Männer, die für längere Zeit in Karenz gehen, haben in Österreich nach wie vor Exotenstatus. Und das, obwohl es entsprechende gesetzliche Regelungen bereits seit über 30 Jahren gibt.
Der Verein PAPAINFO tritt für Gleichberechtigung ein und unterstützt Männer, die der Familie Priorität einräumen wollen. Wir haben mit Vorstandsmitglied Dieter Breitwieser-Ebster gesprochen.
Manchmal bekommt man eine zweite Chance. So wie jener Klient des in Wien ansässigen Vereins Papainfo, der bereits erwachsene Kinder hat und nun in einer zweiten Beziehung erneut Vater geworden ist. „Heute weiß er, was er versäumte, und hat alles dafür getan, um mindestens ein Jahr beim jüngsten Kind zu Hause bleiben zu können. Das sind Vorbilder, wie wir sie brauchen“, sagt Dieter Breitwieser-Ebster. Er vermisst diese auf allen Ebenen: ob an der Werkbank, auf der Baustelle, in den Büros, in den Vorstandsetagen, vor allem in der Politik. Denn wenn Männer ihre Verantwortung für den Nachwuchs abseits der antiquierten „Ernährerrolle“ (lautstark) wahrnehmen, dann kann sich tatsächlich nachhaltig etwas verändern.
Verein Papainfo
Eben dieser Wunsch nach nachhaltiger Veränderung trieb 2017 mehrere Männer an, den Verein Papainfo zu gründen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich bereits während des Studiums oder im beruflichen Umfeld mit dem Thema auseinandergesetzt hatten und der traditionellen Aufteilung von Verantwortung einen zeitgemäßen Umgang gegenüberstellen wollten: durch gezielte Angebote, vor allem in Form von Vorträgen, Workshops und Kursen für werdende Väter und nach der Geburt auch für Elternpaare. „Wir sind in erster Linie präventiv tätig, weil wir wissen, dass es leichter ist, Fragen bereits vor der Geburt zu klären. Wenn sich Rollen einzementiert haben, ist Veränderung möglich, aber einfacher wird es nicht“, erläutert Dieter Breitwieser- Ebster.
Ziel ist es, Gleichberechtigung in der Familie als Selbstverständlichkeit umzusetzen und nicht erst zu handeln, wenn etwa Beziehungen in die Brüche gehen.
Was Männer wollen
Aus Studien wissen die Vereinsvertreter, dass sich 60 bis 70 Prozent der Männer hierzulande wünschen, eine gleichberechtigte Rolle in der Familie einzunehmen … um in der Realität dann häufig grandios zu scheitern: an sich selbst, an dem eigenen Unvermögen, sich am Arbeitsplatz für familienfreundlichere Strukturen stark zu machen, an tradierten Mustern, vielleicht auch an ihrer Bequemlichkeit.
„Unser Ansatz ist ein psychosozialer. Anders als in herkömmlichen Geburtsvorbereitungskursen geht es bei uns weniger um biologisch-medizinische Aspekte, sondern darum, was Vatersein ausmacht. Bis auf das Stillen gibt es nichts, was Männer nicht können“, bringt Dieter Breitwieser-Ebster es auf den Punkt.
Eine andere Fehlerkultur
Dass dies auch bedeutet, großzügig zu sein, weiß der Sozialberater aus eigener Erfahrung: „Dreimal war ich mit meinem Kind unterwegs und habe spontan ein neues Flascherl kaufen müssen, weil ich es daheim vergessen hatte. Aber dann ist mir das nicht mehr passiert. Frauen wie Männer müssen sich im geänderten Alltag zurechtfinden, aber die Voraussetzungen, dies zu schaffen, auch wenn wir nicht perfekt sind, die haben natürlich beide. Und zwar gleichermaßen.“
Nicht zu unterschätzen ist die eigene Sozialisation, die nach wie vor mehrheitlich alles andere als gleichberechtigt abläuft: „Während Mädchen und Frauen spätestens mit dem Einsetzen der Menstruation mit Themen wie möglicher Mutterschaft und Verhütung konfrontiert werden, ist das bei Buben nach wie vor anders. Viele denken schlicht und ergreifend gar nicht daran, dass eine aktive Vaterrolle, die neben Care- Arbeit auch das Teilen des viel zitierten Mental-Loads umfasst, nicht nur fair, sondern auch sehr erfüllend ist“, so Dieter Breitwieser-Ebster.
Väter am Arbeitsplatz
Nicht wegzuleugnen ist subtiler bis offensichtlicher Druck in manchen Unternehmen, in denen eine aktive Elternrolle und das Emporklettern auf der Karriereleiter einander ausschließen.
Hier zitiert Breitwieser-Ebster den Sozialforscher und Therapeuten Erich Lehner. Dieser erklärt sinngemäß, dass Unternehmen global gesehen Männer als Konstante betrachten und Frauen als Variable: Letztere können schwanger werden, kehren nach der Karenzzeit gar nicht mehr oder eben nur in Teilzeit zurück. So manifestiert sich ein Bild, an dem nur sehr mühsam zu kratzen ist. Zudem grassiert eine wenig hinterfragte Gedankenlosigkeit.
Das Karenzmodell „12 plus 2“ bringen fast alle Menschen mit der Aufteilung „12 Monate die Mama, 2 Monate der Papa“ in Verbindung, obwohl dies prinzipiell rechtlich keine Grundlage hat. Blickt man nach Schweden, dann existieren starre Rollenbilder dort kaum. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Frauen kurz nach der Geburt wieder in den Arbeitsmarkt zurückgeholt und damit völlig andere Denkmuster etabliert. Mit ein Grund, warum der Verein Papainfo häufig direkt mit Unternehmen zusammenarbeitet.
Was (sich) Männer fragen
Zentral ist, dass es bei den Angeboten keine Tabus gibt und einen geschützten Rahmen. „Depressive Verstimmungen betreffen fast ein Viertel der jungen Väter, weil die geänderten Lebensumstände sie mit voller Wucht erreichen. Sexualität und Partnerschaft werfen Fragen auf, wie auch die Gestaltung der Work-Life-Balance. Wie kann Mann nach der Karenz mit völlig anderen Prioritäten beruflich performen, wie das Bedürfnis nach Freizeit befriedigen?“, berichtet Dieter Breitwieser- Ebster.
Wichtig auch: Gleichberechtigte Elternschaft endet nicht nach ein paar Jahren, wenn die Kinder aus dem sprichwörtlich „Gröbsten“ heraußen sind. Männer, die in dieser Zeit aktiv sind, haben ein anderes Bewusstsein für die Pflege von Angehörigen in einer späteren Lebensphase und viel mehr Selbstverständnis, sich dabei tatsächlich einzubringen.
Der Verein Papainfo berät (werdende) Väter im Rahmen von Kursen, Workshops und Vorträgen vorrangig in Wien. Gemeinsam mit Kooperationspartnern wird auch ein Babycafé für Männer durchgeführt. Mit Online-Angeboten spricht man aber Väter in ganz Österreich an.
Nähere Infos und Kontaktdaten:
Interview
Als Vater in Elternzeit: „Ich habe auch beruflich von der Elternzeit profitiert!“
Der promovierte Biochemiker Mark Schiefermeier arbeitet als Projektdirektor beim Pharmakonzern Novartis. Vor 13 und vor zehn Jahren nahm er jeweils ein halbes Jahr Elternzeit, um seine Kinder zu betreuen, während seine Frau der Erwerbsarbeit nachging.
COOL DAD: Herr Dr. Schiefermeier, sie sind bei Ihrer Tochter aus erster Ehe vor rund 20 Jahren nicht in Karenz gegangen, bei Ihren beiden Kindern aus zweiter Ehe, heute 13 und elf Jahre alt, dann aber schon. Was hat Sie dazu veranlasst?
Mark Schiefermeier: Natürlich hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt in diesen sieben Jahren, die meine große Tochter von meinem Sohn altersmäßig trennen. Da war es einfach schon akzeptierter, dass auch Väter einmal zugunsten des Nachwuchses beruflich pausieren. Grundsätzlich war ich bei meiner großen Tochter beruflich aber einfach noch nicht so etabliert und hatte daher Sorge, dass ich karrieretechnisch nach der Babypause wieder von vorn anfangen müsste. Ausschlaggebend war aber sicher, dass meine erste Frau es nicht eingefordert hat, dass ich mich in dieser Weise einbringe, meine zweite Partnerin aber sehr wohl.
COOL DAD: Sie waren damals schon in leitender Position in einem Pharmakonzern tätig. Wie hat Ihr berufliches und privates Umfeld auf diesen Schritt reagiert?
Mark Schiefermeier: Sehr unterschiedlich, muss ich sagen. Von den Frauen habe ich sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich nahezu ausschließlich positives Feedback erhalten. Bei den männlichen Kollegen war es durchwachsen: Viele haben den Schritt gut gefunden, andere haben sich aber hinter vorgehaltener Hand dahingehend geäußert, dass ich ohnehin nur Urlaub nehme – als wäre die Rundumbetreuung eines Säuglings Freizeit.
Meine Eltern kommen aus einer anderen Zeit und waren extrem besorgt, sie haben diese wenig traditionelle Rollenaufteilung eigentlich abgelehnt. Während meiner Karenzzeit haben wir ein Haus gekauft, und so war ich mit Baby oft bei den Banken wegen Kreditverhandlungen unterwegs. Das hat seitens der Bankangestellten zu Irritationen geführt, so im Sinne von: Wird der Mann mit dem Baby überhaupt einen Kredit zurückzahlen können?
COOL DAD: Hatten Sie durch diese Familienzeit Nachteile in Ihrer Karriere hinzunehmen?
Mark Schiefermeier: Nein, überhaupt nicht, meine Ängste waren unbegründet. Die Novartis AG hat mich diesbezüglich stark unterstützt, meine damalige Vorgesetzte hat mir sogar explizit Mut gemacht. Meine Stelle wurde bei meinem Sohn freigehalten und ich bin einen halben Tag in der Woche für wichtige Entscheidungen ins Büro gekommen. Bei meiner kleinen Tochter habe ich mich gerade in einem internen Jobwechsel befunden, das war optimal. Offenbar hat mein Beispiel Mut gemacht, denn nach mir sind vermehrt Väter in Elternzeit gegangen, mittlerweile gehört es in unserem Unternehmen zur Normalität, was sicher auch daran liegt, dass fast die Hälfte aller Führungspositionen mit Frauen besetzt ist.
COOL DAD: Wie haben Sie die Elternzeit zu Hause mit einem Säugling empfunden?
Mark Schiefermeier: Es war eine anstrengende Zeit. Zu Hause mit einem oft schreienden Säugling fühlt man sich schnell hilflos. Aber ich habe dadurch gelernt, solche Situationen, in denen anscheinend gar nichts geht, auszuhalten, Geduld zu üben. Lustigerweise hilft mir das jetzt im Beruf, die Nerven zu bewahren, wo mir früher oft alles zu langsam gegangen ist. Natürlich war es auch wunderschön, oft mit dem Baby in der Bauchtrage einfach draußen unterwegs zu sein, freie Zeit mit dem Kind zu haben.
COOL DAD: Wie hat sich dieses intensive Zusammensein auf die Beziehung zu Ihren Kindern ausgewirkt?
Mark Schiefermeier: Ich war auch bei meiner großen Tochter ein aktiver Vater und habe zu ihr ein genauso inniges Verhältnis wie zu ihren jüngeren Geschwistern, da besteht kein Unterschied. Meine Elternzeit hat eher das Verhältnis zu meiner Partnerin positiv beeinflusst. Ich hege große Wertschätzung für die Care-Arbeit, die Frauen leisten. Ich habe ja selbst erlebt, wie anstrengend das alles ist. Meine Frau weiß, dass sie sich auf mich verlassen kann und dass Gleichberechtigung für mich keine leere Phrase ist. Sie nimmt mich als Vater zu 100 Prozent ernst und ich ihren Beruf – so können wir uns auf Augenhöhe begegnen.
Interview von Eva Sorantin
Autor:in:
Zur Person Mag.a Mirjam Dauber ist Lehrerin, freie Journalistin und Rezensentin. https://blaetterwald.at/ Aktuelle Artikel