Sonnenschutz ist ein absolutes Muss, das ist klar. Sonnenbrand, die Schädigung von Kollagenfasern, Unterdrückung des Immunsystems und erhöhtes Hautkrebsrisiko müssen sicher verhindert werden. Was aber, wenn der Sonnenschutz selbst möglicherweise gefährliche Substanzen enthält? all4family berichtet über eine besorgniserregende Entdeckung.
Warum ständige Produktüberwachung so wichtig ist
Weichmacher im Urin?
Das deutsche Umweltbundesamt führt zurzeit die sechste „“Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit“ durch. Die unliebsame Überraschung Anfang des Jahres 2024: Unerwartet wurde das Weichmacher-Abbauprodukt Mono-n-hexylphthalat im Urin von ca. einem Drittel der bis dahin untersuchten erwachsenen Testpersonen nachgewiesen. Lokale Proben wie die des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein- Westfalen (LANUV) wiesen den Weichmacher auch im Urin von Kindern nach. Das Forschungsteam war konsterniert. Dieser Stoff ist ein Abbauprodukt des Weichmachers DnHexP (Di-n-hexyl-Phthalat), der seit 2013 in der EU in Kosmetik, Spielzeug und Lebensmittelverpackungen verboten ist und seit 2023 ohne Zulassung grundsätzlich nicht mehr verwendet werden darf.
Schließlich fiel den ToxikologInnen auf, dass der Spiegel des Weichmachers im Urin der Testpersonen besonders in der Skisaison und im Sommer erhöht war. Sie verdächtigten daher Sonnenschutzmittel als Quelle.
Nebenprodukt oder Verunreinigung?
Gelangt der Weichmacher über eine Verunreinigung in die Produkte oder entsteht er als Nebenprodukt eines chemischen Prozesses?
Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA) untersuchte aus diesem Anlass 57 Sonnenschutzprodukte aus den Jahren 2020 bis 2023 auf ihren Gehalt an DnHexP. Zu diesem Zweck wurde eine neue sensible Untersuchungsmethode zum Nachweis von DnHexP entwickelt.
Das Resultat:
- In 36 von 57 untersuchten Sonnenschutzmitteln war DnHexP nicht nachweisbar.
- Davon enthielten 17 Produkte nicht den UV-Filter DHHB, der als mögliche Quelle im Verdacht steht.
- In 21 Produkten mit dem Filter DHHB konnte DnHexP nachgewiesen werden, aber interessanterweise war DnHexP in 19 Proben mit dem Filter DHHB nicht nachweisbar.
Auch interessant: Ein Zusammenhang zwischen dem Gehalt an DnHexP und DHHB war nicht feststellbar.
Recherchen des Magazins „Spiegel“ wiederum ergaben, dass der Weichmacher DnHexP bei der Produktion des Sonnenschutzfilters DHHB anfallen kann, entweder als Verunreinigung oder als Nebenprodukt. Außerdem fand der „Spiegel“ einen weiteren Hinweis in der Patentschrift EP4110754A1, angemeldet im Februar 2021, mit der der Chemiekonzern BASF ein Verfahren zur Erzeugung des Sonnenschutzfilters DHHB eingereicht hatte, bei dem der Weichmacher DnHexP als Nebenprodukt entstehe. Der Hersteller des Filters, BASF, betonte laut „Spiegel“ allerdings, dass seine Produkte sicher seien und BASF nicht der alleinige Lieferant des Filters sei.
Übrigens: Der Einsatz des Sonnenschutzfilters DHHB ist laut dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe seit 2022 stark angestiegen. Das ist nicht verwunderlich, denn der zuvor häufig verwendete chemische Filter Octocrylen war seinerseits in Verruf geraten – wegen seines möglichen Zerfalls zu Benzophenon, vor allem nach ca. einem Jahr. Daher: Immer das Ablaufdatum beachten und kein Produkt verwenden, das älter als ein Jahr ist!
Wie steht es in der Zwischenzeit um die Sicherheit der AnwenderInnen?
Bis man den genauen Sachverhalt kennt, wird es noch dauern. Was bedeutet das für unsere Gesundheit? Die Kommission Human-Biomonitoring am deutschen Umweltbundesamt hat heuer Ende März einen ersten Richtwert für den Gehalt von MnHexP im Urin erarbeitet: Bei bis zu 60 Mikrogramm pro Liter (μg/L) Urin sei nicht mit gesundheitlichen Schäden zu rechnen. Damit liegen alle 750 Proben des Umweltbundesamtes unter der aktuellen Gefährdungsgrenze.
Was ist was?
- DHHB (Diethylamino Hydroxybenzoyl Hexyl Benzoate): chemischer Sonnenschutzfilter
- DnHexP (Di-n-hexyl-Phthalat): Weichmacher, mögliche Verunreinigung von DHHB – verboten!
- MnHexP (Mono-n-hexylphthalat): Weichmacher, Abbauprodukt von DnHexP, gilt als fortpflanzungsschädlich
- Octocrylen: (alter) chemischer Sonnenschutzfilter
- Benzophenon: Abbauprodukt von Octocrylen, gilt als krebserregend – verboten!
Wie weiß ich, was in welchem Produkt enthalten ist? Müssen wir jetzt alle Chemie lernen?
Das ist nicht erforderlich. Mittlerweile gibt es diverse Handy-Apps, die die Inhaltsstoffe von Kosmetikprodukten per Barcode-Scanner auflisten und bewerten. Erläuterungen werden ebenfalls geboten, z. B. von
- Cosmile
- Hautschutzengel
- ToxFox
- Code Check
Die Apps machen auch begründete Vorschläge für unbedenkliche Produkte.
In jedem Fall empfehlenswert: zertifizierte Naturkosmetik mit mineralischen Filtern in Mikro-, nicht in Nanogröße! Risikoabwägung: Das klingt alles mühsam. Stimmt. Aber keinen Sonnenschutz zu verwenden ist auch keine Option. Denn die gesundheitlichen Schäden durch ungeschützten Aufenthalt in der Sonne sind unbestritten und müssen auf jeden Fall vermieden werden.
Ein Lichtblick: Eine Forschergruppe unter der Leitung des Department of Dermatology am Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School hat eine neue verbesserte Formulierung eines Sonnenschutzprodukts auf Basis von Zinkoxid entwickelt – angenehme Anwendung, kein Weißeffekt und hoher Schutz!
Typen von Sonnenschutz
- Typ 1 – Chemische Filter: wandeln die auf der Haut auftreffenden Sonnenstrahlen in Wärme um
- Typ 2 – Physikalische Filter: Titandioxid und/oder Zinkoxid wandeln die Sonnenstrahlen ebenfalls in Wärme um, „streuen“ sie aber noch zusätzlich, d.h. die Strahlen werden in alle Richtungen reflektiert. Das ist der Grund für den sogenannten Weißeffekt.
- Es können auch beide Filtertypen in einem Produkt enthalten sein. Physikalische Filter in Nanopartikelgröße werden auch immer wieder kritisch betrachtet; wer auf Nummer sicher gehen will, greift zu Filtern in Mikropartikelgröße und nimmt die etwas schlechtere Verteilbarkeit in Kauf.
- Bio-Sonnenschutz – was ist da anders?
Chemische Filter sind bei Natur- und Biokosmetik streng verboten. Die physikalischen Filter Titandioxid und Zinkoxid sind zulässig.
Sonstige Verbote hängen vom jeweiligen Gütesiegel der zertifizierenden Stelle ab, nicht alle untersagen die Verwendung von Nanopartikeln.
Sonne ist gesund. Sie hebt unsere Laune, ist notwendig zur Vitamin-D-Produktion und beugt sogar Kurzsichtigkeit vor. Ein Zuviel davon schadet aber unserem Immunsystem, lässt die Haut frühzeitig altern und führt schlimmstenfalls zu Hautkrebs. Wie schützt man sich also am besten vor zu intensiver Sonnenstrahlung … ohne die Umwelt zu belasten?
Welche Vor- und Nachteile haben die beiden Systeme?
- Gerade die chemischen Filter sind in Verruf geraten, weil sie vor allem früher zu schweren Allergien geführt haben. Bei modernen Produkten ist das Problem weitgehend gelöst, allerdings stehen chemische Filter im Verdacht hormonell wirksam zu sein, weswegen sie laut Deutscher Haut- und Allergiehilfe e.V nicht für Babys und Kinder zu empfehlen sind. Laut einer aktuellen Studie der US-Gesundheitsbehörde FDA können die Filter Oxybenzon und Octocrylen noch bis zu 30 Stunden nach dem Eincremen im Blut nachgewiesen werden.
- Sonnencremen auf physikalischer Basis verwenden Titan- oder Zinkoxid als Filter. Titanoxid ist ein ungiftiges weißes Pulver, das aus Titanerz, einem natürlich vorkommenden Gestein, gewonnen wird und vor allem als Lebensmittelfarbe für Kaugummis etc. zum Einsatz kommt. Zink wird ebenfalls aus einem Erz gewonnen und findet durch seine wundheilenden, adstringierenden und desinfizierenden Eigenschaften vor allem in Heilsalben Verwendung. Zu Mikropartikel vermahlen versprechen beide Substanzen wirkungsvollen Sonnenschutz, allerdings hinterlassen sie den unterwünschen „Weiß-Effekt“, weil sie eben nicht in die Haut einziehen. Darum ist man in der Kosmetik dazu übergegangen, diese Metalloxide in Form von Nanopartikeln einzusetzen; das sind winzig kleine Teilchen, die sich unsichtbar auf der Haut verteilen lassen. Bis heute wird allerdings diskutiert, ob nicht diese winzigen Partikel, vor allem bei geschädigter Haut, auf unerwünschte Weise in den Körper eindringen können. Auf Nachfrage bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wird allerdings die Unbedenklichkeit dieser beiden Substanzen auch in Nanopartikel-Größe bestätigt.
In modernen Sonnenschutzmitteln kommen oft beide Filtersysteme zum Einsatz, um einen möglichst umfangreichen Sonnenschutz bei maximalem Komfort zu erreichen. Auch wenn Sonnencremes etc. nicht ganz unumstritten sind, ist ihr Risiko weit geringer, als sich ungeschützt der Sonne auszusetzen. Eincremen bleibt also nach wie vor die Devise.
Sonnencreme als Meereskiller
Ein Aspekt, der bisher in allen Diskussionen und Konsumententests keine Berücksichtigung gefunden hat, ist die Umweltverträglichkeit von Sonnenprodukten. Wer kennt sie nicht, die bunten Ölschlieren auf der Wasseroberfläche von Seen oder am Meer?
Gerade die chemischen Filter Octocrylen und das bereits wenig verwendete Oxybenzon führen zu massiven Schäden und in Folge zum Absterben von Korallenriffen und zu Erbgutveränderungen bei Fischen. Allerdings kann auch Zinkoxid in Nanopartikel-Größe zur Korallenbleiche und damit zum Absterben führen. In Mexiko sind Sonnencremen mit diesen Inhaltsstoffen bereits verboten. In der EU gibt es derzeit leider keine verpflichtenden Tests für die Umweltverträglichkeit von Sonnenschutzprodukten.
Ist Sonnenschutz hautverträglich, sicher und umweltfreundlich?
In Flugzeugen nach Hawaii werden Proben einer Sonnencreme verteilt, die sogenanntes Non-Nano-Zinkoxid als Wirkstoff enthält, das heißt Zinkoxid in Mikro- anstatt Nanopartikel- Größe. Auch hierzulande bieten immer mehr Hersteller Sonnenschutzprodukte mit physikalischen Filtern in „non-nano“-Formulierung an (z. B. Weleda, Ringana, Lavera).
Können diese Sonnencremen der Kompromiss zwischen Haut- und Umweltschutz sein? Jein!
Einerseits geht man mit einem „non-nano“- Produkt gesundheitlich und umweltmäßig auf Nummer sicher, andererseits verfügen diese Produkte oft „nur“ über einen Lichtschutzfaktor von 20 bis 25, weil andernfalls der „Weißel-Effekt“ eintritt. Selbst wenn bei LSF 20 bereits 95% des UV-Lichts gefiltert werden (bei LSF 50 sind es 98%), reicht das möglicherweise nicht für alle Personengruppen als Schutz aus.
Vernunft walten lassen
Generell plädiert Frau Dr. Gerrit Schlippe, Dermatologin und Leiterin des Instituts Dermatest in Münster, aber für einen vernünftigeren Umgang mit der Sonne. So findet sie es paradox, sich mit Sonnenschutzfaktor 50 eingecremt in Sicherheit zu wiegen und zu glauben, man könne jetzt 50-mal länger in der Sonne bleiben als ohne Schutz. Diese Werte sind theoretisch errechnet, gibt sie zu bedenken.
Dr. Gerrit Schlippe: „In den Tests wird mit vierzig bis fünfzig Milliliter Sonnencreme pro Ganzkörper-Eincremung kalkuliert, d.h. die Packung wäre nach ca. fünf Anwendungen leer. Das ist unrealistisch.“ Sinnvoll wäre vielmehr, „sich mehr mit lockerer Kleidung vor der Sonne zu schützen, vor allem beim Schnorcheln oder beim Wassersport und die Zeiten der maximalen Sonneneinstrahlung zwischen 11:00 und 15:00 Uhr zu meiden oder im Schatten zu verbringen.“
Fixer Bestandteil des Sonnenschutzes sollten außerdem ein breitkrempiger Hut und eine Sonnenbrille mit UV-schützenden Gläsern sein.
Der Lichtschutzfaktor
Grundsätzlich vervielfacht der Lichtschutzfaktor die Eigenschutzzeit der Haut, also die Zeitspanne, die man ohne Vorbräunung in der Sonne bleiben kann, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen, um die angegebene Zahl. Wenn die Eigenschutzzeit fünfzehn Minuten beträgt und die Sonnencreme einen LSF von 10 aufweist, kann man daher 150 Minuten in der Sonne bleiben. Theoretisch.
Praktisch spielen viele Faktoren eine Rolle:
- die Tageszeit
- die Vorbräunung
- die Menge des verwendeten Sonnenschutzmittels
- aber auch die geografische Position.
So ist die UV-Belastung auf den Bergen um vieles höher als im Tal, Wasser und Sand können die Sonneneinstrahlung um 85% verstärken u.v.m. Wer auf Nummer sicher gehen will, wählt daher einen höheren Sonnenschutz als für den Hauttyp grundsätzlich angegeben. Der beste Schutz ist allerdings vernünftiges Verhalten, richtige Kleidung und das Vermeiden von direktem Sonnenlicht – der Haut und der Umwelt zuliebe.
Heißt „wasserfest“ wirklich wasserfest?
- „Wasserfest“ dürfen sich Sonnenprodukte nennen, die nach zweimaligem zwanzigminütigem Schwimmen noch 50 Prozent des Sonnenschutzes bieten. D.h. Nachcremen ist auf jeden Fall angesagt.
- Außerdem Sonnencreme eine halbe Stunde vor dem Schwimmen auftragen und trocknen lassen, das schont Haut und Wasser.
Was ist zu beachten für einen vernünftigen Umgang mit der Sonne?
Babys bis zu einem Jahr sollten nie der prallen Sonne ausgesetzt und nicht mit Sonnenschutz eingecremt werden. Bei Kleinkindern eher die physikalischen Filtern wählen, aber
nicht in Sprayform, um ein Einatmen zu vermeiden.
Auch Hausverstand ist gefragt: Die Zeit der maximalen Sonneneinstrahlung zwischen 11 und 15 Uhr lieber im Schatten verbringen, lockere Kleidung als Sonnenschutz verwenden und die Ausrüstung um einen breitkrempigen Hut und eine Sonnenbrille mit UV-schützenden Gläsern erweitern. Außerdem bedenken: Der Lichtschutzfaktor (LSF) gibt an, um welchen Faktor die Eigenschutzzeit verlängert wird – ein weiteres Eincremen verlängert diese Zeit nicht nochmals!
Dr. Gerrit Schlippe zu der Frage – Brauchen Haare Sonnenschutz: „Haare sind an sich totes Material, Keratinfäden, und benötigen daher keinen Sonnenschutz“, Allerdings trocknen Haare in der Sonne aus und brauchen daher mehr Pflege. Haaröle wie das bewährte Klettenwurzelöl oder Arganöl können diesbezüglich gute Dienste leisten.
QUELLEN, INFOS & WEITERLESEN
- CVUA, Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe Sonnenschutz: www.ua-bw.de
Benzophenon: www.ua-bw.de - BfR, Bundesinstitut für Risokobewertung: PDF- www.bfr.bund.de
- Spiegel: www.spiegel.de
- UBA, Umweltbundesamt: www.umweltbundesamt.de
www.umweltbundesamt.de - www.sonneohnereue.at
- www.dha-sonnenschutz.de
- www.pharmazeutische-zeitung.de
- www.sueddeutsche.de
- utopia.de
Autor:in:
Zur Person: Mag. Elisabeth Sorantin hat Sprach- und Literaturwissenschaften studiert und sich vor allem auf die Vermittlung von komplexen Sachverhalten in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Aktuelle Artikel