In allen Beziehungen gibt es ein Auf und Ab. Im Bett erreicht man den Tiefpunkt meist dann, wenn nur noch „Schema F“ abgespult wird. Das ist für alle Beteiligten unbefriedigend. Schließlich ist Routine so weit von Hingabe entfernt wie die Venus vom Mars.
„Kurz ein wenig streicheln, dann diesen Knopf drücken. Schließlich in eine Richtung stimulieren, und schon sind wir am vermeintlichen Ziel. Das hat ja bislang auch immer funktioniert. Viele Paare kennen den Sex, der für scheinbare Befriedigung sorgt, aber nicht wirklich berührt“ beschreiben Alma Katrin Wagener und Michael Firnkes das Problem vieler Partnerschaften. Gemeinsam haben sie das Buch „Wie Sie als Paar die Liebe wiederentdecken“ geschrieben.
Dort erklären sie, wie aus dem „alltäglichen Programm“ wieder echte Hingabe wird. Denn obwohl Partnerschaften weit mehr Facetten als bloße Sexualität aufweisen, straucheln viele Paare tatsächlich auf diesem Gebiet. In Krisen spielt sexuelle Unzufriedenheit oft eine ganz entscheidende Rolle. Wie sie von Betroffenen beschrieben wird, ist vielfältig und individuell. Es reicht von „zu viel“, „zu wenig“, „zu einseitig“ über „zu unachtsam“ bis hin zu „lieblos“ oder „unbefriedigend“.
Der Schlüssel, um derart verfahrene Liebesbeziehungen zu retten, liegt in Achtsamkeit und Kommunikationsbereitschaft: „Aufeinander zugehen, kommunizieren, Berührung und Intimität neu erlernen, gemeinsame Visionen entwickeln und Vertrauen wiederherstellen – zu sich und zum Gegenüber.“ Hat man den Dreh dann raus, gehen Herz und Seele wieder auf.
Die ganzheitliche und sinnliche Annährung an das Thema ist wohl dem beruflichen Background des Autoren-Duos geschuldet: Alma Katrin Wagener ist Paartherapeutin und hat, ebenso wie Co-Autor und Männercoach Michael Firnkes, eine Ausbildung in Tantramassage. Aus ihrem bunten Erfahrungsschatz ist viel in dieses Buch eingeflossen.
Liebesspiel mit Spielregel
„Wenn man Intimität gemeinsam um neue Ebenen erweitern möchte, bedeutet das, eingefahrene Muster zu durchbrechen“, erklären sie die Idee hinter übungsvorschlägen wie der „Liebesreise“.
Für diesen Kurztrip in den siebten Himmel sollte man sich zwei Stunden Zeit nehmen und sich ein gut gewärmtes Liebesnest herrichten. Geben und Nehmen wechseln sich ab, die Augen werden verbunden und nur die Hände sind im Spiel. Jeweils eine Stunde lang übernimmt jede(r) einmal den empfangenden und dann den gebenden Part. Die gebende Person erkundet hingebungsvoll und zärtlich den gesamten Körper der empfangenden. Erst gibt es Streicheleinheiten für die Körperrückseite, später kommt die Vorderseite dran.
Es gibt nur wenige Regeln, doch die haben es in sich:
- langsam sein,
- nicht auf bestimmte Bereiche fokussieren,
- gezielte Stimulationen sind tabu
- und vor allem kommt es nicht zum Sex im herkömmlichen Sinne.
„Solche ungewohnten Sinnesreize und Denkanstöße zu erleben, erweitert die erotische Kompetenz. Berühren und Berührtwerden können gänzlich neu erlernt werden“, erklären Wagener und Firnkes die Hintergründe solch zärtlicher Höhepunkte.
Ein „Sich-Annehmen“ und „Sich-Fallenlassen“ ist in der partnerschaftlichen Sexualität nur dann möglich, wenn man ‚bei sich‘ ist und bleiben kann.
Erotische Aufgaben
Paare können sich auch kleine erotische Aufgaben stellen, die ihre Sehnsüchte preisgeben und die Fantasie anregen.
Eine Botschaft könnte zum Beispiel sein: „Lass schon einmal das Badewasser ein und stelle zwei Gläser Sekt bereit.“ Oder: „Du bist shoppen? Ich möchte ein sexy Bild aus der Umkleidekabine.“ Auch wenn einem zu Beginn derlei Aufgaben vielleicht kindisch und peinlich vorkommen, erfährt man viel über die unausgesprochenen Wünsche des anderen und erhält das Prickeln im Alltag aufrecht. Vorsicht ist geboten, wenn es ums Finden des passenden Tempos geht und die Aufgaben offensiver werden. Aufforderungen, die in eine eher dominante Richtung gehen, eignen sich zudem nicht, wenn es in der Beziehung gerade kriselt.
Pflichtprogramme sind unbefriedigend
Beim „herkömmlichen“ Geschlechtsverkehr sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass alles sein kann, aber nichts sein muss. Auch ohne Orgasmus kann Intimität nämlich sehr erhebend sein. Dennoch entsteht in Beziehungen manchmal eine Dynamik, die suggeriert, der gemeinsame Akt sei erst befriedigend, wenn auch tatsächlich beide gekommen sind.
„Natürlich gehört zu einer erfüllten Sexualität ein ungefähres Gleichgewicht von Geben und Empfangen und zumindest eine klare Kommunikation darüber, wer welche Bedürfnisse hat. Doch die Erwartungshaltung, dass Nähe und Intimität einen Orgasmus zur Folge haben müssen, schränkt das Liebesleben deutlich ein. Mehr noch: Sie führt genau zu jenen automatischen Abläufen, die jegliche Lust killen.“
Zuhören lernen, ohne gleich ein Urteil zu fällen, und offen miteinander sprechen, ohne schon das „Nein!“ vorauszudenken.
Gemeinsam nach den Sternen greifen
Für sehr achtsame und erfahrene Paare wird einiges, was im Buch beschrieben wird, vielleicht banal und nach „Na-no-na-ned“ klingen. Dennoch könnte der eine oder andere Impuls Ihren Horizont erweitern.
Wagener und Firnkes werfen nämlich auch große Sinnfragen auf wie: „Was ist der Antrieb für meine Beziehung?“ Damit meinen sie nicht etwa, Kinder zu bekommen und sie gemeinsam zu erziehen. Eine Familie zu gründen ist schließlich eine eigene Vision, die sehr erfüllend sein kann. Viele Paare vergessen aber gerade darüber ihre eigenen Bedürfnisse und ordnen sie diesem Ziel unter.
Was also macht eine erfüllte Paarbeziehung aus? Welche Ziele und Wünsche lassen sich daraus ableiten und wo gibt es Gemeinsamkeiten? Wer diese erkennt und eine Vision definiert, geht die ersten Schritte auf dem Weg in die unendlichen Weiten der Liebesgalaxie … und dorthin vorzudringen zahlt sich aus. Denn für ein Happy End müssen „Venus“ und „Mars“ sich ganz nahe kommen. Vielmehr: sich liebevoll vereinigen.
Wie Sie als Paar die Liebe wiederentdecken
Den Funken neu entfachen: Wege zu einer erfüllten Sexualität
Alma Katrin Wagener, Michael Firnkes
TRIAS Verlag, Stuttgart
ISBN Buch: 9783432114637
Autor:in:
Zur Person: Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel