„Setzt dich nicht ans Eck, sonst bekommst du eine böse Schwiegermutter“, raunte meine Oma mir dereinst am Tisch stets zu. Ist das schlechte Image der Mütter der Ehemänner heute noch gerechtfertigt … oder hat es längst einen Paradigmenwechsel gegeben? Eine Bestandsaufnahme.
Fürchteten die Frauen der Elterngeneration noch, dass ihre Söhne vom Geschirrspülen weiche Hände bekommen und zum Softie mutieren könnten, machen sich die Mütter von heute oft viel mehr Sorgen, ihre Sprösslinge würden im Haushalt nicht anpacken. Evas Schwiegermutter etwa bat noch in den frühen 1990ern flehentlich, dass „der Bub“ nicht männerunwürdige Tätigkeiten wie Bügeln oder Staubsaugen auf sich nehmen müsse. Eva selbst nimmt sich heute hingegen die Freundinnen ihrer Söhne zur Brust und rät den jungen Damen dazu, sich von den charmanten Herren der Generation Y nicht über den Tisch ziehen zu lassen. Den Haushalt 50:50 aufzuteilen ist in ihren Augen das Normalste der Welt. Vor allem, wenn beide studieren oder arbeiten gehen.
DAS EIGENE FLEISCH UND BLUT
Alina ist 25 und hat das beste Verhältnis zu ihrer „Schwiemu“, wie sie die Mutter ihres Mannes liebevoll nennt. Doch obwohl die beiden Frauen gern miteinander shoppen gehen und sich regelmäßig auf einen Kaffee treffen, wird das Verhältnis nie so innig sein wie jenes zu ihrer eigenen Mutter. „Ihr erzähle ich ganz andere Dinge. Mama versteht mich mit wenigen Worten – ganz egal, worum es geht. Schon alleine aus diesem Grund würde ich Herzensangelegenheiten, Sorgen und Ängste nicht meiner Schwiemu als Erster anvertrauen. Dafür ist meine Mutter da.“
Mit dieser Einstellung ist Alina sicher nicht allein; aber auch umgekehrt werden Unterschiede gemacht. In ihrer Doktorarbeit beschrieb die Psychologin Andrea Kettenbach vor einigen Jahren, dass beispielsweise Enkelkinder von ihren Großeltern väterlicherseits deutlich benachteiligt werden. Diese kuriose Beobachtung bestätigt Sybille, Mutter von zwei bezaubernden Töchtern. „Meine Kinder haben de facto nur eine Oma, und das ist meine Mama. Meine Schwiegermutter schenkt ihre ganze Aufmerksamkeit den Kindern der Schwester meines Mannes. Sie bekommen größere Geschenke, ihnen wird mehr Zeit gewidmet, und wenn ein Babysitter gebraucht wird, lässt meine Schwiegermutter alles liegen und stehen und rast los. Bei uns mischt sie sich zwar in keiner Weise ein, greifbar ist sie aber leider auch nicht. Weder für mich noch für ihre Enkelkinder.“
MEINT SIE ES NUR GUT?
Ganz anders Sabines nerviger Schwiegertiger, der getreu dem Motto „Ich mein’s ja nur gut“ omnipräsent um die kleine Familie streift. Ist sie da, bleibt kein Stein auf dem anderen. „Unlängst bat ich sie darum, zwei Stunden die Kinder zu hüten. Danach waren die Küchenkästchen neu geordnet und unsere Betten frisch bezogen. Als ich zu meinem Mann sagte, dass ich es nicht leiden könne, wenn seine Mutter unser Schlafzimmer auf den Kopf stellt, hat er sie in Schutz genommen und beschwichtigend gemeint, dass sie bestimmt nur habe helfen wollen.“
Die Haltung des Mannes trägt tatsächlich wesentlich dazu bei, ob eine Frau einen „Schwiegermutter-Komplex“ entwickelt. Wenn Männer stets für die eigene Mutter Partei ergreifen und an die Ehefrau appellieren, mehr Nachsicht und Güte zu üben, hängt der Haussegen schnell schief. Kaum eine junge, emanzipierte Frau möchte sich schließlich am untersten Ende der familieninternen Hierarchie einreihen und in unwürdigen Konkurrenzkämpfen um die Gunst des Sohnes buhlen. Ist das Ringen um den Titel der besseren Hausfrau, der liebevolleren Mutter oder der attraktiveren Frau erst mal eröffnet, kehrt selten wieder Ruhe ein.
DOCH EHER SANFTMÜTIGE MUTTI?
Auch wenn das Klischee der „bösen Schwiegermutter“ dies vermuten lässt: So weit verbreitet sind die schlechten Beziehungen nicht. Mehr als die Hälfte aller Schwiegermütter und -töchter kommt laut Umfrage glücklicherweise gut miteinander aus, zwischen Männern und ihren Schwiegermüttern sind Konflikte ohnehin die große Ausnahme. Getrennte Wohnsituationen, finanzielle Unabhängigkeit und ein neues Rollenverständnis tun einem friedlichen Zusammenleben der Generationen offensichtlich gut. Es scheint, als habe die Zeit die Schwiegerm…ütter gezähmt. Eine gute Nachricht also! Und so setze ich mich fortan ganz absichtlich auf den „verfluchten“ Eckplatz: lieber ein zahmes Schwiegermonster als ewiger Single!
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Zur Person: Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel