Ein Ansatz für gelebte Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Birk Grüling – Journalist, Vater, Väter-Podcast-Macher – hat sein erstes Buch veröffentlicht! Es geht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein Dauerthema für arbeitende Eltern. Grüling hat kein Buch ausschließlich für Männer geschrieben, aber ein Buch aus Männersicht. Für COOL DAD hat er seine Gedanken kurz zusammengefasst.
Wir können alles anders machen, als unsere Väter das vielleicht getan haben. Wir haben ein großes Privileg und damit verbunden eine große Verantwortung. Noch nie standen unsere Chancen besser, mit alten Werten zu brechen, der Last des alleinigen Ernährers zu entfliehen und die eigene Vaterrolle neu und anders zu gestalten. Die erste und beste Gelegenheit dazu bietet aus meiner Sicht die Elternkarenz.
Zu Hause beim Kind bleiben zu dürfen und dafür auch noch Geld zu bekommen, das ist ein tolles Angebot. Leider sehen das längst nicht alle Männer so. Zwar verbringen Väter inzwischen mehr Zeit mit ihren Kindern als noch vor zehn oder 20 Jahren. Allerdings findet diese gemeinsame Zeit hauptsächlich am Wochenende statt. Interessant finde ich deshalb vor allem die folgende Frage:
- Was hält Väter davon ab, in Elternzeit oder Teilzeit zu gehen?
Bei Befragungen werden immer wieder zwei Gründe genannt: Geld und Angst um die eigene Karriere.
Finanzielle Aspekte lassen sich natürlich nicht vollends von der Hand weisen: Der Kühlschrank will gefüllt, die Miete gezahlt sein. Dafür reicht in manchen Fällen das Elterngeld eben nicht aus – das gilt besonders für Paare mit großen Gehaltsunterschieden und Geringverdiener.
Deutlich weniger nachvollziehbar ist die Angst vor dem Karriereknick – wegen zwei Monaten Familienauszeit. Frauen hält ein möglicher Karriereknick auch nicht davon ab, nach der Geburt lange zu Hause zu bleiben. Auch gibt es keine Studien, die belegen, dass Väter durch Elternzeit Einkommenseinbußen oder Nachteile bei der Bewerbung oder Beförderung haben. Natürlich gibt es auch noch die gesellschaftliche Prägung und unsere Sozialisierung, die einer längeren Auszeit in manchen Fällen im Weg steht.
Viele Männer scheinen immer noch selbstverständlich davon auszugehen, dass sie bei der Familiengründung der Hauptverdiener werden und ihre Partnerin als gute Mutter selbst das Bedürfnis hat, sich überwiegend um ihr Kind zu kümmern. Das wirkt ein bisschen absurd, immerhin wünscht sich die Mehrzahl der Männer mehr Zeit mit der Familie und sagt, dass die Zeit mit den Kindern wichtiger ist als der berufliche Erfolg. Trotzdem traut sich die Mehrheit nicht, sich diese Zeit auch zu nehmen.
Auch die Rollenaufteilung im Alltag könnte sich verändern, wenn mehr Väter Karenz in Anspruch nehmen würden. Denn Väter, die in Elternzeit gehen, verbringen auch danach mehr Zeit mit ihren Kindern und engagieren sich stärker im Haushalt. Das zeigen Untersuchungen aus Schweden. Vielleicht könnte die Politik aus all diesen Vorteilen lernen und die Elternzeit von Vätern noch bewusster fördern.
Ich möchte mein Plädoyer für väterliches Engagement mit einer kleinen Geschichte abschließen. Während meiner eigenen (leider viel zu kurzen) Elternzeit kam ich mit einem älteren Herrn ins Gespräch, vormittags an der Supermarkt-Kasse. Ich kaufte mit meinem Sohn gerade Windeln und Brei. Er alberte mit dem Kleinen herum und erzählte stolz von der schönen Zeit mit seinem Enkel. Zum Abschied gab er mir einen Rat: „Verbringen Sie Zeit mit Ihren Kindern, seien Sie dabei, wenn sie aufwachsen. Ich habe das verpasst. Zum Glück kann ich das mit meinem Enkel nachholen.“ Leider geht genau das nicht. Die Zeit mit den Kindern lässt sich nicht zurückholen.
In ihrem Buch „Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ schildert die Krankenschwester Bronnie Ware Gespräche, die sie mit Menschen kurz vor deren Tod geführt hat. Fast alle Väter klagen darüber, dass sie zu viel gearbeitet und zu wenig Zeit mit der Familie verbracht haben. Deshalb sollte sich jeder Vater fragen: Wie präsent will ich im Leben meiner Kinder sein? Und bin ich bereit, dafür „Opfer“ zu bringen?
Seid mutig
Wenn die Karriere vorgeht, kann ich das verstehen. Wenn ihr lieber im Büro sitzt als auf dem Spielplatz zu stehen, kann ich das verstehen. Die Zeit mit Babys oder Kleinkindern ist nicht nur schön, sondern auch anstrengend und manchmal eintönig. Die Tage in der Elternzeit bestehen aus Windeln, Brei kochen, auf der Spieldecke liegen; ein Ausflug zum Supermarkt oder in die Drogerie ist ein absolutes Highlight.
Wer darauf keine Lust hat, sollte dazu stehen. Es macht euch nicht zwangsläufig zu schlechteren Vätern. Doch wer es unbedingt anders machen will als unsere eigenen Väter, dem kann ich nur raten: Seid mutig, nehmt eine Auszeit für die Familie, so lang wie möglich. Seid der erste Mann im Unternehmen, der für die Familie in Teilzeit geht. Verbringt möglichst viel Zeit und Alltag mit eurem Kind, putzt, kocht, wechselt Windeln, selbst wenn das eure Kumpels vielleicht für „unmännlich“ halten. Dafür müsst ihr dann im Alter keinen verpassten Chancen nachtrauern und seid nicht nur Zaungast beim Aufwachsen eures eigenen Kindes. Außerdem macht die Vaterzeit auch viel Spaß.
Inzwischen ist mein Sohn vier Jahre alt und mag Dinosaurier, Lego und Vorlesen. Seine Interessen teilt er mit mir, ich bin ein wichtiger Ansprechpartner für ihn, wir tauchen zusammen in magische Welten ab und verbringen Nachmittage auf dem Spielplatz. Dieses Privileg und diese gemeinsame Zeit würde ich um nichts in der Welt wieder eintauschen.
Autor:in:
Zur Person: Birk Grüling …… Birk Grüling arbeitet als Redakteur und freier Journalist. Er widmet sich vor allem den Themen Bildung, Wissenschaft und Familie und verfasst auch Texte für Kinder.…