Wenn sich nach einem Jahr ungeschütztem Geschlechtsverkehr zum günstigsten Zeitpunkt keine Schwangerschaft einstellt, spricht die Weltgesundheitsorganisation von Unfruchtbarkeit.
Ein Spermiogramm bildet den Status quo der männlichen Zeugungsfähigkeit ab. Es ist also unter Umständen durchaus sinnvoll, das Ejakulat genauer unter die Lupe zu nehmen.
Bei Themen wie diesen fängt man am besten sprichwörtlich bei Adam und Eva an. Denn was genau beim Orgasmus aus dem Penis ausgestoßen wird, wissen die wenigsten: Es sind zwei bis sechs Milliliter Samenflüssigkeit (auch Ejakulat oder Sperma genannt), die sich aus Sekreten der Prostata, der Bläschen und der Cowperschen Drüse zusammensetzen und als Transportmedium und Energielieferanten für 40 bis einige Hundert Millionen Samenzellen (auch Samenfäden oder Spermien genannt) dienen. Obwohl sie die Hauptakteure bei der Befruchtung einer Eizelle sind, fallen die Samenzellen selbst kaum ins Gewicht. Sie machen nur etwa fünf Prozent der Gesamtmenge des Ejakulats aus.
Gründe für ein Spermiogramm?
Da zur Fortpflanzung naturgemäß eine weibliche und eine männliche Keimzelle gehören, müssen sich bei unerfülltem Kinderwunsch auch die Samenzellen eine genaue Betrachtung unter dem Mikroskop gefallen lassen.
- Bei etwa der Hälfte der Kinderwunschpaare ist tatsächlich eine eingeschränkte Samenqualität der Grund für die Kinderlosigkeit.
- Aber auch zum entgegengesetzten Zweck, nach einer Sterilisation des Mannes (Vasektomie), bei der die Samenleiter durchtrennt werden, um eine dauerhafte Empfängnisverhütung zu garantieren, wird ein Spermiogramm gemacht. Schließlich möchte man in diesem Fall sichergehen, dass sich keine Samenzellen mehr im Ejakulat tummeln.
Wie wird ein Spermiogramm gemacht?
Für jedes Spermiogramm wird frisch gewonnenes Ejakulat im Labor untersucht. In den Tagen vor der Analyse darf es zu keinem Samenerguss kommen. Denn nur eine sexuelle Enthaltsamkeit von mindestens drei bis maximal sieben Tagen führt zu einem aussagekräftigen Ergebnis.
Am besten gewinnt Mann die Spermaprobe direkt vor der Untersuchung im Labor.
Wer lieber in der vertrauten Umgebung zu Hause Hand anlegen möchte, hat ein zu beachten: Die Probe muss sehr rasch, in einem sterilen Gefäß und unter Erhaltung der Körpertemperatur im Labor eintreffen, damit das Ergebnis nicht verfälscht wird.
- Der erste Prozess, der im Rahmen der Analyse beobachtet wird, ist die Verflüssigung des Spermas. Dauert dieser Vorgang länger als eine halbe Stunde, besteht bereits der erste Hinweis auf eine Fruchtbarkeitsstörung. Denn nur flüssiges Sperma ist in der Lage, die Samenzellen schnell genug zur befruchtungsbereiten Eizelle zu transportieren. In der Regel werden zur Beurteilung des Ejakulats die Referenzwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2010) herangezogen.
- Eine Spermienkonzentration von mindestens 15 Millionen Spermien pro Milliliter gilt als normal. Zudem müssen mindestens 58 Prozent lebendig sein. überprüft wird dies durch ein Verfahren, bei dem das Ejakulat eingefärbt wird. Nur tote Samenzellen nehmen den beigefügten Farbstoff an und stellen sich damit posthum ins Rampenlicht des Mikroskops.
- Das idealtypische Spermium verfügt über einen regelmäßig geformten ovalen Kopf, ein etwa gleich langes, aber deutlich schmäleres Mittelstück und einen beweglichen Schwanzteil. Diese Erscheinungsform, mit freiem Auge freilich nicht erkennbar, erinnert an eine Kaulquappe und zumindest vier Prozent aller Spermien sollten genauso aussehen; 32 Prozent sollten sich zudem vorwärts und mit dem Kopf voran bewegen.
- Ein Entzündungswert, der pH-Wert von >= 7,2, die typische weißlichtrübe Farbe und ein kastanienblütenartiger Geruch runden den Befund ab.
Spielt der Samen bei der Fortpflanzung eine große Rolle?
Je nachdem welche Abweichung das Spermiogramm zeigt, lautet die Diagnose beispielsweise
- Azoospermie, wenn gar keine Samenzellen nachgewiesen werden
- Oder Teratozoospermie, wenn der Anteil der normal geformten Samenzellen verringert ist.
- Die häufigste Diagnose ist das sogenannte OAT-Syndrom (Oligo-Astheno-Teratozoospermie). Hierbei ist die Zahl der Spermien gering, ihre Beweglichkeit eingeschränkt und das Aussehen nicht perfekt.
Man könnte fast meinen, die Menge der Samenzellen sei für die Zeugung eines Kindes gänzlich unerheblich. Schließlich genügt am Ende eine einzige Samenzelle für die Befruchtung der Eizelle. Finden sich jedoch pro Milliliter Ejakulat weniger als fünf Millionen Spermien, ist die Wahrscheinlichkeit, ein Kind zu zeugen, sehr gering. Denn der Weg zum Ziel ist lang und viele Samenzellen überleben ihn erst gar nicht.
Was kann die Spermienqualität beeinflussen?
Übergewicht, Rauchen und Substanzen (z. B. Anabolika), die bei sportlichem Ehrgeiz eingenommen werden, aber auch die beliebten Energydrinks sind wahre Killer für die Samenzellen. Außerdem befinden sich die Hoden aus gutem Grund außerhalb des Körpers: Sie benötigen eine Temperatur, die zwei bis drei Grad unter der Körperkerntemperatur liegt. Denn bei dauerhafter überhitzung nehmen die Spermien Schaden. Das geschieht beispielsweise bei einem unentdeckten Hodenhochstand, beim Tragen von zu engen Hosen, durch heiße Vollbäder, die Nutzung von Sitzheizungen oder durch langes Arbeiten mit dem Laptop auf dem Schoß.
Allerdings lässt sich nicht jedes Problem durch eine Veränderung der Lebensweise beheben. Manchmal liegen die Gründe schon in den Genen, in Vorerkrankungen wie z. B. Mumps oder der hormonellen Situation. Oder aber das vorliegende Spermiogramm ist schlichtweg eine ungünstige Momentaufnahme. Das ist der Grund dafür, dass bei einem auffälligen Befund immer ein zweites Spermiogramm gemacht wird. Erst dann hat Mann tatsächlich Gewissheit, wie es um seine Zeugungsfähigkeit steht.
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Zur Person: Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel