Drei Generationen gemeinsam unterwegs? So gelingt’s!
Spätestens wenn der Frühling ins Land zieht, steigt die Vorfreude auf den (Sommer-)Urlaub: auf Entspannung und Abenteuer. Nicht selten verreisen Familien mittlerweile in größeren Gruppen, sprich von der Oma bis zum Enkelkind sind alle mit an Bord. Wie Urlaub in dieser Konstellation gelingen kann, dazu haben wir einen Reiseexperten und eine Psychologin befragt.
Reisetrends
Rudi Wimmer ist seit Jahren als Teamleiter in der Innsbrucker Filiale eines großen Tiroler Reiseunternehmens tätig und sieht folgenden Trend: „Wir erkennen einen Übergang vom betreuten All-inclusive-Urlaub zum Entdecker-Familienurlaub. Statt Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen, sind Eltern kreativ, um die Zeit mit ihren Kindern abwechslungsreich zu gestalten. Das kann eine Schnitzeljagd durch die City of Westminster in London sein, die Erforschung von Flora und Fauna bei Wanderungen auf Korsika oder ein Sprint durch das älteste Olympia-Stadion der Welt“.
Trotz hoher Inflation möchten Familien nicht auf Urlaube verzichten, nehmen aber die Gestaltung des Freizeitprogramms selbst in die Hand, um da und dort ein paar Euro zu sparen. Das bedeutet auch, dass Urlaubszeit wieder mehr zur tatsächlich gemeinsam verbrachten Familienzeit wird. Dass man mit drei Generationen unterwegs ist, erkennt Rudi Wimmer vor allem bei besonderen Anlässen: „Runde Geburtstage etwa möchten immer mehr Menschen nicht zu Hause feiern, sondern ziehen Reisen vor.“ So zelebriert man Opas 80er etwa vor dem Eiffelturm oder lässt das Geburtstagskind bei Dolce Vita am Gardasee hochleben.
Fünf Tipps, damit es (besser) klappt
Trotz aller Vorfreude: Ein Selbstläufer mit Erfolgsgarantie sind Urlaube nicht. Sind die Erwartungshaltungen hoch und unterschiedlich, sind Enttäuschungen vorprogrammiert. Die Planung für größere Gruppen verlangt Sensibilität und Fingerspitzengefühl. Wir neigen schließlich dazu, an die „schönste Zeit im Jahr“ immense Erwartungen zu stellen – ein Druck, an dem wir zwangsläufig scheitern. Was kann man tun, um dies zu vermeiden? Darüber haben wir mit Julia Türkmen-Horn, Klinische und Gesundheitspsychologin mit eigener Praxis in Wien, gesprochen.
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Voraussetzungen definieren
„Die Frage des gemeinsamen Urlaubs stellt sich noch nicht lange. Sie setzt eine fitte, reiselustige Großelterngeneration voraus, die in der Pension die Welt entdecken möchte“, erläutert Julia Türkmen-Horn und verweist dazu auf die gestiegene Selbstbestimmung und den Willen zur Abgrenzung: „Großeltern möchten nicht mehr als Dauer-Babysitter eingespannt werden, weder im Alltag noch im Urlaub.“ Wer sich von den Großeltern die Erfüllung dieser Rolle wünscht, wird vermutlich enttäuscht werden.
Zur Vorbereitung gehört auch, sich schwelender Konflikte bewusst zu sein: „Ein Ortswechsel bedeutet nicht automatisch Erholung. Ganz im Gegenteil. Oft wirkt gerade dieser Tapetenwechsel wie ein Vergrößerungsglas für existierende Probleme, egal auf welcher Ebene.“ Daher rät die Psychologin, gründlich zu überlegen, ob eine solche Reise überhaupt eine gute Idee für alle Beteiligten ist. -
Die Kommunikation im Vorfeld
Wie viel Nähe halten wir aus? Wie gestalten wir Rückzugsorte, wenn wir in einer Ferienwohnung, in einem Campingvan sind? Wohin soll die Reise überhaupt gehen, wenn der eine von einem Flug ins Luxusresort auf den Malediven träumt und die andere von Urlaub am Bauernhof? Vor dem Beginn konkreter Planungen gehören alle an einen Tisch, und zwar – je nach Alter – auch die Kinder. Dann sind Kompromisse zu finden und verbindliche Vereinbarungen zu treffen.
„Ein No-Go ist es, über die Köpfe der anderen hinweg für alle zu buchen, Entscheidungen zu fixieren. Gerade Neo-Eltern müssen lernen, dass sich Verantwortung und Aufgaben an einen anderen Ort verlagern, aber auch im Urlaub nicht ruhen. Sollen die Großeltern mit eingebunden werden, um zu entlasten, dann muss das ausgesprochen und ein Konsens erzielt werden. Jemanden in eine Rolle zu drängen, ist tabu“, so Julia Türkmen-Horn. -
Das „innere Kind“: Falle und Chance
Gerade für die Eltern, für die „Generation dazwischen“, kann diese Urlaubsform zum Spießrutenlauf werden, denn man fällt leicht in alte Muster zurück – ist plötzlich wieder das Kind, das es seinen Eltern um jeden Preis recht machen möchte, und versucht nach allen Seiten hin unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen: außer die eigenen. Auch hier helfen das Bewusstsein darüber und klare Aussprachen. Schließlich kann das Aktivieren dieser Gefühle auch positiv sein: „Erinnerungen an besondere Orte, Rituale, Spiele, die wir mit dem Urlaub in der eigenen Kindheit verbinden, weiterzugeben, kann heilsam und wunderschön sein.“
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Regeln und Werte definieren
„Regeln sind verhandelbar und dürfen abweichen; auf der Einhaltung meiner Werte, die ja so etwas wie meine Leuchttürme sind, muss ich beharren“, macht Türkmen-Horn klar.
Kinder können damit umgehen, wenn Großeltern mehr Eis erlauben, aber ein anderes Bedürfnis nach Ruhe haben. In einzelnen Fragen kann mal die eine, mal die andere Seite strenger oder großzügiger sein, dürfen im Urlaub lockere Maßstäbe angelegt werden.
Wenn es aber um einen Clash verschiedener Erziehungsstile geht oder anhaltend mit „gut gemeinten Ratschlägen unterstützt“ wird, ist eine Grenze zu ziehen. „Wir sind mit einem besonderen Generationenwechsel konfrontiert, da wir es mit der ersten Elterngeneration zu tun haben, die sich mit beziehungsorientierter Erziehung beschäftigt, die etwa durch die moderne Hirnforschung vieles weiß, das es früher nicht gab, selbst aber nach anderen Mustern und Vorstellungen erzogen wurde“, erklärt die Psychologin und nennt exemplarisch Themen wie das Trösten oder Manipulieren von Kindern. -
Wechselnde Bedürfnisse annehmen
Urlaub mit sehr kleinen Kindern kann anstrengend, aber auch ungemein beglückend sein: die gemeinsam gebaute Sandburg, der erste Sprung vom Ein-Meter-Brett, die viele Zeit, um miteinander zu lachen und Neues zu entdecken.
Werden die Kinder größer, vergrößert sich mitunter nicht nur die Kluft zu den Eltern, sondern auch zu den Großeltern und statt intensiver Gespräche gibt es Schweigen vor dem Handy. „Jetzt sind die Großeltern angehalten, neugierig zu bleiben, nicht vorschnell zu urteilen. Wenn man Teenager fragt, was sie gerade anschauen auf Tiktok, wenn man ehrliches Interesse zeigt und nicht gleich Abwertung signalisiert, dann kann auch die Beziehung Großeltern – Enkelkinder noch lange aktiv bleiben, und das weit über den Urlaub hinaus.“
Autor:in:
Zur Person Mag.a Mirjam Dauber ist Lehrerin, freie Journalistin und Rezensentin. https://blaetterwald.at/ Aktuelle Artikel