aufklären muss. Manchmal braucht Anna ihre Mutter auch zum Mitklopfen des Taktes oder auch zum Trösten, wenn sie es einfach nicht schafft das „fis“ statt dem „f“ zu spielen. Am liebsten haben Anna und Alex aber den Abend, wenn ihre Eltern von der Arbeit nach Hause kommen und der Vater zur Gitarre greift, die Mutter ihre Querflöte auspackt und alle vier so richtig drauflos spielen. Auch wenn nicht jeder Ton richtig ist, so verbindet das gemeinsame Musizieren und „drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber schweigen unmöglich ist“, wie der französische Schriftsteller Victor Hugo überzeugt war.
Das Erlernen eines Musikinstrumentes ist kein Spiel, aber es sollte grundsätzlich Freude machen. Das zu vermitteln ist eine wichtige Aufgabe für Eltern, unabhängig davon, ob sie selber musizieren. Aber auch dafür ist es nie zu spät. Wenn der geheime Kindertraum ein bestimmtes Musikinstrument zu erlernen in einem Erwachsenen schlummert, ist es zum Beginnen nie zu spät. „Seit der Papa sich mit dem Lernen der Akkorde auf seiner Gitarre plagt, versteht er endlich besser, dass man nicht von heute auf morgen Saxophon lernen kann!“, meint Axel. „Und wie schrecklich manche Lieder, die ich spiele klingen!“ fügt dieser schmunzelnd hinzu.
Humor und über sich selber auch einmal lachen können sind wichtige Grundpfeiler für das Erlernen eines Instrumentes. Eltern, die zu ehrgeizig sind und zu viel von ihrem Kind verlangen, rauben dem Kind und letztlich sich selbst die Freude an der Musik. Um diese dreht sich aber alles. Denn: „Musik spricht für sich allein. Vorausgesetzt wir geben ihr eine Chance“. (Yehudi Menuhin, amerikan. Geiger)
Autor:in:
Zur Person Mag. Claudia Ohnesorg-Csik studierte Handelswissenschaften an der WU Wien. Ist Mutter von zwei Töchtern. Sie ist für die Online Redaktion zuständig und verantwortet die Social Media Präsenz. Aktuelle…