Vor einigen Tagen seufzte eine gute Freundin von mir laut auf, und nach einer Reihe von nicht enden wollenden dezenten Stoßseufzern fragte ich schließlich: „Was ist los?“ Marion blickte mich giftig an: „Die Frage sollte besser lauten: Was ist nur mit euch Männern los?“
Wie empfinden Männer?
Normalerweise gehe ich in so einem Moment in Deckung, denn ehe ich es mich versehe, mutiere ich unfreiwillig zum Verteidiger aller Männer, und mir fallen für mich selbst schon nicht genug Ausreden ein. Aber Flucht war an diesem Tag unmöglich (ich saß mit dem Rücken zur Wand), so blieb mir nichts anderes übrig als mich der Diskussion zu stellen. „Häh?“ „Ich hab mir für meinen Freund so viel Mühe gegeben. Ich wollte ihn nach allen Regeln der Kunst verführen. Ein romantisches Abendessen zu zweit. Ich hab gekocht. Verstehst du, ich hab gekocht! Kerzenlicht, leise Musik, Duftöl. Ich hab mich hübsch gemacht…“ „Und? Hat’s ihm nicht gefallen? Klingt ja eh ganz nett“. „Klingt ja eh ganz nett“, äffte mich Marion nach. „Ja, so ungefähr war auch seiner Reaktion. Und dann fragt er mich allen Ernstes, ob er vor dem Essen noch schnell einen Blick zum WM-Spiel Österreich gegen England werfen kann“. „Na ja, das war ein WM-Qualifikationsspiel“, sagte ich entschuldigend, „und sehr wichtig!“ Marion schnaufte nur. „Männer! Ihr habt ja keine Ahnung wie man eine Frau verführt!“
Kein Sinn für Romantik?
Ja, ich fürchte, das ist des Pudels Kern, weil es auf gewisse Art und Weise stimmt. Candlelight, sanfte Musik, ein stimmungsvoller Sonnenuntergang am Meer… Pure Romantik, die ein empfindsames Herz einer Frau höher schlagen lässt und sie selbst in Stimmung bringt. Für uns Herrn der Schöpfung hingegen klingt das… nett. Ohne jetzt auch nur ansatzweise den Macho raushängen zu lassen, aber der Durchschnittsmann verfügt über keinen ausgeprägten Sinn für Romantik. Woher auch?
Männer haben es aufgrund ihrer Sozialisation schwerer, ihre Gefühle zu zeigen oder darüber zu sprechen, ja, sie überhaupt wahrzunehmen. Von Kindesbeinen an wird ein Junge darauf getrimmt, seinen Mann zu stehen. Und das heißt: Keine Schwäche zeigen. Sich durchsetzen. Statt lange Reden schwingen einfach zupacken. Lösungen finden, wenn es Probleme gibt. Die Forderung der Gesellschaft, die traditionelle Rolle des starken Geschlechts zu erfüllen, besteht nach wie vor.
Was macht echte Männer aus?
In einer Ausgabe der Zeitschrift „Elle“ konnten die verwirrten Herren der Schöpfung nachlesen, was echte Männer alles nicht tun: Sie heulen nicht in Frauenfilmen, hören nicht Xavier Naidoo, öffnen nie für sich allein eine Flasche Prosecco und lesen keine Psychoratgeber. Weiters essen sie kein Fingerfood, tragen keine Boxershorts, besitzen keine bunten Laptops und haben keine kleinen Füße! (Ein Tipp für Männer mit Schuhgröße unter 40: Steigt auf 44er um und stopft euch ein paar Socken in die Schuhspitze!) Diese Aufzählung legt jetzt den Schluss nahe, ein echter männlicher Vertreter des 21. Jahrhunderts tut all das nicht, was eine Frau tut.
Weg mit dem romantischen Schnickschnack?
An welchem Rollenmodell sollte sich jetzt ein moderner Mann orientieren? Man stelle sich James Bond vor, der statt Martinis und Pistolen zu schütteln vor dem Fernseher mit Tempo eine Packung Tempo voll heult, weil gerade die Lovestory läuft. Unmöglich! (Einzige Ausnahme: Casablanca, aber das zählt nicht, schließlich spielt da Humphrey Bogart mit.) „Im Bett der Hausmänner wird die erotische Spannung geringer“, weiß der „Playboy“ zu berichten (den wir Männer natürlich nur wegen der vielen interessanten Artikeln lesen). Das starke Geschlecht bevorzugt Action und Abenteuer. Basta! Das gilt auch beim Akt des Verführens. Also, weg mit dem ganzen romantischen Schnickschnack.
Jetzt höre ich schon von allen Seiten die Protestschreie: Ja, ja, alle anderen sind Schuld, nur nicht die Männer. So ist es selbstverständlich nicht gemeint. Im Normalfall versuchen wir Männer natürlich auf die Gefühle unserer Partnerin einzugehen. Candlelight, Musik, Dessous, prickelnde Atmosphäre: Ein Mann genießt diese Situationen durchaus und findet sie ebenso an- bzw. aufregend. Trotzdem stelle ich die These auf, dass die meisten Kerle ein wenig… ratlos vor diesen Verführungsszenen stehen mit dem Hintergedanken: „Toll, aber das wär doch nicht nötig gewesen…“ Meine Frau klärte mich auf: „Ich mache das nicht für dich. Ich mache das in erster Linie für mich!“ Uff, Glück gehabt. Zur Verteidigung der Männer sei aber erwähnt, wir geben uns echte Mühe.
Man(n) will es wissen
Der deutsche Privatsender ProSieben ließ das renommierte Marktforschungsinstitut Forsa recherchieren, was „Sex and the City“ bei beiden Geschlechtern zu einem Quotenhit macht. Das Ergebnis verblüffte: Fast alle befragten Männer gaben an, sie sehen sich die TV-Serie an, weil sie herausfinden wollen, was Frauen in Sachen Erotik wirklich bewegt. Außerdem würden sie selbst gerne so ungezwungen über Sex reden wie die vier Mädels. Frauen hingegen mögen SatC, weil sie den New Yorker-Lifestyle interessant finden.
Das Problem ist, wir Männer haben nie gelernt, mit Gefühlen umzugehen, und das beinhaltet auch die Bereiche „Verführung“, „Erotik“ und „Sexualität“. Wir tun uns schwer damit, und das hat nichts mit Gleichgültigkeit, Gefühlskälte oder einem Macho-Dasein zu tun. Männer wollen Sex durch intime Nähe herstellen, Frauen über intime Nähe zum Sex kommen.
Wie werden Momente der Verführung erlebt?
Dazu kommt noch, dass Männer und Frauen Momente der Verführung unterschiedlich erleben. Männer sind „Augenwesen“, Frauen hingegen „Fantasiewesen“. Verführung findet bei Frauen zu allererst im Kopf statt, sprich in der Vorstellung, der Fantasie. Der bloße Anblick eines nackten männlichen Körpers genügt zumeist nicht, um auf Touren zu kommen. (Verständlich, schon die Tante Jolesch wusste: „Alles was ein Mann schöner ist als ein Aff, ist ein Luxus“) Sie werden mehr durch die Art der möglichen Stimulation und Zärtlichkeit beim Vorspiel erregt. Für uns Männer hingegen gilt die Formel WISIWIG: What I see is what I get!
Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es heutzutage?
Wissenschaftler an der Emory University in Atlanta untersuchten, warum für Männer die Formel WISIWIG gilt. Das Ergebnis: Männliche Gehirne reagieren auf sexuell erregende Bilder sensibler als weibliche. Mit Hilfe der so genannten funktionellen Magnetresonanztomographie zeigte sich, dass beim Betrachten erotischer Bilder Amygdala und Hypothalamus, zwei Teilbereiche im Gehirn zuständig für die Verarbeitung von Emotionen, bei Männern deutlich stärker aktiviert werden. Möglicherweise könnte das der Grund dafür sein, warum die Herren der Schöpfung so viel schneller und stärker auf visuelle Reize reagieren (was auch erklärt, warum Pornos hauptsächlich von Männern konsumiert werden). Allerdings, ob dieser Unterschied angeboren oder im Laufe der Zeit erworben wurde, lässt die Studie völlig offen.Wie üblich müssen Werber zu jeden Thema ihren Senf dazugeben: Eine Untersuchung der Universität Mainz zeigte, dass zu viel nackte Haut in der Werbung mehr schadet als nutzt. Warum? Die Aufzeichnung der Augenbewegungen bewies, die Kerle fanden zwar die Inserate wegen der Nackedeis geil, hatten aber nur mehr Augen für sie und nicht für das Produkt. Die Mädels hingegen fühlten sich von zuviel unverhüllter Nacktheit abgestoßen und bewerteten daher auch das beworbene Produkt eher negativ.
Welches Resümee ziehen wir also?
Wir müssen akzeptieren, die erotischen Vorstellungen von Männer und Frauen sind einfach unterschiedlich. Aber irgendwie kommen die beiden zusammen – wortwörtlich, sonst wären wir schon längst ausgestorben. Und macht nicht gerade dieser Unterschied den Thrill, den Reiz, die Spannung der Verführung aus? Am Ende dieses Artikels möchte ich meinen geneigten Leserinnen und Lesern nicht nur Theoretisches, sondern auch Praktisches mit auf den Weg der Untugend geben!
Ladys first: Männer sind nicht in der Lage, dezente Andeutungen zu verstehen. Deshalb sagen Sie ihm klar und deutlich, was Sie wollen. Konjunktive sind ganz schlecht. Ein „Vielleicht könntest du mal…“ treibt einem Mann nicht in den Sinnesrausch, sondern in den Wahnsinn. Sagen Sie ihm: „Schlaf mit mir“ (wahlweise auch in nicht druckreifen Worten), und sagen Sie ihm auch, wo: Im Bett, im Auto, im Büro nach Dienstschluss, etc. Und geben Sie seinen Augen etwas zu tun – das bringt Amygdala, Hypothalamus und seinen kleinen Freund auf Touren.
Was meine Leser betrifft, so möchte ich Ihnen den Tipp eines Herrenmagazins ans Herz legen, dessen Namen ich aus Mitleid verschweige. Denn der zitierte Ratschlag bringt all meine Thesen über männliche Sensibilität auf den Punkt: „Machen Sie es wie früher: Besorgen Sie im Supermarkt eine Flasche Eierlikör oder Amaretto und füllen Sie die Dame dann so richtig ab. Der Rest ergibt sich“.
Autor:in:
Zur Person Mag. Claudia Ohnesorg-Csik studierte Handelswissenschaften an der WU Wien. Ist Mutter von zwei Töchtern. Sie ist für die Online Redaktion zuständig und verantwortet die Social Media Präsenz. Aktuelle…