Jacques Mertzanopoulos ist einer der etabliertesten Personalberater in Österreich. Basierend auf seinen beruflichen Erfahrungen hat er sich Gedanken zum Thema Väterkarenz gemacht, die sich etwas anders anhören als der sonst publizierte Mainstream:
Wieso erinnert mich die Väterkarenz so sehr an den Zivildienst?
Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Ich kann mich gut daran erinnern, als ich Mitte der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts als Junior-Berater Lebensläufe gesichtet habe. Und ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass viele unserer damaligen Kunden (mehr oder weniger hinter vorgehaltener Hand) gesagt haben: „Lieber einen Einjährig-Freiwilligen als einen Zivildiener – nur keine Softies.“
Heute ist das schon seit vielen Jahren kein Thema mehr. Die Leistung des Zivildieners für das Vaterland ist unbestritten und dem Dienst beim Heer ebenbürtig. Aber es hat gedauert. Und zwar nahezu 20 Jahre. Viele der damals nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen Zivildienstleistenden werden sich gefragt haben: Warum habe ich es so schwer, und das, obwohl wir täglich hören, dass der Zivildienst wichtig für Österreich ist?
Wie sieht es mit der Väterkarenz aus und was ist der Zusammenhang mit dem Zivildienst?
Nun, im neuen Jahrtausend hat sich viel geändert, sehr viel sogar. Wir „gendern“ alles, jeder ist extrem weltoffen, tolerant und natürlich für die Gleichberechtigung. Alles andere wäre ja untragbar. Tatsache ist allerdings, dass die Zahl weiblicher Führungskräfte, Vorstände und Direktoren nur langsam (sehr langsam) wächst. Die Regierungen der vergangenen Jahre haben sich bemüht, es Vätern durch finanzielle und steuerliche Anreize sowie durch die Adaptierung der rechtlichen Grundlagen leichter zu machen, in Väterkarenz zu gehen. Die Karriere der Frau sollte nicht unnötig lange unterbrochen werden, und dass es für Kinder auch nur gut sein kann, eine enge Beziehung zum Vater zu haben, ist unbestritten.
Und die Väter?
Viele Väter wünschen sich die Möglichkeit, mehr Zeit, ja sogar viel mehr Zeit mit dem hoffnungsvollen Nachwuchs verbringen zu können. Obwohl es gute Gründe für die Väterkarenz gibt, sind diese nicht wirklich angenommen. In den skandinavischen Ländern ist es ganz anders, da ist die Väterkarenz eine durchaus häufige Praxis. 2015 gingen in Schweden fast 90 Prozent aller Väter in Karenz, während es in Österreich laut Familienministerium nur gut 17 Prozent waren. Aber nicht nur der Anteil der Karenzväter ist in Skandinavien höher, sondern auch die Geburtenrate. In Schweden lag sie im 2014 bei ziemlich genau 1,9 Kindern pro Frau, in Österreich waren es nur 1,4. Was schließen wir daraus? Ich überlasse es gerne der geneigten Leserschaft, den Zusammenhang zwischen einer attraktiven Karenzregelung und der Geburtenrate herzustellen.
Warum liegt bei internationalen Vergleichen Österreich im letzten Viertel, wenn es um die Inanspruchnahme der Väterkarenz geht?
Aus meiner Sicht ist die Antwort klar und relativ einfach. Trotz des Umstandes, dass bei jeder Rede und jedem Artikel darauf geachtet wird, dass richtig und immer „gegendert“ wird, und trotz Conchita Wurst ist Österreich sehr konservativ und aus unterschiedlichen Gründen stark von Männern dominiert. In der Privatwirtschaft gibt es wenige Männer, die – obwohl sie es gerne würden – sich trauen, die Väterkarenz in Anspruch zu nehmen. Unternehmen sehen es nicht gerne, wenn ein Mann in Karenz geht. Natürlich darf man es nicht sagen, aber Frauen zwischen 25 und 35 haben schlechte Karten, wenn es um einen Karrieresprung geht. Männer, die in Karenz gehen, tragen dasselbe Risiko: Die Familie könnte ja ein zweites oder weiteres Kind bekommen, und dann ist „der schon wieder weg und fällt aus für einige Monate“.
Zweite Frage – die darf man natürlich auch nicht stellen: Ist ein Mann, der in Karenz geht, wirklich ein Mann? Wird er als knallharte Führungskraft von anderen Männern akzeptiert? Oder ist er ein „Weichei“, das unter dem Kommando seiner Frau steht? Apropos Kommando – damit sind wir wieder beim Dienst mit der Waffe und dem Zivildienst. Alles braucht seine Zeit. Ich kenne die genauen Zahlen nicht und kann nicht sagen, wie viele Männer in den vergangenen zwei bis drei Jahren in Väterkarenz gegangen sind und wie viele davon in der Privatwirtschaft tätig sind und wie viele nach ihrer Rückkehr aus der Karenz ihre Karriere unbeschadet weitegeführt haben. Persönlich kenne ich leider nur sehr wenige. Die gute Nachricht? Mein Freund Dominik ist voriges Jahr Vater eines kleinen Maximilian geworden, und ich schätze, wenn der kleine Mann anno 2046 30 Jahre alt sein wird, wird es eine völlig normale Entscheidung sein, dass sich Mutter und Vater die Karenzzeit teilen. Heute empfinde ich es als Risiko, wenn beruflicher Aufstieg und Karriere im Fokus liegen. Aber alles ist subjektiv – und was ist schon Karriere? Wie sagte bereits Marilyn Monroe? „Karriere ist etwas Herrliches, aber man kann sich nicht in einer kalten Nacht an ihr wärmen“. Als Personalberater rate ich daher, Entscheidungen mit offenen Augen zu treffen. Väterkarenz ja – aber sie wird sich anno 2017 sehr wahrscheinlich auf die Karriere auswirken.
Jacques Mertzanopoulos ist Geschätsführender Gesellschafter von Arthur Hunt Österreich. Als Senior-Consultant mit 25 Jahren Berufserfahrung in der Personalberatung liegt der Beratungsschwerpunkt im Executive Search national & international mit Fokus auf Top-Management- und Spezialistenpositionen.
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Mag. Jacques Mertzanopoulos ist Geschätsführender Gesellschafter von Arthur Hunt Österreich. Als Senior-Consultant mit 25 Jahren Berufserfahrung in der Personalberatung liegt der Beratungsschwerpunkt im Executive Search national & international mit Fokus auf Top-Management- und Spezialistenpositionen.